Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

13.04.2014, 08:00 Uhr


Der Konvent tagte! Der nächste Schritt im Leitbildprozess ist geschafft. Step by step, es geht voran. Wohin, in welche Richtung? So mancher hat da seine Zweifel. Ende Mai mehr in diesem Theater. Und in Griechenland wird der Weg zur Kette vorbereitet – weil Apotheker angeblich nur Arzneimittel und kein Geschäft können, sagt die OECD. So ein Schwachsinn, mein liebes Tagebuch. Außerdem: in Österreich drohen Apothekenpleiten, Tamiflu wirkt nur ein bisschen und die ABDA-Imagekampage mit den Kullertränentrockner-Plakaten könnte wohl noch ein bisschen mehr Nachfrage vertragen.

7. April 2014

Der ABDA-Konvent zum Leitbildprozess tagte. Laut Duden ist der Konvent „die Versammlung der stimmberechtigten Mitglieder eines Klosters“. Nun, mein liebes Tagebuch, so klösterlich  dürfte es unter den ABDA-Brüdern und -Schwestern nicht zugegangen sein, zumal auch der Versammlungsort, die Berliner Kalkscheune, eine angesagte Party-Location der Hauptstadt, kaum klösterliches Ambiente verbreitet. Aber Party gab’s auch nicht. Rund 100 Vertreter von Kammern und Verbänden zerbrachen sich an zwei Tagen den Kopf, welche Grundsatzüberlegungen ins Leitbild aufgenommen werden sollen, z. B. eine engere Vernetzung von Arzt und Apotheker, der Apotheker als Medikationsmanager und als Lotse des Patienten. Die Konvent-Ergebnisse werden nun von der sechsköpfigen Arbeitsgemeinschaft Leitbild der ABDA  ausgearbeitet zu einer Rohfassung, die vom 2. bis 24. Mai zur Kommentierung online gestellt wird (mein liebes Tagebuch, online à la Cyrano? Mir schwant nichts Gutes) – da sind wir schon gespannt drauf! Und am 25. Juni ist es dann soweit: Die ABDA-Mitgliederversammlung beschließt das Leitbild. Auf dem Deutschen Apothekertag in München soll’s dann vom Apothekerparlament abgenickt werden. Puh, mein liebes Tagebuch, dann ist es geschafft – und wir wissen endlich, wo’s lang geht. Und was diskutieren wir danach?

Massive Zweifel kommen dem Brandenburgischen Kammerpräsident Jens Dobbert ob der Leitbilddiskussion. Er fühlt sich an die 90er Jahre erinnert, in denen die ABDA große Pläne zur zukünftigen Positionierung des Apothekers hatte. Ach ja, in der Tat, mein liebes Tagebuch, wir erinnern uns an die ApoCard (oh je), an Pharmaceutical Care (oh je oh je), an einen Zukunftsapotheker, der wirkstoffgleiche Arzneimittel auswählt und sie auf der ApoCard dokumentiert und der mit Pharmaceutical Care die Sicherheit und Qualität der Arzneiversorgung optimieren sollte – das waren alles wunderschöne Projekte, nett angedacht, aber richtig versandet. Die ApoCard mutierte zur Kunden- und Rabattkarte, so Dobbert, und was Pharmaceutical Care werden sollte, nimmt heute einen neuen Anlauf und heißt Medikationsmanagement. Dobbert fällt der Glaube schwer, dass sich mit dem Leitbild etwas ändern werde. Schon das weitere Procedere der Leitbilddiskussion erinnere ihn an Waldorfschulniveau. Mein liebes Tagebuch, wenn heute 2024 wäre – wird sich dann noch jemand ans Leitbild erinnern?

