Beratung

Safety first

Sicher im Straßenverkehr trotz Arzneimittel

Im Straßenverkehr gilt Sicherheit als oberste Priorität – wer als Auto- oder Radfahrer daran teilnimmt muss fahrtauglich sein. Sowohl die Einnahme von Arzneimittel als auch bestimmte chronische Erkrankungen können die Fahrtauglichkeit negativ beeinflussen. So wird ca. jeder fünfte Unfall direkt oder indirekt durch die Einnahme von Medikamenten verursacht. „Erst Fragen, dann fahren!“, so lautete vor zehn Jahren der Slogan der ABDA im Rahmen des Tags der Apotheke – wer Arzneimittel einnimmt, sollte sich im Vorfeld beim behandelnden Arzt oder Apotheker nach möglichen Nebenwirkungen informieren. Auch ein Blick in den Beipackzettel kann nicht schaden. | Von Martina Wegener

Unter dem Begriff „Fahrtauglichkeit“ wird die zeitliche und situationsabhängige Fähigkeit zum Führen eines Fahrzeuges verstanden. Diese kann sowohl durch physische als auch durch psychische Faktoren negativ beeinflusst werden. Dabei spielen insbesondere die Einnahme von Medikamenten, Alkohol, Drogen und bestimmte Erkrankungen einewesentliche Rolle [1, 2, 3].

Aktuellen Angaben zufolge kann rund ein Fünftel aller zugelassenen Arzneimittel Auswirkungen auf die Fahrtauglichkeit haben. Doch ein Drittel der Patienten ist nicht darüber informiert, ob ihre Arzneimittel die Fahrtauglichkeit beeinflussen können – mehr als 80% der Verkehrsteil­nehmer, die sich unter Medikamenteneinfluss ans Steuer setzen, unterschätzen die Gefahr [4, 5, 2].

Dabei ist vielen nicht bewusst, dass jeder Verkehrsteilnehmer für seine Fahrsicherheit eigenverantwortlich ist. Es gibt aktuell kein Gesetz, dass die Teilnahme am Straßenverkehr unter Medikamenteneinnahme verbietet. Laut § 2 Absatz 1 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) dürfen Personen, die aufgrund körperlicher oder geistiger Beeinträchtigungen sich nicht sicher im Verkehr bewegen können, nur dann daran teilnehmen, wenn sie vorsorgen, dass andere nicht gefährdet werden. Das heißt, dass jeder sich selbst vor Fahrtantritt vergewissern muss, dass er fahrtauglich ist. Andernfalls können nach § 315 c Strafgesetzbuch (StGB) strafrechtliche Konsequenzen drohen. Im Falle eines Unfalls kann auch der Versicherungsschutz gefährdet sein [4, 6, 7].

Vorab informieren – Aufklärung durch Arzt und Apotheker

Egal ob nur kurzzeitig oder dauerhaft ein Arzneimittel eingenommen wird – jeder Betroffene muss sich vorab darüber informieren, ob mit Beeinträchtigungen der Fahrtauglichkeit zu rechnen ist. Informationen zu Medikamenten und deren Einfluss auf die Fahrtauglichkeit können beim behandelnden Arzt oder Apotheker eingeholt werden [3].

Bei Neuverordnung eines Wirkstoffs, der die Fahrtauglichkeit beeinflussen kann, muss der behandelnde Arzt den Patienten fragen, ob er aktuell ein Fahrzeug führt und ihn persönlich über mögliche Beeinträchtigungen informieren (Informationspflicht). Er wird dazu angehalten, die Aufklärung schriftlich in der Krankenakte zu dokumentieren [8]. Doch nicht nur verschreibungspflichtige Medikamente spielen eine Rolle – auch Arzneimittel in der Selbstmedikation können die Fahrsicherheit negativ beeinflussen. Vor der Abgabe ist der Kunde über mögliche Auswirkungen auf den Straßenverkehr zu informieren. Laut einer von der ABDA beauftragten Forsa-Umfrage zum Thema „Medikamente und Straßenverkehr“ aus dem Jahr 2013 erhielt nur jeder Fünfte Informationen zur Fahrtauglichkeit in der Apotheke. Mehr als 70% der Teilnehmer nutzten die Packungsbeilage als Informationsquelle. Die Ergebnisse sollten als Anlass genommen werden, sich nochmals für das Thema zu sensibilisieren und in der Beratung über mögliche Nebenwirkungen auch Auswirkungen auf die Fahrtauglichkeit miteinfließen zu lassen. Auch Aufkleber in Form einer Medikamentenampel zur Einschätzung des Einflusses auf die Fahrtauglichkeit sind nach wie vor aktuell und können neben der Beratung ergänzend auf die Arzneimittel­packung geklebt werden [3, 9].

