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Honorardebatte

Die Honorarfrage: sein oder nicht sein

Analyse zur Anpassung der Apothekenhonorierung: Warum? Wie viel? Über welchen Weg?

Die Unterfinanzierung ist das zentrale Problem der Apotheken. Mehr Geld ist entscheidend für den Fortbestand des Systems. Berechnungen anhand der Preisentwicklung und zur Verwendung zusätzlicher Mittel führen übereinstimmend zu einem vorläufigen Finanzbedarf von etwa 2,8 Milliarden Euro pro Jahr. Diese Analyse verknüpft die Hintergründe und Konsequenzen zu einer Synopse, die als Argumentationshilfe dienen soll. | Von Thomas Müller-Bohn 

Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat einige Pläne für die Apotheken recht konkret benannt, spätere Maßnahmen zum Honorar aber nur angedeutet. Die Aufmerksamkeit hat sich daher auf den ersten Teil gerichtet – auch in zwei Analysen in der DAZ (siehe DAZ 2023, Nr. 44 und 45). Den Apotheken drohen daraus große neue Gefahren, aber dies lenkt vom Hauptproblem ab – der Unterfinanzierung. Dagegen kann nur mehr Geld helfen. Die Ursache für das Problem wurde schon vielfach ausgeführt. Eine Honorierung, die zum weitaus größten Teil auf einem festen Betrag beruht, muss an steigende Kosten angepasst werden. Das Kombimodell wurde 2004 ausdrücklich eingeführt, damit Apotheken an absehbaren Preiserhöhungen von Arzneimitteln nicht zu sehr mitverdienen. Dem Festbetrag fehlt das immanente Wachstum. Darum muss er regelmäßig angepasst werden. Der Gesetzgeber schreibt in § 78 Abs. 2 AMG vor: „Die Preise und Preisspannen müssen den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher, der Apotheken und des Großhandels Rechnung tragen“. Dazu bietet er in § 78 Abs. 1 Satz 2 AMG eine vereinfachte Anpassungsmöglichkeit, aber keine verbindliche Systematik. Die ungelöste Methodenfrage ändert aber nichts an der obigen zwingenden Vorgabe.

Stabilisierende Faktoren fallen weg

Die Folgen der fehlenden Anpassung lassen sich verzögert an der sinkenden Zahl der Apotheken ablesen. Diese erreichte 2008 mit 21.602 ihr Maximum (höchster Jahresendwert) und ging bis Ende Juni 2023 auf 17.830 zurück, also bis dahin um 17,5 Prozent. Das System ist in 20 Jahren ohne angemessene Anpassung allerdings nicht zusammengebrochen. Denn viele Inhaber betreiben Selbstausbeutung, insbesondere wenn sie durch Mietverträge gebunden sind oder für sich keine berufliche Alternative (mehr) sehen. Außerdem verdienen die Angestellten in Apotheken inzwischen deutlich weniger als in den meisten vergleichbaren Berufen. Gehaltsvergleiche dürften geeignet sein, um politischen Gesprächspartnern die Dimension des Problems zu verdeutlichen. Weitere Gründe für das Fortbestehen des Systems waren lange die Null-Zinsen und die stabilen Preise. Doch beides ist inzwischen weggefallen.

Apotheken an der Kapazitätsgrenze

Die Rückkehr von Zinsen und Inflation fällt zeitlich mit der verstärkten Wirkung des demografischen Effektes zusammen. Geburtenstarke Jahrgänge gehen in Rente, und die nachrückenden kleineren Jahrgänge haben so viele Möglichkeiten, dass sie bevorzugt besser bezahlte Berufe wählen. Ein drittes Problem ergibt sich jetzt aus der großen Zahl der bereits geschlossenen Apotheken. Zunächst konnten die verbleibenden Apotheken auch die Kunden geschlossener Nachbarapotheken versorgen und haben dabei sogar von der Fixkostendegression profitiert, das heißt die fixen Kosten verteilen sich auf mehr Kunden. Da die persönliche Beratung den größten Kostenfaktor in Apotheken bildet, darf dieser Effekt nicht überschätzt werden, aber er existiert. Doch kein System kann ohne Erweiterungsmaßnahmen beliebig viel mehr Nachfrage bewältigen. Inzwischen haben viele Apotheken ihre Kapazitätsgrenze erreicht. Die vermeintlich fixen Kosten erweisen sich als sprungfixe Kosten. Nun müssen die Betriebe erweitert werden, wodurch die Kosten steigen (siehe DAZ 2023, Nr. 5).

