Snacken im Traum
mp | Die kurzen Tage im Winter nutzen viele von uns, um Schlaf zu tanken. Schließlich locken im Sommer nicht enden wollende Tage zu den herrlichsten Unternehmungen, wobei der Schlummer mal zu kurz kommen kann. Was wir bräuchten: Die Superkraft, trotz sommerlichen Zeitmangels genügend Gelegenheiten für ein Nickerchen zu finden. Als Vorbild könnte uns das Rentier dienen. Es ist nördlich des Polarkreises beheimatet. Der arktische Winter ist hart, monatelang bleibt es dunkel. Zwischen Mai und Juli aber geht die Sonne gar nicht unter. Hier nutzt das Rentier jede freie Minute mit Fressen und Wiederkäuen. Es muss also wissen, wie man neben dem Essen genügend Schlaf findet. Das war auch der Gedanke der Schweizer Schlafforscherin Melanie Furrer und ihrer Kollegen in Tromsø, Norwegen. Sie wollten die Schlafarchitektur der Rentiere mittels Elektroenzephalografie (EEG) verstehen. Die vier wiederkäuenden Rentier-Probanden wurden so zu den ersten ihrer Art, deren Köpfe für ein EEG verkabelt wurden. Über Sommer, Herbst und Winter lieferten sie verlässlich Daten zu ihrem Schlafverhalten. Im Sommer verbringen die Tiere so viel Zeit beim Fressen, dass weniger Zeit für Tiefschlaf als im Winter bleibt. Doch interessanterweise hatten die Tiere gar nicht mehr Bedarf nach Schlaf. Insbesondere während des Wiederkäuens schienen sich die Rentiere regelrecht zu erholen. Furrer et al. erkannten: Während des Kauens ähnelte das EEG-Muster den Tiefschlafphasen der Tiere. Sie glauben: Das Rentier schläft, während es wiederkäut. Gesichert sind die Ergebnisse nicht. Denn anstatt sich das Jahr über in der norwegischen Tundra durchschlagen zu müssen, lebten die Tiere das Jahr über in einem norwegischen Stall und konnten immer dann fressen, wenn ihnen danach war. Dennoch glauben die Forscher, für Rentiere seien die Ergebnisse repräsentativ. Für uns Menschen aber bleibt der Gedanke, beim Essen schlafen zu können, nur ein Traum. |
Literatur
Furrer M et al.Reindeer in the Arctic reduce sleep need during rumination. Current Biology 2023, https://doi.org/10.1016/j.cub.2023.12.012