Risiko individuell unterschiedlich

Wie stark ein Arzneimittel die Fahrtauglichkeit beeinträchtigen kann, ist individuell unterschiedlich und im Vorfeld schwer abzuschätzen. Dabei spielen zahlreiche Einflussfaktoren wie z. B. Alter, Geschlecht, Erkrankungen und Begleitmedikation eine Rolle. Auch die Dosis, Darreichungsform und Zeitspanne zwischen Einnahme und Fahrtantritt hängen davon ab, inwieweit die Fahrtauglichkeit beeinträchtigt sein kann. Besonders kritisch ist die Phase zu Behandlungsbeginn – die Dosis sollte langsam eingeschlichen und ggf. eine vorübergehende Fahrpause eingelegt werden. Auch bei Dosisänderungen ist Vorsicht geboten [8, 10].

Nicht nur Schlafmittel bergen Gefahr

Bei den Wirkstoffen, die Auswirkungen auf die Fahrtauglichkeit haben können, handelt es sich vorwiegend um ZNS-wirksame Pharmaka. An erster Stelle stehen die Klassiker wie Schlaf- und Beruhigungsmittel – hier lässt sich ein Einfluss auf die Fahrsicherheit automatisch ableiten. Aber auch zahlreiche andere Arzneistoffe bergen eine Gefahr – wenn auch versteckt wie z. B. Blutdrucksenker [3, 8]. Genaue Informationen zum Einfluss auf die Fahrtauglichkeit finden sich in der jeweiligen Fach- und Gebrauchsinformation. Die Arzneimittel werden entsprechend der EU-weiten Standards in Bezug auf den Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen in vier Kategorien eingeteilt:

  • Kategorie 0: mutmaßlich sicher oder hat wahrscheinlich keine negativen Effekte auf die Fahrtüchtigkeit: kein Warnhinweis notwendig
  • Kategorie 1: hat wahrscheinlich einen geringen Effekt auf die Fahrtüchtigkeit: Patient sollte vor dem Fahren den entsprechenden Abschnitt der Gebrauchsinformation lesen
  • Kategorie 2: hat wahrscheinlich einen moderaten Effekt auf die Fahrtüchtigkeit: Patient sollte vor dem Fahren bitte den Rat eines Apothekers oder Arztes einholen sowie den entsprechenden Abschnitt der Gebrauchsinformation lesen
  • Kategorie 3: Hat wahrscheinlich einen großen Effekt auf die Fahrtüchtigkeit: die Person darf kein Fahrzeug führen, solange die (Neben-)Wirkung anhält, Wiederaufnahme des Fahrens nach Rücksprache mit dem Arzt

Dabei wird zwischen Anwendungsart, -ort und Darreichungsform unterschieden und auch die Dauer des Einflusses auf die Fahrtauglichkeit wird berücksichtigt. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern (z. B. Frankreich) gibt es in Deutschland derzeit keine klaren Warnhinweise mit entsprechenden Piktogrammen auf den Arzneimittelverpackungen, um das Bewusstsein der Betroffenen zu schärfen, obwohl dies schon lange unter anderem von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) gefordert wird, um das Unfallrisiko unter Medikamenteneinfluss zu senken [2, 12].