Nicht erbrachte Dienstleistungen als ökonomischer Indikator

Inflation, demografischer Wandel und das Erreichen der Kapazitätsgrenze sind drei Gründe, weshalb der Anpassungsbedarf gerade jetzt dramatisch zunimmt. Neben diesen theoretischen Begründungen lässt sich auch empirisch feststellen, dass das Apothekensystem bei der bestehenden Honorierung an seiner Leistungsgrenze angekommen ist. Das geringe Angebot an neuen pharmazeutischen Dienstleistungen macht dies deutlich. Bei der Medikationsanalyse ist der tatsächliche Zeitaufwand wohl oft größer als kalkuliert, aber die anderen Dienstleistungen dürften in der angenommenen Zeit zu erbringen sein. Die Schiedsstelle hat in ihrer so genannten Vollkostenrechnung allerdings Personalkosten angesetzt, die eher für eine großzügige Teilkostenrechnung passen würden (siehe DAZ 2022, Nr. 24). Nun verhalten sich die Apotheker offenbar wie in einem betriebswirtschaftlichen Lehrbuchbeispiel. Eine Leistung, die nur Teilkosten deckt, wird nur erbracht, wenn das ohnehin bezahlte Personal freie Kapazitäten hat. Doch das gibt es nur in den wenigsten Apotheken.

Das Apothekensystem kann also für das gezahlte Honorar nicht mehr leisten – und doch wird der Anpassungsbedarf noch immer bestritten. Manchmal mag das daran liegen, dass die Politik Sachverhalte ignoriert, zu denen es keine offiziellen Daten gibt. Doch vielfach wird versucht, Argumente gegen das Offensichtliche zu finden. Diese sollen hier widerlegt werden.

Viel mehr Geld für künftige Mitarbeiter nötig

Es geht hier vor allem um die Zukunft. Mangels Geld haben viele Apotheken Investitionen in eine zukunftsfähige Ausstattung unterlassen. Künftig ist der größte Engpass beim Personal zu erwarten. Die Apotheken müssen mit anderen Arbeitgebern konkurrieren. Nicht die Betriebsergebnisse der Vergangenheit, sondern die Gehälter der Zukunft sind das entscheidende Maß. Angesichts des Fachkräftemangels und der Inflation können künftige Gehälter nicht aus bisherigen Daten fortgeschrieben werden. Es geht hier auch nicht um genaue Zahlen, sondern um die grundlegenden Relationen. Für 2022 weist der Apothekenwirtschaftsbericht Personalkosten in Höhe von 10,3 Prozent vom Umsatz aus. Bei 30 Prozent höheren Gehältern wären es 3,1 Prozentpunkte vom Umsatz mehr. Dementsprechend würde das Betriebsergebnis von 5,1 Prozent auf 2 Prozent vom Umsatz sinken. In absoluten Zahlen des Jahres 2022 wären das in einer Durchschnittsapotheke statt 163.000 Euro noch 64.000 Euro und damit weniger als das Gehalt eines Krankenhausapothekers. Dann gäbe es keinen wirtschaftlichen Anreiz zum Betreiben einer Durchschnittsapotheke mehr, für kleinere Apotheken erst recht nicht. Dabei sind 30 Prozent mehr Personalkosten durchaus realistisch. Die ABDA hat bereits für das erste Halbjahr 2023 über 6,6 Prozent mehr Personalkosten im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 berichtet. Die Adexa fordert 10 Prozent mehr Gehalt. Das Einstiegsgehalt betrug 2022 für Krankenhausapotheker 4543 Euro pro Monat im Vergleich zu 3782 Euro in öffentlichen Apotheken (siehe apobank, Karrierekompass) und damit im Krankenhaus 20 Prozent mehr, und es steigt im Krankenhaus langfristig höher. Dies alles betrifft nur das derzeitige Personal. Es ist aber neues Personal nötig, um den Generationenwechsel zu vollziehen. Das erfordert langfristig sicherlich noch viel höhere Gehälter. Dies ist ein Systemproblem und betrifft alle Apotheken. Die oben genannten 3,1 Prozent vom Nettoumsatz als zusätzlicher Finanzbedarf wären in absoluten Zahlen von 2022 etwa 100.000 Euro mehr pro Durchschnittsapotheke, also jährlich etwa 1,8 Milliarden Euro für das Apothekensystem allein als Einstieg in eine zukunftsfeste Honorierung des Personals.

