Retaxation zulässig

Bundessozialgericht billigt Ausschlussfrist in ALV

Kassel - 03.07.2012, 15:49 Uhr


Rückschlag für Apotheker: Die AOK Niedersachsen hat heute vom Bundessozialgericht (BSG) bestätigt bekommen, eine verfristete Abrechnung, die sie zunächst beglichen hatte, zu Recht retaxiert zu haben. Die Kasseler Richter hatten – anders als die Vorinstanz – kein Problem mit der im einschlägigen Arzneimittelliefervertrag vorgesehenen Abrechnungsfrist von zwei Monaten.

Der klagende Apotheker hatte am 2. Mai 2007 Arzneimittel an Versicherte der beklagten AOK auf Rezept abgegeben. Über sein Rechenzentrum stellte er der Kasse im August 2007 für diese Arzneimittel 1429,17 Euro in Rechnung. Die Beklagte beglich die Rechnung umgehend, beanstandete sie aber am 2. April 2008 wegen Versäumung der Abrechnungsfrist. Denn § 8 Abs. 1 des niedersächsischen Arznei-Liefervertrages (ALV) bestimmt: „Die Rechnungslegung sowie die Weiterleitung der Original-Verordnungsblätter erfolgt jeweils für einen abgeschlossenen Kalendermonat ... bis spätestens 2 Monate nach Ablauf des Kalendermonats, in dem die Lieferung erfolgte. ... Andernfalls entfällt der Anspruch auf Bezahlung.“

Der Kläger hielt die Verfristung der Abrechnung für unverhältnismäßig – daher sah er seinen Zahlungsanspruch noch nicht verlustig gegangen. Doch sein Einspruch nutzte nicht, die AOK rechnete den zunächst gezahlten Betrag mit späteren Forderungen auf. Seine Klage beim Sozialgericht blieb erfolglos. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) verurteilte die Kasse dagegen, dem Kläger 1.429,17 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Es hielt die vertraglich geregelte Ausschlussfrist für verfassungswidrig, da sie keine Ausnahmetatbestände vorsieht.

Das BSG entschied nun in letzter Instanz anders. Es änderte auf die Revision der AOK das LSG-Urteil ab und wies die Berufung des Klägers gegen die Entscheidung des Sozialgerichts insgesamt zurück. Das LSG habe die Beklagte zu Unrecht zur Rückzahlung an den Apotheker verurteilt. Der zunächst bestehende Vergütungsanspruch sei infolge der nicht fristgerecht eingereichten Abrechnung erloschen. Die maßgebliche Norm des ALV sei eine „klare vertragliche Regelung“, die aufgrund hinreichender gesetzlicher Ermächtigung wirksam eine Ausschlussfrist für verfristete Abrechnungen begründe, heißt es in einer Presseinformation des BSG. Sie stehe bei gebotener Auslegung auch mit höherrangigem Recht in Einklang. So genüge sie den Anforderungen an Berufsausübungsregelungen, da sie auf vernünftigen Gründen des Gemeinwohls beruhe, nämlich dem allseitigen Interesse an einem reibungslosen Ablauf der Arzneimittelabrechnung. Damit sei sie grundsätzlich angemessen. Schließlich könne sich der Apotheker professioneller Abrechnungsstellen bedienen, um alle notwendigen Informationen zu erhalten, die Risiken abzusichern und seine Verpflichtungen zu erfüllen. Auch greife der Ausschluss erst nach einer hinreichend langen Zeit.

Allerdings räumt das BSG ein: Eine Berufung auf die Ausschlussfrist sei dann rechtsmissbräuchlich, wenn sich Risiken verwirklichen, für die der Betroffene keine hinreichende Vorsorge treffen könne. Diese Einschränkung bedürfe aber keiner ausdrücklichen Regelung. Und vorliegend habe sich der Kläger ohnehin nicht auf derartige Gründe gestützt, sondern insbesondere auf Fehler seines Personals bzw. des von ihm beauftragten Rechenzentrums.

Urteil des Bundessozialgerichts vom 3. Juli 2012, Az.: B 1 KR 16/11 R


Kirsten Sucker-Sket