Sanitäter auf sechs Beinen
mp | Macht sich in der Kolonie der Ameise Megaponera analis Hunger breit, rüstet sie sich zum Kampf mit den Termiten, die Erzfeind und Nahrung zugleich sind. Tausende von Ameisen stürmen den Termitenbau. Im Kampf haben die Ameisen meist die Nase vorn. Denn sie verfügen über eine Waffe, die der Mensch erst im 20. Jahrhundert entwickelte: die antibiotische Behandlung infizierter Wunden. Verwundete Ameisen erleiden häufig eine Infektion mit Pseudomonas aeruginosa. Exemplare mit dieser Diagnose droht unbehandelt der sichere Tod. Doch die anderen Ameisen spüren ihre verletzten Artgenossen auf und behandeln sie gezielt. Um dieses Verhalten zu verstehen, durchstreifte der in Würzburg lehrende Tropenbiologe Erik Frank mit seinem Team die Savannen der Elfenbeinküste. Elf Ameisenkolonien brachten sie in ein naheliegendes Labor. Dort ließ man die Ameisen mit Termiten kämpfen. Nebenbei wurden einige Tiere herausgepickt, verletzt und eine Wundinfektion provoziert. Anschließend brachte man die Tiere wieder zur Kolonie. Es folgten Video-Aufnahmen der Wundpflege sowie chemische und genetische Analysen der Verwundeten und ihren Sanitätern. Was Frank und seine Kollegen zeigten, ist im Tierreich einmalig: Infizierte Ameisen machten mit einem veränderten Kohlenwasserstoffprofil auf ihrer Oberfläche auf sich aufmerksam. Pflegende Ameisen eilten herbei, um die Wunden zu reinigen. Zugleich gaben sie in die Verletzungen einen antimikrobiellen Cocktail, bestehend aus 41 Proteinen und 112 organischen Verbindungen. Zwei Drittel der behandelten Ameisen überlebten dank der Therapie. Erik Frank und sein Team entdeckten, dass viele Bestandteile des pharmakologischen Serums Antibiotika und Fungiziden ähneln. Bisher konnten sie nicht alle Bestandteile identifizieren. Sie hoffen, in Zukunft im Ameisen-Serum Bestandteile zu finden, die auch Infektionen beim Menschen besiegen können. |
Literatur
Frank ET et al. Targeted treatment of injured nestmates with antimicrobial compounds in an ant society. Nat Commun 2023, https://doi.org/10.1038/s41467-023-43885-w