Tipps für Patienten zu Arzneimitteln und der Teilnahme am Straßenverkehr

  • Vor der Einnahme von Arzneimitteln fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker über mögliche Nebenwirkungen – sprechen Sie gezielt das Thema Fahrtauglichkeit an.
  • Nennen Sie alle Arzneimittel, die Sie einnehmen (auch pflanzliche Medikamente).
  • Lesen Sie aufmerksam den Beipackzettel.
  • Nehmen Sie die Arzneimittel wie verordnet ein, achten Sie auch auf die Einnahmezeitpunkte.
  • Auf Warnzeichen achten: Bei Müdigkeit, Schwindel, Benommenheit, Sehstörungen oder Unruhe – Finger weg vom Steuer!

(nach [3, 4, 5])

Vorsicht geboten

Zahlreiche Arzneistoffgruppen können die Fahrtauglichkeit negativ beeinflussen (s. Tabelle). Wenn mehrere solcher Arzneistoffe eingenommen werden, ist mit additiven Wirkungen zu rechnen. Auf mögliche Wechselwirkungen ist zu achten, die gleichzeitige Einnahme von Alkohol sollte vermieden werden. Wichtig ist auch, die Patienten darauf hinzuweisen, dass die Arzneimittel wie verordnet eingenommen werden sollten, eigenmächtiges Absetzen oder Dosisanpassungen sollten nur nach Rücksprache mit dem Arzt erfolgen (s. Kasten „Tipps für Patienten zu Arzneimitteln und Teilnahme am Straßenverkehr“) [3, 4, 8, 13, 14].

Tab.: Arzneimittel, die die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen können (modifiziert nach [13])
Arzneimittel- bzw. Wirkstoffgruppe
Risiko1
Antikonvulsiva
Carbamazepin, Gabapentin, Phenytoin, Valproinsäure etc.
mäßig bis hoch
Antihistaminika, sedierende
Chlorphenamin, Cyproheptadin, Promethazin, Doxylamin
mäßig bis hoch
Antihistaminika, weniger sedierende
Cetirizin, Desloratadin, Fexofenadin, Loratadin
gering
Antipsychotika
Haloperidol, Clozapin, Olanzapin, Amisulprid etc.
mäßig bis hoch
Benzodiazepine u. a. Hypnotika / Sedativa
Temazepam, Nitrazepam, Oxazepam, Alprazolam, Clonazepam, Diazepam, Zolpidem, Zopiclon etc.
mäßig bis hoch
Antidiabetika
gering bis mäßig
Muskelrelaxanzien
Baclofen, Dantrolen, Orphenadrin2
mäßig
Opiate
Codein, Buprenorphin, Methadon, Morphin, Oxycodon, Pethidin, Tramadol
mäßig bis hoch
SSRI, SNRI, MAO-Hemmer
Fluoxetin, Sertralin, Paroxetin, Citalopram, Venlafaxin, Moclobemid etc.
gering
tri- und tetracyclische Antidepressiva
Amitriptylin, Clomipramin, Doxepin, Imipramin, Mianserin, Mirtazapin etc.
mäßig bis hoch
Sympathikomimetika
Pseudoephedrin, Phenylephedrin in Nasensprays
gering bis mäßig
Augentropfen
mäßig bis hoch

1 Das Risiko ist in den ersten Tagen der Therapie am höchsten und bei Wirkstoffkombinationen wahrscheinlich noch höher einzuschätzen.

Benzodiazepine und Co. 
Egal ob Benzodiazepine, Z-Substanzen oder Antihistaminika – Schlafmittel sollten nur so kurz wie möglich in der geringsten wirksamen Dosis angewendet werden. Alle haben ein mäßig bis hohes Risiko, die Fahrtauglichkeit zu beeinträchtigen. Das Ausmaß ist unter anderem vom Einnahmezeitpunkt, der Dosis und der Halbwertszeit abhängig. Werden lang wirksame Substanzen eingenommen, kann die Fahrtauglichkeit noch bis in den nächsten Tag hinein beeinträchtigt sein. Daher sollten vorzugsweise kurz wirksame Substanzen wie z. B. Brotizolam eingesetzt werden. Wichtig ist ebenfalls die rechtzeitige Einnahme vor dem Schlafengehen: Es sollten mindestens acht bis zehn Stunden nach der Anwendung vergangen sein, bevor sich der Betroffene wieder ans Steuer setzt. Vorsicht ist auch bei älteren Patienten geboten, denn durch eine verzögerte Elimination kann die Wirkung länger anhalten [8, 13, 15].