Gleiche Ergebnisse aus verschiedenen Quellen

Obwohl es um die Zukunft geht, dreht sich die Debatte überwiegend um betriebswirtschaftliche Daten der Vergangenheit. Lauterbach erklärte beim Deutschen Apothekertag, er gehe gemäß Destatis-Zahlen von einem jährlichen Betriebsergebnis der Apotheken von 166.000 Euro aus, vermutlich für 2022. Lauterbach betonte, dass er Destatis-Zahlen verwenden müsse und warf damit die Frage nach aussagekräftigen Daten auf. Alle Datenquellen haben Stärken und Schwächen. Die Destatis-Zahlen sind zwar umfassend, aber es bleibt fraglich, ob Apotheken mit mehreren steuerpflichtigen Selbstständigen (OHG-Apotheken und verpachtete Apotheken mit Pächter und Verpächter) richtig zugeordnet werden. Die ABDA-Daten von der Treuhand Hannover werden dagegen aus einem Teil der Apotheken hochgerechnet. Für 2022 ergeben sie ein durchschnittliches Betriebsergebnis von 163.000 Euro. Der Unterschied von etwa 2 Prozent ist angesichts der verschiedenen Ermittlungswege bemerkenswert gering. Somit besteht hier kein Anlass sich zu streiten. Die Frage ist vielmehr, wie dieses Betriebsergebnis zu bewerten ist. Lauterbach beschrieb den Betrag als angemessen und deutete damit wohl an, mehr Geld im System wäre nicht nötig.

Viel mehr Geld für Zukunftsinvestitionen nötig

Doch das Betriebsergebnis muss differenziert betrachtet werden. Bei der Rechtsform eines Einzelunternehmens schließt es die Entlohnung für die Arbeit des Apothekenleiters, also das kalkulatorische „Geschäftsführergehalt“, das Ergebnis aus der Verwendung des Kapitals und ein Honorar für das Risiko ein. Dabei sind die Betriebsgrößen und die wirtschaftlichen Risiken von Apotheken zu bedenken. Die Apothekeninhaber müssen daraus ihren Lebensunterhalt und ihre Altersversorgung bestreiten und Steuern zahlen. Zunächst müssen sie außerdem Geschäftsgründungsdarlehen in meist großer sechsstelliger Höhe tilgen und später Investitionen finanzieren. Der Beitrag zur persönlichen Verfügung muss auch bei kleinen Apotheken ausreichen. Außerdem ist zu bedenken, dass die ausgewiesenen Betriebsergebnisse nur etwa zur Hälfte aus der GKV-Versorgung stammen und nur dieser Teil für die Solidargemeinschaft relevant ist. Die Betriebsergebnisse würden wohl für den Lebensunterhalt ausreichen, aber nicht für Tilgungen und Investitionen in die Zukunft des Apothekensystems. Ähnlich wie beim Personal wird das System also auf Verschleiß gefahren, aber das ist nicht nachhaltig. Als grobe Orientierung für einen ersten Schritt in Richtung nachhaltige Finanzierung könnte ein Betriebsergebnis angepeilt werden, wie es 2021 in der Pandemie erzielt wurde. Bei einem solchen Betriebsergebnis von 6,9 statt 5,1 Prozent vom Nettoumsatz wären das zusätzliche 1,8 Prozentpunkte und damit ausgehend von den Daten von 2022 etwa 58.000 Euro mehr pro Durchschnittsapotheke, also jährlich etwa 1 Milliarde Euro für das Apothekensystem. Mit 1,8 Milliarden für das Personal ergibt das einen vorläufigen Finanzbedarf von jährlich 2,8 Milliarden Euro. Dies wäre allerdings nur ein Anfang. Steigende Kosten und der demografische Wandel erfordern künftig zuverlässige und regelmäßige Anpassungen.