8. April 2014

Was ist das für eine verquere Denke: Weil ein Apotheker zwar ausgebildet und geeignet sei, Arzneimittel abzugeben, aber nicht automatisch auch ein Geschäft führen könne, sollten professionelle Manager und Unternehmer die Apotheken betreiben – mit solchen Ansichten begründet die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) die angestrebte Liberalisierung des griechischen Apothekenmarktes hin zu Apothekenketten. Mein liebes Tagebuch, eine schwachsinnigere Argumentation habe ich schon lange nicht mehr gehört. Als ob ein Kettenmanager mit betriebswirtschaftlichem Hintergrund, der nur auf Umsatz und Profit schaut, ein „Geschäft“ betreiben könnte, bei dem das Wohl des Patienten an erster Stelle stehen sollte, bei dem es auch „Nein“-Verkäufe gibt, weil abgeraten werden muss. Außerdem: Die Resultate vieler „Manager“ und „Unternehmer“ können wir in den Wirtschaftsnachrichten verfolgen: Pleiten und Insolvenzen. Hallo, OECD, die Apotheke ist kein Business wie jedes andere. Die Apotheke, wie sie unsere Gesellschaft will, lebt von der dualen Funktion eines Apothekers, nämlich Heilberuf und Kaufmann – und davon, dass sie inhabergeführt ist. Und mit Apothekenketten ist Griechenland nicht zu retten. Da muss man beim Wasserkopf der griechischen Bürokratie ansetzen.

9. April 2014

Oh, Krise in Österreich: Es drohen Apotheken-Pleiten im Alpenland. Wie das? Während die deutschen Apotheken in den letzten Jahren unter den Lasten von Spargesetzen litten, Apothekenschließungen die Runde machten, konnte man beim Blick ins Nachbarland ausrufen: Tu felix Austria! Die österreichischen Kolleginnen und Kollegen hatten ein wohlwollendes Gesundheitsministerium, keinen Versandhandel, stabile Margen. Und nun das: österreichische Landapotheken in Gefahr, Umsatzrückgänge von bis zu fünf Prozent, steigender Verschuldungsgrad, sinkende Spannen. Und der Versandhandel kommt. Das ist wenig erfreulich. Andererseits: Österreich hat nur 1330 Apotheken, ein Drittel davon sind Landapotheken. Kopf hoch, liebe Österreicher, ihr schafft es. Vielleicht müsst ihr auch mal über noch mehr Kundennähe nachdenken (z. B. kundenfreundlichere Öffnungszeiten) oder andere Dienstleistungen.

10. April 2014

Cochrane-Forscher ließen nicht locker. Sie wollten Einsicht in die Studienunterlagen der Grippepräparate Tamiflu und Relenza. Und sie bekamen sie. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Bei an Influenza erkrankten Erwachsenen trat eine Symptomlinderung unter den beiden Wirkstoffen nur etwa einen halben Tag früher ein als unter Placebo. Die Präparate schützten nicht vor Komplikationen, im Gegenteil: Nebenwirkungen kamen hinzu. Mit anderen Worten: Die beiden Neuraminidasehemmer haben in der Prävention und Therapie von Influenzainfektionen nur einen geringen Nutzen. Und Regierungen, auch die deutsche, kauften in den Jahren von Vogel- und Schweinegrippe für teures Geld – in Deutschland sollen es mindestens 500 Millionen gewesen sein –  diese Präparate, um sie für den Notfall zu bunkern. Weltweit sollen mehr als 10 Milliarden für die Bevorratung bezahlt worden sein. Dumm gelaufen. Dieser Skandal zeigt: Studiendaten und –auswertungen, auch solche mit negativen Ergebnissen, müssen offengelegt werden. Vermutlich hätte keine Regierung die Grippemittel eingelagert, wenn bekannt gewesen wäre, dass Tamiflu im Vergleich zu Placebo die klinischen Symptome von 7 auf 6,3 Tage verkürzt. Klar, Roche wehrt sich. Es lägen hier Fehlinterpretationen der Cochrane-Autoren vor, die Cochrane-Gruppe sei zudem nicht kompetent für die Beurteilung der kompletten Studienlage. Tja, Roche, vielleicht hätte man einfach alle Daten von Anfang an auf den Tisch legen sollen.

