Feuilleton

Was aus einem schlechten „Tatort“ entstehen kann

Zwei Medizinstudenten analysieren die Fernsehserie

Der Autor ist Direktor des Instituts für Pharmakologie an der Medizinischen Hochschule Hannover – und ein leidenschaftlicher Fan der Kult-­Krimireihe Tatort. Bei einem Dresdner Tatort mitten in der Corona-Pandemie war der Ärger über die wiederkehrende ungenaue Darstellung pharmakologisch-toxikologischer Inhalte so groß, dass er sich auf eine ungewöhnliche Mission begab. Von dieser berichtet er hier. | Von Roland Seifert

Was aus einem schlechten „Tatort“ entstehen kann

Schon häufiger sind ungenaue oder auch gefährliche Darstellungen pharmakologisch-toxikologischer Inhalte in etlichen Tatort-Folgen aufgefallen. Mal wurde Methylphenidat als Leistungssteigerer unkritisch glorifiziert, mal wurden Psychopharmaka global als abhängigkeitsinduzierend dargestellt, und mal wurde sehr genau gezeigt, wie man sein Opfer mit Kaliumcyanid töten kann. Doch bei einem Dresdner Tatort, mitten in der Corona-Pandemie, wurde allen Erns­tes „Cortison“ als Mittel der Wahl beim anaphylaktischen Schock dargestellt, und natürlich wirkte es auch sofort. Das war unerträglich aus der Sicht eines Pharmakologen, zumal der Autor bei der Leitlinie zur Behandlung des anaphylaktischen Schocks selbst mitarbeitet [1]. Aber der Zeitpunkt erschien ideal: In der Corona-Pandemie war der Präsenzunterricht an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) stark eingeschränkt. Der klassische akademische Austausch zwischen Student und Professor trocknete fast völlig aus. Könnte es vielleicht sein, dass die Studenten in dieser Situation an Doktorarbeiten interessiert sind, die man gut von zu Hause mit online verfügbaren Datensätzen durchführen kann?