Übereinstimmende Ergebnisse zum Anpassungsbedarf

Die Höhe der Beträge darf nicht überraschen, weil sie sich aus 20 Jahren mit unzureichenden Anpassungen ergeben. Es geht hier um die Versäumnisse von zwei Jahrzehnten und nicht nur um eine Anpassung für das vorige Jahr. Der obige Finanzbedarf stimmt grob mit der aktuellen Forderung der ABDA überein, den Rx-Festzuschlag von 8,35 auf 12 Euro zu erhöhen. Dies würde abhängig von der Packungszahl jährlich etwa 2,7 Milliarden Euro einbringen. Die Belastung würde sich auf GKV, PKV und Selbstzahler verteilen, die zusätzlich die Mehrwertsteuer aufbringen müssten. Die ABDA hat ihre Forderung allerdings auf einem ganz anderen Weg über die Anpassung des Rx-Festzuschlags anhand des Verbraucherpreisindex seit 2012 (Berechnungsjahr der vorigen Anpassung) ermittelt. Es erscheint bemerkenswert, dass die hier vorgestellte Überschlagsrechnung praktisch zum gleichen Ergebnis kommt. Während sich die ABDA an der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung orientiert, wird hier plausibel, wofür die Apotheken das Geld brauchen.

6000 Apotheken von Schließung bedroht

Beim Deutschen Apothekertag hat Claudia Korf, ABDA-Geschäftsführerin Ökonomie, entgegen früheren Gewohnheiten Angaben zur Verteilung der Betriebsergebnisse gemacht. Kritiker entgegnen, die Politik würde sich nicht für die schwächsten Apotheken, sondern nur für repräsentative Aussagen interessieren. Doch um künftige Apothekenschließungen vorherzusagen, müssen die schwachen Betriebe betrachtet werden. Die Unterfinanzierung höhlt das System aus und wirft die Frage auf, wie viele Apotheken schon ihre wirtschaftliche Basis verloren haben. Dies ist nicht auf den ersten Blick erkennbar, weil Apotheken erfahrungsgemäß langsam sterben. Die diesbezügliche Betrachtung der ABDA war daher überfällig, um eine aussagekräftige Prognose ableiten zu können. Eine Fortschreibung der bisherigen Schließungszahlen wäre ökonomisch naiv und taugt dafür nicht, wie die nun immer stärkere Zunahme der Schließungszahlen zeigt.

Gemäß ABDA-Daten erzielten im ersten Halbjahr 2023 bereits 11 Prozent der Apotheken Verluste. Es ist zu erwarten, dass diese Apotheken schließen, sobald ihre vertraglichen Bindungen auslaufen. Für weitere 25 Prozent der Apotheken nennt die ABDA ein Betriebsergebnis von höchstens 75.000 Euro, die dem Gehalt eines angestellten Krankenhausapothekers entsprechen. Sie sind daher unwirtschaftlich und werden voraussichtlich bei passender Gelegenheit geschlossen oder allenfalls noch einige Jahre betrieben, wenn der Ruhestand des Inhabers absehbar ist. Insgesamt besteht damit auf Sicht weniger Jahre ein Schließungspotenzial von über 6000 Apotheken. Dies wurde beim Deutschen Apothekertag so nicht ausgesprochen, ist aber die logische Folge aus den Zahlen.

