Arzneimittel und Therapie

Neue Option gegen epileptische Anfälle

Ganaxolon verhindert Krampfanfälle bei Kindern

js | Ende Juli 2023 erteilte die Europäische Kommission die Zulassung für Ganaxolon (Ztalmy®). Es ist für Kinder das erste Arzneimittel gegen epileptische Anfälle im Zusammenhang mit der CDKL5-Mangelerkrankung (CDKL5, Cyclin-abhängige Kinase-like 5). In einer Zulassungsstudie konnte die Zahl der Anfälle der jungen Patientinnen und Patienten um 30,7% gesenkt werden.

Die Cyclin-abhängige Kinase-like 5 (CDKL5) spielt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Gehirns, deshalb führen Mutationen oder eine Deletion im CDKL5-Gen zu einer Veränderung der Neuroentwicklung. Das Syndrom des CDKL-5-Mangels zählt zu den seltenen Erkrankungen, weltweit betroffen sind zwischen 1 : 40.000 und 1 : 60.000 Kinder. Die Erkrankung wird über das X-Chromosom vererbt, Frauen sind zwölfmal häufiger betroffen als Männer. Kennzeichnend sind unter anderem schwere komplexe Krampfanfälle in den ersten sechs Lebensmonaten, sie umfassen epileptische Krämpfe sowie myoklonische, tonische und tonisch-klonische Anfälle. Die meisten Patienten sind nicht autonom, sie können nicht gehen und sich nicht selbstständig ernähren [3].

Modulation von GABAA-Rezeptoren

Ganaxolon (Ztalmy®, Marinus Pharmaceuticals) ist ein Orphan Drug und soll als orale Suspension auf den europäischen Markt kommen, aktuell ist das Arzneimittel in Deutschland noch nicht verfügbar. Indiziert ist Ganax­olon für die Zusatzbehandlung von epileptischen Anfällen im Zusammenhang mit der CDKL5-Mangelerkrankung bei Patienten im Alter von 2 bis 17 Jahren, laut der Fachinformation kann es bei Patienten ab 18 Jahren weiter angewendet werden [1, 2]. Der Wirkstoff Ganax­olon imitiert sogenannte Allopregnanolone im Körper, die GABAA-Rezeptoren positiv modulieren, wodurch die übermäßige elektrische Aktivität im Gehirn reduziert wird. Der genaue Wirkmechanismus im Zusammenhang mit den Krampfanfällen der CDKL5-Mangelerkrankung ist nicht bekannt. Eine Stimulation der inhibitorischen GABAA-­Rezeptoren geht neben der gewünschten antikonvulsiven Wirkung mit sedierenden Eigenschaften einher. Während der klinischen Phase wurde als häufigste Nebenwirkung Somnolenz (29,4%) neben Pyrexie (23,5%) gemeldet. Häufig traten Sedierung, Hypersomnie, Lethargie und die Hypersekretion von Speichel als un­erwünschte Arzneimittelwirkungen auf [1, 2].

Ganaxolon ist ein Methylanalogon des endogenen Neurosteroids Allopregnanolon. Es moduliert GABAA-Rezeptoren im ZNS.

Schrittweise auftitrieren

Ganaxolon sollte schrittweise auf­titriert werden, um die individuell benötigte und verträgliche Dosis zu erreichen (Tageshöchstdosis: Körpergewicht ≤ 28 kg: 63 mg/kg Körper­gewicht, > 28 kg: 1800 mg). Die Gesamttagesdosis sollte auf drei Gaben verteilt werden. CYP3A4-Induktoren wie Carbamazepin, Phenobarbital, Phenytoin und Primidon können die Ganaxolon-Exposition herabsetzen, deshalb ist die gleichzeitige Einnahme zu vermeiden. Wird Ganax­olon ab­gesetzt, sollte auch das schrittweise erfolgen, es sei denn die Sym­ptome erfordern ein sofortiges Beenden der Therapie. Tierstudien weisen darauf hin, dass abruptes Absetzen von Ganax­olon zu Entzugs­erscheinungen führen kann [1, 2].

Anfälle um 30,7% gesenkt

Die Wirksamkeit und Sicherheit von Ganaxolon wurde in einer doppelblinden, randomisierten, placebokontroll­ierten Studie nachgewiesen. 101 Patientinnen und Patienten im Alter von 2 bis 19 Jahren nahmen teil, deren Anfälle zuvor durch zwei gleichzeitig eingenommene Arzneimittel nicht ausreichend kontrolliert wurden. Die Mehrheit der Teilnehmer war weiblich (79,2%) und im Alter von zwei bis elf Jahren (82,2%). Die Hälfte der Patienten erhielt eine enterale, zusätzliche Ganaxolon-Therapie, die andere eine Placebo-Therapie. Um 30,7% (Interquartilsabstand [IQR] als Streuungsmaß: -49,5 bis -1,9%) konnte in der Ganax­olon-Gruppe die Anzahl schwerer motorischer Anfälle innerhalb von vier Wochen reduziert werden. In der Placebo-Gruppe nahmen die Anfälle um 6,9% ab (IQR: 24,1 bis 39,7%, p = 0,0036). In einer offenen Verlängerungsstudie wurden bei Patienten, die Ganax­olon über mindestens zwölf Monate einnahmen, schwere motorische Anfälle sogar um 49,6% reduziert [2, 4]. |
 

Literatur

[1] Fachinformation Ztalmy. Marinus Pharmaceuticals, www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/ztalmy-epar-product-information_de.pdf

[2] Marinus Pharmaceuticals Announces European Commission Approval of Ztalmy® (ganaxolone) for the Adjunctive Treatment of Epileptic Seizures Associated with CDKL5 Deficiency Disorder. Information der Marinus Pharmaceuticals, Inc vom 31. Juli 2023

[3] CDKL5-Mangel-Syndrom. Information des orphanet, Portal für seltene Erkrankungen, www.orpha.net/consor/www/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=DE&Expert=505652

[4] Knight EMP et al. Safety and efficacy of ganaxolone in patients with CDKL5 deficiency disorder: results from the double-blind phase of a randomised, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet 2022;21(5):417-427

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