Arzneimittel und Therapie

Hormonfreies Intervall infrage gestellt

Dauereinnahme von kombinierten oralen Kontrazeptiva besser für die psychische Gesundheit

Eine monatliche Einnahmepause führt bei Anwenderinnen von kombinierten oralen Kontrazeptiva zu einer Abbruchblutung, die den natürlichen Menstruationszyklus der Frau imitieren soll. Dass sich dieses kurzzeitige, hormonfreie Intervall negativ auf die mentale Gesundheit der Anwenderinnen auswirken kann, genauso wie die natürliche Menstruation, zeigen die Ergebnisse einer aktuellen österreichischen Studie.

Bekannterweise können endogene Veränderungen, welche zu einem Hormonentzug führen, wie zum Beispiel postpartale, menopausale oder prämenstruelle Vorgänge im weiblichen Körper, zu psychischen Problemen führen. Ebenso können therapeutisch induzierte Hormonveränderungen einen Effekt auf die Stimmung ausüben. Bei der konventionellen Einnahme eines kombinierten oralen Kontrazeptivums (KOK) wird nach 21 Tagen ein hormonfreies Intervall, eine sogenannte Pillenpause, von sieben Tagen eingelegt. Welche Auswirkungen der kurzzeitige Hormonentzug auf die Stimmung und die emotionale Wahrnehmung von Anwenderinnen dieser Verhütungsmittel hat, untersuchte ein Forscherteam der Universität Salzburg. In die Fall-Kontroll-Studie wurden 181 Frauen zwischen 18 und 35 Jahren eingeschlossen. In der Analyse wurden der Gestagen-Typ und die Ethinyl­estradiol-Dosierung von kombinierten oralen Kontrazeptiva berücksichtigt. Kontrazeptiva mit androgenen Effekten (Levonorgestrel, Desogestrel, Gestoden, Etonogestrel oder Norel­gestromin) wurden von solchen mit antiandrogener Wirkung (Dienogest, Drospirenon, Chlormadinon, Cyproteronacetat und Nomegestrol) unterschieden. Verglichen wurden drei Gruppen: 61 Frauen, die ein KOK mit androgenen Effekten einnahmen, 59 Frauen, die ein antiandrogenes KOK erhielten, und 60 Frauen mit einem regelmäßigen Menstruationszyklus, die kein orales Kontrazeptivum anwendeten. Die Probandinnen in den KOK-Gruppen nahmen ihr Hormonpräparat seit mindestens sechs Monaten ein. Um ihren psychischen Gesundheitszustand zu evaluieren, wurden die Teilnehmerinnen zweimal im Monat anhand von Fragebögen zur Stimmung, Tests für kognitive Fähigkeiten und Aufgaben zur Erkennung von Emotionen untersucht. Ein Termin fand während der KOK-Einnahme- oder Lutealphase statt, der andere während des hormonfreien Intervalls oder der Mens­truation. Bei jeder Sitzung wurden negativer Affekt, Angstzustände und psychische Verfassung bewertet. Die prozentuale Verschlechterung der Psyche wurde von der Einnahmephase zur „Pillenpause“ verglichen, um diese Veränderungen mit den Stimmungsschwankungen während des Menstruationszyk­lus der Kontrollgruppe zu vergleichen.

Foto: Noey smiley/AdobeStock

„Pille“ ohne Pause? Aus Sicht der mentalen Gesundheit könnte das für die Anwenderinnen von Vorteil sein.

Signifikante Verschlechterung der Stimmung

Die Anwenderinnen der kombinierten oralen Kontrazeptiva zeigten im Vergleich zur aktiven Einnahmephase im hormonfreien Intervall einen Anstieg des negativen Affekts um 12,7%, von Angst um 7,4% und psychischer Symptome um 23,6%. Der Gestagen-Typ sowie die Ethinylestradiol-Dosierung hatten keinen relevanten Effekt auf die Ergebnisse. Die Werte der Frauen mit kombinierten oralen Kon­trazeptiva waren vergleichbar mit den Stimmungsschwankungen der Frauen aus der Kontrollgruppe mit einem natürlichen Menstruations­zyklus. Bei KOK-Anwenderinnen, die bereits zu Beginn der Studie mit schlechterer Stimmung zu kämpfen hatten, stieg der Wert des negativen Affekts besonders stark im hormonfreien Intervall an, und zwar um 18%.

Einnahmepause überdenken

Die vorliegenden Ergebnisse zeigen eine signifikante Verschlechterung der psychischen Gesundheit sowie eine Zunahme negativer Affekte und von Angst bei Anwenderinnen von KOK während des hormonfreien Intervalls. Langzeit-Anwenderinnen könnten durch Dauereinnahme eines kombinierten oralen Kontrazeptivums ohne Pause von einer Stimmungs­stabilisierung profitieren. Hierfür sind weitere Studien notwendig, da in der vorliegende Studie nur Langzeit­-Anwenderinnen (> sechs Monate) eingeschlossen wurden, die ihr Präparat bereits gut vertragen. Anwenderinnen, die bereits zu Einnahmebeginn psychische Probleme entwickeln, werden in der Studie nicht berücksichtigt. |

Literatur

Noachtar IA, Frokjaer VG, Pletzer B. Mental Health Symptoms in Oral Contraceptive Users During Short-Term Hormone Withdrawal. JAMA Network Open 2023;6(9):e2335957, doi:10.1001/jamanetworkopen.2023.35957

Apothekerin Sophie Schrade

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