Da die meisten Apotheken wohl an der Kapazitätsgrenze arbeiten (siehe oben), wird es nur noch selten eine „Friedhofsdividende“ aus der Umverteilung geben, sondern eher neue Belastungen. Honorarerhöhungen können daher nicht mehr mit dem Verweis auf einen angeblichen Strukturwandel verweigert werden. Vielmehr lassen die obigen Zahlen bald so viel mehr Schließungen erwarten, dass dies nicht mehr zu kontrollieren und durch die verbleibenden Apotheken nicht mehr aufzufangen ist. Während große Apotheken zusätzliches Geld für Zukunftsinvestitionen brauchen, würde es vielen Apotheken im unteren Ertragsdrittel vorläufig die Existenz sichern. Dies wäre keine dauerhafte Zukunftssicherung für alle diese Apotheken, würde aber einen geordneten Strukturwandel parallel zu den erwartbaren demografischen Verschiebungen der Gesellschaft ermöglichen.

Nur 270 Millionen Euro Zusatzhonorare seit 2014

Als Argument gegen Honorarerhöhungen wird angeführt, dass nach der vorigen Erhöhung des Rx-Festzuschlags andere Honorarkomponenten erhöht wurden. Doch diese zusätzlichen Beträge sind im Vergleich zum obigen Finanzbedarf gering. Die Erhöhung des Rx-Festzuschlags um 25 Cent zum Januar 2013 war damals ein Honoraranstieg um 3 Prozent nach 10 Jahren. Sie schlägt jetzt mit knapp 190 Millionen Euro jährlich zu Buche, die formell als Ausgleich für die Zeit vom Basisjahr 2002 bis 2012 gelten. Der im Sommer 2013 eingeführte Nacht- und Notdienstfonds schüttete 2022 etwa 157 Millionen Euro aus, von denen 120 Millionen Euro ein Ergebnis der politischen Entwicklung von 2013 sind, also ein „Nachschlag“ für die Mini-Anpassung vom Januar 2013. Nur 37 Millionen Euro ergeben sich aus der späteren Erhöhung. Die Erhöhung des Rezepturhonorars (Herstellerzuschläge für Grundmengen jeweils plus 1 Euro und Ausdehnung des Rx-Festzuschlags auf Rx-Rezepturen) im Jahr 2017 betrifft etwa 12 Millionen Rezepturen pro Jahr (ohne Spezialrezepturen, die nur in wenigen Hundert Apotheken hergestellt werden) und ergibt unter Berücksichtigung des Kassenabschlags jährlich etwa 100 Millionen Euro Mehreinnahmen. Die erhöhte BtM-Dokumentationsgebühr (in zwei Stufen von 0,26 Euro über 2,91 Euro auf 4,26 Euro) generiert bei (niedrig angesetzten) 13 Millionen BtM-Abgaben jährlich zusätzliche 52 Millionen Euro. Das Botendiensthonorar ergibt bei etwa 29 Millionen honorierten Botendiensten jährlich etwa 72,5 Millionen Euro Einnahmen. Das Lieferengpasshonorar von 50 Cent sollte bei 18 Millionen Fällen mit Sonderkennzeichen 9 Millionen Euro einbringen. Der Dienstleistungsfonds zählt hier nicht, weil dafür neue Leistungen erbracht werden müssen. Seit 2014 ergeben sich damit inzwischen etwa 270 Millionen Euro jährliche Mehreinnahmen aus anderen Honorarkomponenten. Der oben genannte Finanzbedarf der Apotheken beträgt jedoch etwa das Zehnfache dieses Betrags. Diejenigen, die den Apotheken die obigen Honorarerhöhungen vorhalten, haben die Dimension des Problems nicht verstanden. Auch die selbstverständlich wichtige Entbürokratisierung kann nicht ausreichen, die riesige Lücke zu schließen.

Zur Einordnung ist auch der Vergleich mit dem Honorar aus dem Rx-Festzuschlag interessant. Bei 757 Millionen Rx-Packungen im Jahr 2022 (gemäß Nacht- und Notdienstfonds), 8,35 Euro Festzuschlag und damals 1,48 Euro Netto-Kassenabschlag auf etwa 80 Prozent der Packungen ergeben sich etwa 5,4 Milliarden Euro Packungshonorar. Die Anpassungen der anderen Komponenten seit dem Jahr 2014 machen damit nur etwa 5 Prozent des Packungshonorars aus. Dabei sind die zusätzlichen nicht honorierten Aufgaben und damit Kosten zu bedenken, die seit 2014 auf die Apotheken zugekommen sind.

