Arzneimittel und Therapie

Statin schützt insbesondere HIV-Patienten

Kardiovaskuläres Risiko durch Pitavastatin deutlich reduziert

Das bei HIV-Patienten erhöhte kardiovaskuläre Risiko kann durch die Einnahme von Pitavastatin um rund 35% gesenkt werden. Dieses Ergebnis einer Zwischenauswertung führte zum vorzeitigen Abbruch einer Phase-III-Studie mit über 7000 Teilnehmern, deren Ergebnisse nun veröffentlicht wurden.
Foto: Towfiqu Barbhuiya/AdobeStock

Mit dem HI-Virus infizierte Menschen weisen im Vergleich zur Allgemein­bevölkerung ein bis zu zweifach erhöhtes Risiko für atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankungen auf. Die Ursachen hierfür sind im Einzelnen nicht bekannt, jedoch scheinen klassische Risikofaktoren wie erhöhte LDL-Cholesterol-Werte, eine latente Immunaktivierung sowie residuale Entzündungen eine Rolle zu spielen.

Eine kardiovaskuläre Protektion umfasst die Kontrolle von Blutdruck- und Blutzucker-Werten, der Plättchenfunktionen sowie der Lipid­parameter. Bei kardiovaskulären Risikopatienten empfehlen Leit­linien wie die der European AIDS Clinical Society (EACS) eine medikamen­töse Senkung der Lipidwerte, bevorzugt mit einem Statin. Für HIV-Pati­enten ohne erhöhte LDL-Cholesterol-­Werte bestehen derzeit keine Empfehlungen zur Primärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen. Dies könnte sich mit der Veröffentlichung der Ergebnisse der REPRIVE-Studie (Randomized Trial to Prevent Vascular Events in HIV) ändern. Die Autoren dieser Studie gingen der Frage nach, ob sich kardiovaskuläre Ereignisse bei HIV-Patienten mit niedrigem bis moderatem Risiko durch eine Primärprävention mit Pitavastatin (Livazo®) verhindern lassen. Der Wirkstoff wurde gewählt, da er nicht mit antiretroviralen Arznei­mitteln interagiert. An der multizentrischen prospektiven Phase-III-Studie nahmen 7769 HIV­-Patienten (darunter rund 31% Frauen) teil, die im Median 50 Jahre alt waren und ein geringes oder moderates kardiovaskuläres Risiko hatten (medianer LDL-Cholesterol-Wert = 108 mg/dl). Sie wurden zwei Gruppen zugeteilt und erhielten neben ihrer antiretroviralen Therapie einmal täglich 4 mg Pitava­statin oder ein Placebo. Die Dauer der Studie war für acht Jahre geplant. Der primäre Studienendpunkt war definiert als Auftreten eines schweren kardiovaskulären Ereignisses, darunter fallen Tod aufgrund eines kardiovaskulären Ereignisses, Myokard­infarkt, Schlaganfall, Hospitalisierung aufgrund instabiler Angina pectoris, transiente ischämische Attacke, periphere arterielle Ischämie, Revaskularisation und Tod unbestimmter Ursache. Die Studie wurde vorzeitig nach einem medianen Follow-up von 5,1 Jahren gestoppt.

Risiko um 35% gesenkt

Auf 1000 Personenjahre bezogen traten in der Pitavastatin-Gruppe 4,81 schwere kardiovaskuläre Ereignisse auf, in der Placebo-Gruppe waren es 7,32. Somit ergibt sich durch die Statin-Therapie eine Risikoreduktion um 35% (Hazard Ratio = 0,65; 95%-Konfidenzintervall = 0,48 bis 0,90; p = 0,002). Der Benefit von Pitava­statin war vor allem auf eine Abnahme kardialer Ischämien, Schlaganfälle und transitorischer ischämischer Attacken zurückzuführen.

Zu Studienbeginn war der LDL-Chole­sterol-Wert in beiden Gruppen ähnlich. Nach zwölf Monaten war der LDL-Cholesterol-Wert im Median in der Pitava­statin-Gruppe von 107 mg/dl auf 74 mg/dl gesunken und in der Placebogruppe von 106 mg/dl auf 105 mg/dl. Was unerwünschte Wirkungen anbelangt, so traten Muskelbeschwerden bei 2,3% der Teilnehmer unter Pitava­statin und bei 1,4% der Probanden in der Placebogruppe auf. Diabetes mellitus wurde bei 5,3% der Teilnehmer in der Verumgruppe diagnostiziert und bei 4,0% unter Placebo.

Auch Lebensstil optimieren

Den Studienautoren zufolge zeigen ihre Ergebnisse, dass die Empfehlung von Statinen für HIV-Patienten mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko auch auf Personen mit niedrigem bis moderatem Risiko ausgeweitet werden sollte. Dazu könnten vermutlich auch andere Statine eingesetzt werden, die nicht mit der antiretroviralen Medikation wechselwirken. Trotz medikamentöser Intervention sollte nach Ansicht der Wissenschaftler auch an weiteren Lebensstilfaktoren wie dem Rauchen gearbeitet werden. |

 

Literatur

Evaluating the Use of Pitavastatin to Reduce the Risk of Cardiovascular Disease in HIV-Infected Adults (REPRIEVE). Studienregister ClinicalTrials.gov, Register-Nr. NCT02344290

Grinspoon SK et al. Pitavastatin to Prevent Cardiovascular Disease in HIV Infection N Engl J Med 2023, doi: 10.1056/NEJMoa2304146

Daily Statin Reduces the Risk of Cardiovascular Disease in People Living with HIV, Large NIH Study Finds. Pressemitteilung des National Institute of Allergy and Infectious Diseases, 11. April 2023, www.niaid.nih.gov/news-events/daily-statin-reduces-risk-cardiovascular-disease-people-living-hiv-large-nih-study

EACS Guidelines. Leitlinie der European AIDS Clinical Society (EACS), Version 11.1, Stand: Oktober 2022, www.eacsociety.org/media/guidelines-11.1_final_09-10.pdf

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

Das könnte Sie auch interessieren

Statine sind wirksam und effektiv und werden doch zu wenig eingenommen

Ungenutzte Werkzeuge der Lipid-senkenden Therapie

Niedrigere Zielwerte in der neuen europäischen Lipid-Leitlinie

Mit dem LDL geht‘s bergab

Ein weiterer Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen

Unterschätztes Lipoprotein(a)

Daten bei akutem Koronarsyndrom sprechen für PCSK9-Hemmer

Weniger kardiovaskuläre Ereignisse auch unter Alirocumab

Ein Gastkommentar zu LDL-Cholesterol-Zielwerten

„Je niedriger – desto besser!“

Neue US-Leitlinie zur Statin-Therapie

Risiko- statt Zielwert-orientiert

Das kardiovaskuläre Risiko lässt sich durch neuen Cholesterol-Senker weiter reduzieren

Evolocumab übertrumpft Statin-Effekt

Bempedoinsäure bewährt sich in einer weiteren klinischen Studie

Hoffnungsträger in der Lipidsenkung

Patienten profitieren nach einem Schlaganfall von Zielwerten unter 70 mg/dl

Optimaler LDL-Wert gesucht

Hintergrundwissen zu dem außer Vertrieb genommenen Omega-3-Fettsäurepräparat

Vazkepa-Zulassungsstudie sät Zweifel

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.