Antiallergika: Die erste Generation meiden
Zur Linderung allergischer Symptome werden am häufigsten Antihistaminika eingesetzt. Vertreter der ersten Generation (z. B. Dimetinden) sollten jedoch nicht mehr verwendet werden, weil sie in der Lage sind, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren und somit sedierend wirken. Antihistaminika der zweiten (z. B. Loratadin) und dritten Generation (z. B. Des­loratadin) sind zu bevorzugen. Im Hinblick auf die Fahrtauglichkeit scheint aktueller Erkenntnisse zufolge die dritte Generation am wenigsten bedenklich zu sein [8, 13, 15, 16].

Opioid-Analgetika: Vorsicht bei Therapiebeginn
Vor allem die zentral wirksamen Opioid-Analgetika können zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit führen – besonders zu Behandlungsbeginn. Mit der Zeit entwickelt sich gegenüber der Sedierung eine Toleranz – bei stabiler Einstellung des Patienten ist das Unfallrisiko dann nicht mehr erhöht. Dennoch können in seltenen Fällen unter Opioid-Einnahme Sehstörungen auftreten, auch Nachtfahrten können durch die Miosis zu einem Problem werden. Die Patienten sind entsprechend darauf hinzuweisen – ein Opioid-Ausweis sollte mitgeführt werden. Aber nicht nur Opioid-Analgetika können die Fahrsicherheit beeinträchtigen – auch bei der Einnahme von Nicht-Opioid-Analgetika ist auf mögliche Symptome zu achten. So kann z. B. Ibuprofen in höherer Dosierung Schwindel und Müdigkeit auslösen und im Einzelfall die Reaktionsfähigkeit verändern. Auch unter der Einnahme von Metamizol kann eine symptomatische Hypotonie auftreten und zur vorübergehenden Fahr­untauglichkeit führen [8, 13, 17, 18, 19].

Antidepressiva: Geringeres Risiko unter selektiven Wirkstoffen
Antidepressiva haben ein unterschiedliches Potenzial, die Fahrtauglichkeit zu beeinträchtigen. Der Effekt ist am stärksten bei den sedierenden tri- und tetracyclischen Antidepressiva (z. B. Amitriptylin) ausgeprägt. Hingegen scheinen selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), selektive Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI) und selektive Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSNRI) die Fahrtauglichkeit weniger stark zu beeinträchtigen. Zu beachten ist außerdem, dass meist erst durch eine erfolgreiche Behandlung mit Antidepressiva die Fahrtauglichkeit wiederhergestellt wird [8, 13, 17].

Antihypertensiva: Einstellungsphase ist riskant
Während der initialen Einstellungsphase des Blutdruck­senkers oder bei Wechsel des Wirkstoffes kann es zu Beeinträchtigungen der Fahrtauglichkeit kommen. Gerade zu Beginn der Therapie kommt es häufig zu Blutdruck­schwankungen, die mit Schwindel, Benommenheit oder Ohnmachtsanfällen einhergehen können – hier ist Vorsicht beim Autofahren geboten [3, 4].

Achtung bei Augentropfen und -salben
Ophthalmika können für eine gewisse Zeit das Sehvermögen beeinträchtigen. Das Unfallrisiko kann durch verschwommenes Sehen, erhöhte Blendempfindlichkeit, trockene, juckende oder brennende Augen erhöht sein. Salben oder ölige Substanzen sollten am besten vor dem Schlafengehen angewendet werden. Auch nach augenärztlichen Untersuchungen mit pupillenerweiternden Wirkstoffen darf erst nach Abklingen der Symptome Auto gefahren werden [8, 13, 15].