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Förderung über die Notdienstpauschale? Minister Lauterbach bringt eine höhere Vergütung der Notdienste ins Gespräch.

Drei-Prozent-Komponente kann weitere Defizitquelle werden

Die Einnahmen der Apotheken hängen auch von den Rx-Packungszahlen und in geringem Maße – wegen der Drei-Prozent-Komponente des Rx-Honorars – von den Preisen ab. Die Packungszahl stagniert seit vielen Jahren. Zudem würden mehr Packungen mehr Arbeit und damit Kosten auslösen. Die Arzneimittelumsätze steigen zwar wegen der Hochpreiser, mit ihnen aber auch die wertabhängigen Kosten. Das ist gerade ein wesentlicher Teil des Problems. Denn die Drei-Prozent-Komponente reicht offensichtlich unter den Bedingungen von Inflation und plötzlich gestiegenen Zinsen in vielen Apotheken kaum noch für die wertabhängigen Kosten, zumindest bei ungünstigen Finanzierungsbedingungen. Anders ist kaum zu erklären, dass große Apotheken vermehrt über eine Häufung der Hochpreiser bei ihnen berichten. Die Drei-Prozent-Komponente droht damit ebenso wie der Festzuschlag defizitär zu werden und kann damit erst recht keine Gewinnquelle sein.

Durch die steigenden Umsätze hat das absolute Volumen der Drei-Prozent-Komponente zwar zugenommen, aber sie ist nur als kleiner Anteil des Honorars konzipiert, und das gilt weiterhin. Folgende Abschätzung macht dies für die GKV plausibel: Bei insgesamt vorsichtig geschätzten 603 Millionen GKV-Rx-Packungen (80 Prozent von 757 Millionen Rx-Packungen) im Jahr 2022, 8,35 Euro Festzuschlag, damals 1,48 Euro Netto-Kassenabschlag und 41 Cent Zuschlägen für Fonds ergeben sich einschließlich Notdienstzuschlag (mindestens) 4,39 Milliarden Euro packungsbezogene Honorierung durch die GKV. Bei 42,95 Milliarden Euro Arzneimittelausgaben der GKV und einem Wertschöpfungsanteil der Apotheken von 13,4 Prozent (gemäß ABDA) hat die GKV 5,76 Milliarden Euro für die Apotheken gezahlt. Damit blieben neben den packungsabhängigen Beträgen nur (höchstens) 1,37 Milliarden Euro für den Drei-Prozent-Zuschlag, die Apothekenhonorierung für Rezepturen und OTX-Arzneimittel und die Gebühren für Botendienste und BtM. Die immanente Anpassung, die in der prozentualen Honorarkomponente steckt, gilt also weiterhin nur für einen kleinen Teil des Apothekenhonorars, für den weitaus größten Teil jedoch nicht.

Packungshonorar ist guter Kompromiss

Allerdings haben auch einige, die den Anpassungsbedarf bei den Apotheken sehen, ein Problem mit dem Rx-Festzuschlag. Bei der Kammerversammlung der Apothekerkammer Schleswig-Holstein am 15. November wurde berichtet, der SPD-Bundestagsabgeordnete Dirk Heidenblut habe das Packungshonorar als „falsches System“ bezeichnet, in das er kein Geld „reinwerfen“ wolle (siehe DAZ.online vom 16.11.2023). Doch die Packungen sind ein praktikabler Schlüssel, um die patientenbezogene Arbeit zu honorieren. Theoretisch wäre eine Beratungspauschale denkbar, die sich an den versorgten Patienten orientiert. Da mehr Arzneimittel mehr Aufwand auslösen, liefe dies auf eine Gebühr pro Verordnungszeile hinaus, aber der packungsbezogene Zuschlag ist viel einfacher zu handhaben und führt fast zum gleichen Ergebnis. Trotz aller Kritik am Rx-Festzuschlag ist dieses Konzept also nah an der Kostenursache. Eine bessere Schlüsselgröße ist nicht in Sicht. Von allen Systemen, die die Apotheken vom Arzneimittelpreis und damit von der wirtschaftlichen Entwicklung abkoppeln, erscheint der packungsbezogene Festzuschlag immer noch am besten, sofern er regelmäßig angepasst wird.