Während der Brandenburger Kammerpräsident den Leitbildprozess kritisiert, zieht der Brandenburger Apothekerverband ein euphorisch positives Bild der Leitbilddiskussion auf dem Konvent: Die Erwartungen seien meist sogar übertroffen worden. Nun, das hängt natürlich auch davon ab, was man erwartete. Immerhin, in einem Rundschreiben an seine Mitglieder spricht der Verbandsvorsitzende von einer „erwartungsfrohen Stimmung“ auf dem Konvent, von einer „konzentrierten und fruchtbaren Arbeitsweise“. Mein liebes Tagebuch, so kann man’s also auch sehen.

Das klingt nicht gerade nach massenweisen Bestellungen, wenn die ABDA verkündet, dass die Bestellfrist für die Materialien zur ABDA-Imagekampagne „Näher am Patienten“ um drei Tage bis zum Gründonnerstag verlängert wird. Ach was, mein liebes Tagebuch, die Frist wird gerade deshalb verlängert, weil die Kampagne „sehr gut angenommen“ wird und „wir uns noch viele weitere Bestellungen“ wünschen. Ach so. Aber wie viele nun schon bestellt haben, erfuhr man auch nicht. Hm,  dann schauen wir einfach mal die Apothekenschaufenster im Mai an, wie viele Kullertränentrockner- und Besserwisser-Plakate zu sehen sind.

Mit einer Petition wollte die „Freie Apothekerschaft e.V.“, ein kleiner Verein, der sich aus einem geschlossenen Internetforum heraus entwickelt hatte, erreichen, dass Privatverkäufe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln über Internetportale unter Strafe gestellt werden. Die Petition stand von Mitte März bis zum 10. April im Internet. 1246 unterzeichneten die Petition, 50.000 hätten es sein müssen, um vom Bundestag angenommen zu werden. Mein liebes Tagebuch, es war ein gut gemeinter Versuch, aber ehrlich gesagt, mit wenig Aussicht auf Erfolg. Denn die Öffentlichkeit sieht die Gefahren dieser Privat-Medikamentenverkäufe nicht, wie auch Diskussionen auf der Petitionsseite zeigten. Vielleicht müsste man versuchen, einen Gesetzesentwurf zum Verbot dieser Verkäufe über Abgeordnete einzubringen. Oder die ABDA sollte ihre politischen Kontakte nutzen. (Mein liebes Tagebuch, frag bitte nicht, welche.) Und bis dahin werden weiterhin Rx-Arzneimittel verbotenerweise auf ebay verkauft.

11. April 2014

Rote Zahlen bei der Schweizer zur Rose AG. Zwar ist der Umsatz nach der Einverleibung der holländischen Versandapotheke DocMorris gestiegen (auf rund 748 Mio. Euro), aber Umsatz ist nicht Gewinn. Die DocMorris-Übernahme und die Kooperation der deutschen Zur Rose mit der Drogeriemarktkette dm kosteten auch ein paar Euro – und ließen trotz gestiegenen Umsatzes das Unternehmensergebnis ordentlich ins Minus rutschen (minus 12,7 Mio. Euro). Trotzdem, das Unternehmen gibt sich selbstbewusst als Nr. 1 im europäischen Versandhandel. Mehr als 1400 dm-Filialen seien mittlerweile mit einem Zur Rose-Bestellterminal ausgestattet. Mein liebes Tagebuch, irgendwie kann man’s kaum glauben, dass sich jemand ans Terminal stellt und einen Bestellzettel ausfüllt. Aber es gibt sichtlich Personen, die das tun. Wie sich Umsatz und Gewinn bei der seit Dezember 2012 zur Gruppe gehörenden Versandapotheke DocMorris entwickelte – dazu hörte man vom Schweizer Unternehmen nichts. Nur, der Wachstumskurs der letzten Jahre sei erfolgreich weitergeführt worden, was immer das heißen mag.

Nicht vergessen: Wer noch mit dem Betriebssystem Windows XP arbeitet und damit ins Internet geht, sollte ans Umstellen denken auf Windows 7 oder 8. Microsoft hat den Support für XP eingestellt, d.h., es werden bald Sicherheitslücken auftauchen. Die Softwarehäuser sind darauf vorbereitet.

Eine schöne vorösterliche Woche!  

 


Peter Ditzel


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