Erkältungsmittel: Erst fit, dann müde
Besonders die nicht verschreibungspflichtigen Kombinationspräparate gegen Erkältungsbeschwerden enthalten eine Vielzahl verschiedener Arzneistoffe. Bei Einnahme fühlen sich die Patienten schnell fit und munter, doch sobald die Wirkung nachlässt, kommt es zu Müdigkeit und Abgeschlagenheit – ans Steuer sollte sich besser nicht gesetzt werden [15].

Fahrtauglich durch Arzneimittel

Des einen Fluch, des anderen Segen – für bestimmte Patientengruppen wird erst durch die dauerhafte Einnahme von Medikamenten die Fahrtauglichkeit wiederhergestellt. So können Diabetiker durch medikamentöse Einstellung wieder am Straßenverkehr teilnehmen. Voraussetzung ist eine stabile Stoffwechsellage. Nach einer Stoffwechseldekompensation oder einer Neueinstellung mit Insulin oder oralen Antidiabetika ist erst mal Abwarten angezeigt, bevor sich ans Steuer gesetzt wird. Neben der optimalen Einstellung sind auch regelmäßige Kontrollunter­suchungen erforderlich, um mögliche Folge- und Begleiterkrankungen (z. B. diabetische Retino­pathie, Neuropathien) rechtzeitig zu erkennen, die auch die Fahrtauglichkeit beeinflussen können.

Hilfreiche Informationen und Tipps zur Teilnahme am Straßenverkehr bei Diabetes liefert die aktuelle Patientenleitlinie „Diabetes und Straßenverkehr“ der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). So sollte zum Beispiel vor Fahrtantritt der Blutzuckerspiegel gemessen werden und schnell wirkende Kohlen­hydrate (z. B. Traubenzucker) stets griffbereit sein [4, 20, 21].

Wer darf nicht fahren?

Bei bestimmten Erkrankungen kann der behandelnde Arzt ein Fahrverbot anordnen. Hierzu zählen nach Anlage 4 der Fahrerlaubnis-Verordnung unter anderem Einschränkungen des Seh- und Hörvermögens, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krankheiten des Nervensystems, Bewegungseinschränkungen und psychische Störungen. In der Anlage wird aufgeführt, unter welchen Bedingungen bei diesen Erkrankungen eine Fahreignung vorliegt oder nur bedingt gegeben ist. Grundlage zur Beurteilung für den Arzt sind neben dieser Anlage auch die Begutachtungsleitlinien der Bundesanstalt für Straßenwesen. Als klassisches Beispiel sei die Epilepsie genannt. Bei Erstdiagnose wird zunächst ein Fahrverbot erteilt. Die Fahreignung kann jedoch bei guter medikamentöser Einstellung, wenn kein wesentliches Risiko von Anfallsrezidiven (z. B. ein Jahr anfallsfrei) mehr besteht, zurückerlangt werden [22, 23].

Besonderheit: Medizinisches Cannabis

  • Seit Anfang 2017 dürfen Cannabis-Blüten auf Rezept abgegeben werden.
  • Bei bestimmungsgemäßer Einnahme dürfen die Patienten am Straßenverkehr teilnehmen – hier gilt die Ausnahmeregelung nach § 24 a des Straßenverkehrsgesetzes (StVG).
  • Strafrechtliche Konsequenzen können drohen, wenn sich trotz Beeinträchtigungen der Fahrtauglichkeit ans Steuer gesetzt wird. Besonders in der Einstellungsphase ist Vorsicht geboten!
  • Missbräuchliche Einnahme kann zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen.
  • Keine gesetzliche Verpflichtung zur Mitführung eines Nachweises (z. B. Kopie des Betäubungsmittelrezeptes oder ärztliche Bescheinigung) – aber empfohlen.