Die Suche nach einem anderen Anknüpfungspunkt für die Honorierung folgt ebenso wie manche Ansätze, den Apotheken zusätzliches Geld für zusätzliche Leistungen zukommen zu lassen, der Idee, die Apothekertätigkeit vom Dispensiervorgang abzukoppeln. Doch die Honorierung von der Packung zu lösen, würde die 2004 ausgelösten Probleme noch weiter verschärfen und liefe auf das Ende der Apotheken als kaufmännische Handelsbetriebe hinaus. Die Arzneimittelabgabe ist unabdingbar. Darum muss sie auskömmlich finanziert werden, bevor an zusätzliche Leistungen zu denken ist. Die Mittel für pharmazeutische Dienstleistungen werden nur unvollständig abgerufen (siehe oben), und auch besser honorierte künftige Leistungen wären nicht hilfreich, solange die Arzneimittelabgabe nicht sicher finanziert ist. Je nach Blickwinkel wäre es ein Taschenspielertrick oder ein Konzept mit Fehlanreizen, wenn neue Tätigkeiten eingeführt würden, mit denen die Apotheken Defizite in der Hauptaufgabe decken müssten. Es führt kein Weg an der Honoraranpassung für die Hauptaufgabe vorbei. Über neue Aufgaben, so sinnvoll sie auch sein mögen, kann erst danach entschieden werden.

Notdienstpauschale ist ausgereizt

Auf der Suche nach einer Alternative hatte Lauterbach in einem Interview der „Apotheken-Umschau“ angedeutet, Notdienste besser zu vergüten (siehe DAZ.online vom 31.10.2023). Doch auch dieses prinzipiell gute Konzept stößt an eine Grenze. Die Notdienstpauschale hat die Größenordnung der tatsächlichen Notdienstkosten erreicht und würde dann (noch mehr) zu einer Strukturförderung auf dem Umweg über den Notdienst. Die Zahl der Notdienste kann als pragmatischer Maßstab für die Förderungswürdigkeit betrachtet werden, weil sich viele Notdienste insbesondere dort ergeben, wo wenig andere Apotheken existieren. Das birgt aber die Gefahr, sich vom Notdienst abhängig zu machen. Wenn der Fachkräftemangel und die sinkende Apothekenzahl mittelfristig andere Formen des Notdienstes mit einer Zentralisierung nach dem Vorbild der Ärzte erzwingen, wäre eine Kopplung eines immer größeren Teils der Honorierung an den Notdienst hinderlich.

