Prisma

Wenn aus einem Ↄ ein C wird

Das Gedächtnis verzerrt Erinnerungen

Foto: Studio_East/AdobeStock

us | Je länger ein Ereignis zurückliegt, desto verzerrter wird die Er­innerung an Details. Das kann dazu führen, dass zwei Personen ein länger zurückliegendes Erlebnis sehr unterschiedlich erinnern. Doch auch das Kurzzeitgedächtnis ist offenbar weniger zuverlässig als man annehmen möchte. Sehen wir etwas, was nicht unseren Erwartungen und unserer Erfahrungswelt entspricht, neigt das Gehirn dazu, die Erinnerung so zu drehen, dass sie in unser Weltbild passt. Das beobachteten niederländische Psychologen an Probanden einer Kurzzeitgedächtnisstudie. Sie präsentierten den Teilnehmern für eine Viertelsekunde eine kurze Buchstabenserie. Unter den Buchstaben versteckten sich auch spiegelverkehrte Exemplare. Wenige Sekunden später wurden die Probanden aufgefordert, den Buch­staben an einer bestimmten Position wiederzugeben und auch anzugeben, wie sicher sie sich ihrer Antwort waren. Die Wissenschaftler stellten fest, dass viele Test­personen statt des Pseudobuchstabens die echte Variante auswählten. Ihr Gehirn machte also innerhalb von Sekunden ein Ↄ zu einem C, aber nur selten umgekehrt. Je mehr Zeit zwischen Anzeige der Buchstaben und Abfrage verging, desto öfter passte das Gehirn die Erinnerung an sein vermeintlich richtiges Weltwissen an und produzierte illusorische Erinnerungen. In welcher Phase des Kurzzeit­gedächtnisses illusorische Erinnerungen entstehen, ist aber nicht klar. Das ikonische Gedächtnis arbeitet innerhalb der ersten halben Sekunde und nimmt visuelle Ein­drücke auf, danach übernimmt für einige Sekunden das Arbeitsgedächtnis und das fragile Gedächtnis. Problematisch sind illusorische Erinnerungen, wenn es darum geht, Augenzeugenberichte nach einem Kriminalfall auszuwerten. |

Literatur

Otten M et al. Seeing Ↄ, remembering C: Illusions in short-term memory. PLoS One 2023;18(4):e0283257

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