(nach [4, 11])

MPU in besonderen Fällen

Die Beurteilung, ob im Einzelfall eine Fahreignung oder bedingte Eignung vorliegt, erfolgt in der Regel in Form eines ärztlichen Gutachtens (§ 11 Absatz 2 Satz 3 Fahrerlaubnis-Verordnung). Dabei kann das Gutachten nur von Fachärzten mit verkehrsmedizinischer Qualifikation, Ärzten des Gesundheitsamtes oder der öffentlichen Verwaltung, Ärzten mit der Gebietsbezeichnung „Arbeitsmedizin“ oder der Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“, Fachärzten für Rechtsmedizin oder Ärzten in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung ausgestellt werden. In besonderen Fällen kann auch ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) (§ 11 Absatz 3 FeV) oder ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen (§ 11 Absatz 4 FeV) angefordert werden. Dabei umfasst die MPU neben der ärztlichen Untersuchung ein psychologisches Gespräch, Leistungstest und Ausfüllen von speziellen Fragebögen [22, 24, 25].

Mit gutem Beispiel vorangehen

Verantwortungsbewusstes Verhalten ist das A und O im Straßenverkehr, um sich selbst und andere Teilnehmer nicht zu gefährden. Wer Arzneimittel einnimmt oder an bestimmten Erkrankungen leidet, sollte durch seinen behandelnden Arzt oder Apotheker ausreichend über mögliche Beeinträchtigungen der Fahrtauglichkeit informiert werden. Nur wer ausreichend aufgeklärt ist, kann entsprechend handeln. Neben der Beratung können auch freiwillige Tests zur Überprüfung der Fahrtauglichkeit empfohlen werden. Der Sitz am Steuer ist für viele zur Selbstverständlichkeit geworden. Wenn die Fahrtauglichkeit nicht mehr gewährleistet ist, kann das für die Betroffenen zu erheblichen Einschränkungen führen und mit einem deutlichen Verlust an Lebensqualität einhergehen. Umso wichtiger ist es, sensibel mit dem Thema umzugehen, die Betroffenen aktiv in das Gespräch einzubinden und mögliche Alternativen der Fortbewegung zu nennen [8, 20]. |
 

Literatur

 [1] Fahrtauglichkeit. DocCheck Flexikon, https://flexikon.doccheck.com/de/Fahrtauglichkeit

 [2] Kayser C. Das EU-Projekt DRUID aus regulatorischer Sicht. Workshop zur Umsetzung der Maßnahme 14, am 22. Oktober 2019 in Berlin, www.akdae.de/fileadmin/user_upload/akdae/AMTS/Aktionsplan/Aktionsplan-2016-2020/docs/M14-WS-DRUID-BfArM.pdf

 [3] Flyer Straßenverkehr „Erst Fragen, dann fahren! Informationen der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V., www.abda.de/fileadmin/user_upload/assets/Pressetermine/2013/Tag_der_Apotheke_2013/Pressemappe/Flyer_Strassenverkehr_final.pdf

 [4] Medikamente im Straßenverkehr – Fluch & Segen. Informationen des ADAC, Stand: 19. Mai 2023, www.adac.de/gesundheit/gesund-unterwegs/strasse/medikamente-strassenverkehr/

 [5] Bussick D. „Erst fragen, dann fahren!“ – Information und Beratung in der Apotheke. Stand: 22. Oktober 2019, www.akdae.de/fileadmin/user_upload/akdae/AMTS/Aktionsplan/Aktionsplan-2016-2020/docs/M14-WS-DRUID-ABDA.pdf

 [6] Medikamente im Straßenverkehr: Autofahren trotz Pillen? Bußgeldkatalog 2023, www.bussgeldkatalog.org/medikamente-im-strassenverkehr/

 [7] § 2 Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Gesetze im Internet, www.gesetze-im-internet.de/fev_2010/__2.html, Abruf: 26. Juni 2023

 [8] Arzneimittel und Fahrtüchtigkeit im Straßenverkehr. Arzneimittelbrief 2009;43(12):89, https://der-arzneimittelbrief.com/artikel/2009/arzneimittel-und-fahrtuechtigkeit-im-strassenverkehr

 [9] Umfrage zum Thema „Medikamente und Straßenverkehr“ 2013. Forsa, Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH, Stand: 13. Juni 2013, www.abda.de/fileadmin/user_upload/assets/Pressetermine/2013/Tag_der_Apotheke_2013/Pressemappe/Umfrage_Medikamente_und_Strassenverkehr_Bericht.pdf

