Arzneimittel und Therapie

Semaglutid für schwache Herzen

„Schlankmacher“ verbessert Symptome einer Herzinsuffizienz

Semaglutid lässt die Pfunde purzeln und hat damit einen weltweiten Hype ausgelöst. Womöglich kann das Inkretinmimetikum aber noch mehr: Eine neue Studie zeigt, wie der Wirkstoff bei adipösen Patienten mit Herzinsuffizienz die Lebens­qualität erhöhte und verschiedene Parameter der Herzschwäche verbesserte.

Die Hälfte aller Herzinsuffizienz-­Patienten leidet an einer Herzinsuffi­zienz mit erhaltener linksventriku­lärer Ejektionsfraktion – dem HFpEF-Typ der Erkrankung. Das bedeutet, dass das Herz zwar eine normale Pumpfunktion aufweist, sich aber aufgrund eines versteiften linken Ventrikels nur ungenügend mit Blut füllt. Viele Patienten sind gleichzeitig übergewichtig bzw. adipös. Dass sich Adipositas und Herzinsuffizienz nicht nur parallel entwickeln, sondern die Fettleibigkeit der Herzinsuffizienz zugrunde liegt, dieser Verdacht erhärtete sich in den letzten Jahren [1]. Der Glucagon-like-Peptide(GLP)-1-Rezeptor­agonist Semaglutid, der zur Behandlung von Typ-2-Diabetes (Ozempic®) und seit Kurzem auch zur Gewichtskontrolle zugelassen ist (Wegovy®), führt zu deutlichen Gewichtsverlusten und könnte nach einer von Novo Nor­disk finanzierten Studie als neuartiger Ansatzpunkt gegen die Herzschwäche dienen [2]. Noch fehlt es an geeigneten Arzneimitteln gegen das Leiden.

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Wenn das Herz noch kraftvoll schlägt, sich die linke Herzkammer aber nicht mehr ausreichend füllt, spricht man von einer Herzinsuffizienz mit erhaltener linksventrikulärer Ejektionsfraktion.

Mehr Lebensqualität, weniger Gewicht

529 Patienten mit Herzinsuffizienz vom HFpEF-Typ (Alter im Median 69 Jahre, Body-Mass-Index > 30 kg/m2) nahmen an der einjährigen Studie teil und erhielten randomisiert entweder eine wöchentliche Gabe von 2,4 mg Sema­glutid oder Placebo. Nach einem Jahr mit Semaglutid fühlten sich die Teilnehmer deutlich besser. Mittels des Kansas-Cardiomyopathy-Frage­bogens wurden entsprechende Daten zur Herzinsuffizienz-bezogenen Lebensqualität erhoben und zu einem Score zusammengefasst (KCCQ-CSS). Unter Semaglutid verbesserte sich der Wert um 16,6 Punkte und damit um deutlich mehr als unter der Kontrolle, bei der sich der Score nur um 8,7 Punkte erhöhte (p < 0,001). Gleich­zeitig verloren die Probanden in der Verumgruppe erwartungsgemäß prozentual mehr Gewicht als die Kontrollen (-13,3% vs. -2,6%; p < 0,001). Im Sechs-Minuten-Gehtest war die zurückgelegte Distanz unter dem Wirkstoff um 21,5 m verlängert, während sie unter Placebo nur um 1,2 m zunahm (p < 0,001). Auch den Entzündungsparameter C-reaktives Protein (CRP) senkte Semaglutid deutlicher als Placebo (-43,5% vs. -7,3%, p < 0,001). In einer explorativen Analyse werteten die Forscher aus, wie viele Studienteilnehmer aufgrund einer akuten Herz­insuffizienz ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten: zwölf Probanden aus der Kontrollgruppe und nur einer aus der Semaglutid-Gruppe. Ein ähnlicher Zusammenhang offenbarte sich auch in den Analysen zur Sicherheit der Behandlung: Schwere unerwünschte Wirkungen traten signifikant häufiger in der Placebogruppe auf und gingen insbesondere auf das Konto von kardialen Ereignissen.

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Semaglutid in klinischen Studien

dab | Neben den beiden subkutan zu applizierenden Arzneimitteln Ozempic® und Wegovy® ist Semaglutid auch in Tablettenform (Rybelsus®, Indikation: Typ-2-Diabetes, Stärken: 3 mg, 7 mg, 14 mg) in der EU zugelassen, aber in Deutschland bislang nicht erhältlich. Geforscht wird mit dem Wirkstoff sowohl in der subkutan als auch oral zu applizierenden Form.

Mit neuer oraler Formulierung gegen Typ-2-Diabetes und Adipositas

Ende Juli 2023 wurden zwei randomisierte Phase-III-Studien veröffentlicht, in denen orales Semaglutid in höher dosierter, neuer Formulierung untersucht wurde. In einer der Studien wurde die neue Formulierung (Stärke: 25 mg und 50 mg) mit der bisherigen (Stärke: 14 mg) verglichen. Insgesamt 1606 Typ-2-Diabetiker erhielten dabei einmal täglich entweder 14 mg (n = 536), 25 mg (n = 535) oder 50 mg (n = 535) Semaglutid. Zu Studienbeginn lag der mittlere HbA1c-Wert bei 9,0%. Nach 52 Wochen sank dieser Wert im Mittel um 1,5% in der 14-mg-Gruppe, um 1,8% in der 25-mg-Gruppe und um 2,0% in der 50-mg-Gruppe. Gastrointestinale Nebenwirkungen waren bei den Teilnehmern, die 25 mg oder 50 mg Semaglutid erhielten, häufiger als in der 14-mg-Gruppe [4]. In einer weiteren Untersuchung erhielten 667 übergewichtige bzw. adipöse Personen einmal täglich entweder 50 mg Semaglutid (n = 334) oder Placebo (n = 333). In beiden Gruppen verloren die Probanden nach 68 Wochen an Gewicht – in der Verumgruppe war es um 15,1% im Vergleich zu 2,4% unter Placebo gesunken. Gastrointestinale Nebenwirkungen waren in der Semaglutid-Gruppe häufiger als in der Kontrollgruppe [5].