Pauschalhonorar ermöglicht eine einfache Umverteilung

Hinter dieser und anderen Ideen stehen letztlich zwei Intentionen, die sich teilweise überschneiden. Die erste Intention ist, Apotheken unabhängig von der Packungszahl zu finanzieren. Die zweite Intention ist, Apotheken zu stärken, die für die flächendeckende Versorgung besonders wichtig sind. Inzwischen erscheinen aber aus den oben ausgeführten Gründen praktisch alle verbliebenen Apotheken in diesem Sinne förderungswürdig. Ein erster Schritt wäre demnach ohne großen Aufwand und ohne problematische Verteilungsdiskussion mit einem Pauschal- oder Strukturhonorar für jede Apotheke möglich, das auch von der ABDA gefordert wird (siehe DAZ 2023, Nr. 13). Denn jede Apotheke hat Fixkosten zur Aufrechterhaltung ihrer Betriebsbereitschaft, und die Solidargemeinschaft profitiert von diesem Versorgungsnetz. Eine solche Pauschale für jede Apotheke hätte einen ähnlichen wirtschaftlichen Effekt wie die mehrfach auch in der Politik vorgeschlagene differenzierte Honorierung in Abhängigkeit von der Apothekengröße. Eine solche unterschiedliche Honorierung könnte sich an Klassen gemäß der abgegebenen Packungszahl orientieren. Dabei müssten die Honoraranteile, die sich zwischen den Apotheken unterscheiden, über einen Fonds geleitet werden, um den einheitlichen Arzneimittelpreis sicherzustellen und Anreize zur Steuerung in bestimmte Apotheken zu vermeiden. Der Aufwand wäre erheblich, und es gäbe Anreize zur Verlagerung innerhalb von Verbünden (siehe DAZ 2019, Nr. 36). Ein Pauschalhonorar wäre dagegen viel einfacher und würde ganz ähnlich wirken. Dabei ist daran zu erinnern, dass die strukturelle Unterfinanzierung alle Apotheken betrifft. Alle Apotheken brauchen mehr Geld, aber der Finanzbedarf verschiedener Apotheken kann unterschiedlich sein. Es kann daher durchaus sinnvoll sein, für einen eher kleineren Teil der zusätzlichen Honorierung ein neues, möglichst einfaches Instrument zu nutzen.

Zukunftsidee: Honorierung über Gebietskörperschaften

Weitere Schritte zu einer gezielteren Honorierung für strukturschwache Regionen sind denkbar, müssen aber hinsichtlich Praktikabilität und Fehlanreizen überprüft werden. Gemäß den Ankündigungen von Minister Lauterbach sind solche Pläne zu erwarten. Dann wäre zu prüfen, ob sie gegenüber einem Pauschalhonorar Vorteile bringen. Falls mehr als ein Pauschalhonorar gewünscht ist, sieht der Verfasser die besten Aussichten und die wenigsten Fehlanreize in einem System, das den Inhalt eines Fonds gleichmäßig auf alle Apotheken in einer Gebietskörperschaft verteilt, wobei sich die Beträge zwischen den Gebietskörperschaften anhand der Fläche und der Einwohnerzahl unterscheiden (siehe DAZ 2018, Nr. 17). Es gibt also Steuerungsmöglichkeiten mit neuen Honorierungsinstrumenten, die das Packungshonorar ergänzen, aber nicht ersetzen können.

Fließbandabfertigung als Alternative

Doch was geschieht, wenn die Honoraranpassung ausbleibt oder zu gering ausfällt? Dann werden noch sehr viel mehr Apotheken schließen (siehe oben). Die flächendeckende Versorgung wird sehr bald nicht mehr aufrechtzuerhalten sein. Es wird Apotheken mittelfristig fast nur noch an Standorten mit besonderen Ertragsquellen geben, beispielsweise in der Spezialversorgung oder in wirtschaftlich gut aufgestellten Stadtteilen mit vielen Privatversicherten und zahlungskräftigen OTC-Kunden. Für GKV-Versicherte wird der Abgabevorgang im Sinne einer „Fließbandabfertigung“ organisiert, bei der persönliche Beratung möglichst vermieden wird. Anderswo bleibt der Versand, der nur ein Teilversorger sein kann. Das führt zu einer Zwei-Klassen-Versorgung. Die verbleibenden Apotheken werden eher in die technische Organisation als in Personal investieren. Dies wird eine Rationalisierung zulasten der individuellen Betreuung. Bisher verhindert dies auch der Wettbewerb unter den Apotheken. Doch aus einem Wettbewerb um die Kunden wird dann ein Wettbewerb um die Kostenführerschaft. Wenn einer damit beginnt, werden die wenigen verbliebenen Wettbewerber bald merken, dass die Rationalisierung zulasten der Kunden wirtschaftliche Vorteile bringt. Das wäre das Ende des freien Heilberufs, der den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Daher geht es hier um den Fortbestand des bewährten Systems – um sein oder nicht sein. |

Autor

Dr. Thomas Müller-Bohn, Apotheker und Dipl.-Kaufmann, DAZ-Redakteur

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