[10] Tipps aus der Apotheke bei Arzneimitteln im Straßenverkehr – Schon leichte Schmerzmittel können die Fahrtauglichkeit beeinträchtigen. Landesapothekerverband Niedersachsen e. V., www.lav-nds.de/presse/tipps-aus-der-apotheke-bei-arzneimitteln-im-strassenverkehr/

[11] § 24 a Straßenverkehrsgesetz (StVG). Gesetze im Internet, www.gesetze-im-internet.de/stvg/__24a.html, Abruf: 5. Juli 2023

[12] Uhl D. Mindestens 3% der Verkehrsunfälle durch Medikamente. DAZ 2010;47:56

[13] Arzneimittel und Fahrtüchtigkeit im Straßenverkehr. Ars Medici 2010;10:280-284, www.rosenfluh.ch/media/arsmedici/2010/07/Arzneimittel_und_Fahrtuechtigkeit_im_Strassenverkehr.pdf, Abruf: 1. Juli 2023

[14] Medikamente am Steuer Unterschätze Gefahr. Informationen der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU), www.bfu.ch/de/ratgeber/medikamente-am-steuer

[15] OTC-Arzneimittel und Straßenverkehr. AMK/ABDA, www.abda.de/fileadmin/user_upload/assets/Arzneimittelkommission/Publikationen/OTC-Arzneimittel_und_Strassenverkehr_Handreichung.pdf

[16] Schlenger R. Ein starkes Quintett. DAZ 2023;14:46, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2023/daz-14-2023/ein-starkes-quintett

[17] Hetland A et al. Medications and impaired driving. Ann Pharmacother 2014; 48(4):494-506. doi: 10.1177/1060028014520882

[18] Fachinformation Ibuprofen. Stand Oktober 2022, www.fachinfo.de/pdf/003049, Abruf: 1. Juli 2023

[19] Fachinformation Metamizol. Stand Juli 2022, www.fachinfo.de/suche/fi/013816, letzter Zugriff 30.06.2023

[20] Huth O. Neues aus der Verkehrsmedizin. www.bayerisches-aerzteblatt.de/fileadmin/aerzteblatt/ausgaben/2012/07/einzelpdf/BAB_07_08_344_349.pdf, Abruf: 4. Juli 2023

[21] Patientenleitlinie Diabetes und Straßenverkehr. Stand: 6. November 2019, Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), www.ddg.info/fileadmin/user_upload/05_Behandlung/01_Leitlinien/PatientenLL_Diabetes_und_Strassenverkehr_2019_07_22oe-3.pdf

[22] Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung-FeV) Anlage 4 (zu den §§ 11, 13 und 14) Eignung und bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Gesetze im Internet, www.gesetze-im-internet.de/fev_2010/anlage_4.html, Abruf: 4. Juli 2023

[23] Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung. Bundesanstalt für Straßenwesen, Stand: 1. Juni 2022, https://bast.opus.hbz-nrw.de/opus45-bast/frontdoor/deliver/index/docId/2664/file/Begutachtungsleitlinien+2022.pdf

[24] § 11 Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Gesetze im Internet, www.gesetze-im-internet.de/fev_2010/__11.html, Abruf: 5. Juli 2023

[25] Ärztliche und psychologische Gutachten. Informationen der Dekra e. V., www.dekra.de/de/psychologische-aerztliche-gutachten/, Abruf: 5. Juli 2023

[26] § 24 a Straßenverkehrsgesetz (StVG). Gesetze im Internet, www.gesetze-im-internet.de/stvg/__24a.html, Abruf: 5. Juli 2023

Autorin

Apothekerin Dr. Martina Wegener, Pharmaziestudium an der Universität Bonn, Promotion an der Medizinischen Fakultät der Universität Halle (Saale), Tätigkeit in einer öffentlichen Apo­theke, Lehrtätigkeit an einer Kranken- und Altenpflegeschule, freie Autorin für die DAZ

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