Semaglutid subkutan gegen Typ-1-Diabetes

In einer US-amerikanischen Fallserie wurden zehn Personen mit Semaglutid subkutan behandelt, bei denen innerhalb der letzten drei Monate Typ-1-­Diabetes neu diagnostiziert worden war. Daneben erhielten alle Patienten ein Basal- und Bolus-Insulin. Die Therapie begann mit 0,125 mg Semaglutid wöchentlich und wurde auf maximal 0,5 mg wöchentlich gesteigert. Dabei konnte die Dosierung des Bolus-Insulins verringert werden, und innerhalb von drei Monaten wurde es von keinem der Probanden mehr benötigt. Sieben Patienten konnten innerhalb von sechs Monaten auch das Basal-Insulin absetzen. Diese ersten Beobachtungen sollten durch prospektive, randomisierte Studien weiter untersucht werden [6].

Semaglutid subkutan zur Verringerung kardiovaskulärer Ereignisse

Novo Nordisk gab Anfang August vor­läufige Ergebnisse der doppelblinden SELECT-Studie bekannt. Darin eingeschlossen wurden über 17.000 übergewichtige bzw. adipöse Personen ab einem Alter von 45 Jahren mit einer kardiovaskulären Erkrankung, aber ohne Diabetes. Verglichen wurde eine wöchentliche Gabe von 2,4 mg Semaglutid subkutan versus Placebo jeweils be­gleitend zu einer Standardprävention schwerwiegender kardiovaskulärer Ereignisse (MACE, major adverse cardiovascular events). Die Teilnehmer wurden für bis zu fünf Jahre nachbeobachtet. Der primäre Endpunkt war das erste Auftreten eines MACE-Ereignisses, entweder kardiovaskulärer Tod sowie nicht-töd­licher Myokardinfarkt oder Schlaganfall. Im Vergleich zu Placebo wurden unter Semaglutid schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse statistisch signifikant um 20% reduziert. Das Pharmaunternehmen plant bereits, eine Indikationserweiterung für Wegovy® in den USA und in der EU zu beantragen. Die vollständigen Studienergebnisse sollen noch dieses Jahr auf einem Kongress vorgestellt werden [7].

Ausstehende Langzeitdaten

Prof. Dr. Stefan Störk, Leiter des Departments Klinische Forschung und Epidemiologie am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz in Würzburg, und Prof. Dr. Andreas Zeiher, Kardiologie-Professor an der Goethe-Universität in Frankfurt, beurteilten die Ergebnisse grundsätzlich positiv [3]. Auch wenn beide betonen, dass die Auswirkungen auf harte Endpunkte noch fehlen, zeigen die derzeitigen Daten in die richtige Richtung. „Es ist bekannt, dass die […] Veränderungen in den Zielpara­metern verlässliche Indikatoren einer besseren Prognose sind“, so Störk. „Ob sich das langfristig auch auf das Auftreten harter kardiovaskulärer Endpunkte auswirkt, bleibt abzuwarten“, führt Zeiher aus. Fragezeichen bleiben auch noch dahingehend, ob die Wirkung nur auf die Gewichtsabnahme zurückzuführen ist, oder ob auch direkte Effekte auf das Herz ausgeübt werden. Störk erwartet in dieser Frage in der nächsten Zeit neue Ergebnisse, da bei Semaglutid gerade eine starke Umfeldforschung stattfindet (s. Kasten „Semaglutid in klinischen Studien“). |

Literatur

[1] Borlaug BA et al. Obesity and heart failure with preserved ejection fraction: new insights and pathophysiological targets. Cardiovasc Res 2023;118:3434-3450, doi: 10.1093/cvr/cvac120

[2] Kosiborod MN et al. Semaglutide in Patients with Heart Failure with Preserved Ejection Fraction and Obesity. N Engl J Med 2023, doi: 10.1056/NEJMoa2306963

[3] Abnehmmedikament Semaglutid hilft gegen Herzleiden. Meldung des Science Media Centers vom 25. August 2023

[4] Aroda VR et al. Efficacy and safety of once-daily oral semaglutide 25 mg and 50 mg compared with 14 mg in adults with type 2 diabetes (PIONEER PLUS): a multicentre, randomised, phase 3b trial. Lancet 2023;402(10403):693-704, doi: 10.1016/S0140-6736(23)01127-3

[5] Knop FK et al. Oral semaglutide 50 mg taken once per day in adults with overweight or obesity (OASIS 1): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet 2023;402(10403):705-719, doi: 10.1016/S0140-6736(23)01185-6

[6] Dandona P, Chaudhuri A, Ghanim H. Semaglutide in Early Type 1 Diabetes. N Engl J Med 2023;389:958-959, doi: 10.1056/NEJMc2302677

[7] Semaglutide 2.4 mg reduces the risk of major adverse cardiovascular events by 20% in adults with overweight or obesity in the SELECT trial. Pressemeldung von Novo Nordisk, 8. August 2023

Apotheker Dr. Tony Daubitz

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