BGH-Urteil zu Blister-Preisen

Wettbewerbszentrale: AMPreisVO präzisieren!

Berlin - 12.08.2015, 14:55 Uhr

Ein aktuelles Urteil des BGH sorgt für Verstörung. (Foto: BGH)

Ein aktuelles Urteil des BGH sorgt für Verstörung. (Foto: BGH)


Einheitliche Abgabepreise muss ein Arzneimittelhersteller nicht beachten, wenn auch die Apotheke keine solche einhalten muss – und das muss sie nicht, wenn sie patientenindividuelle Arzneimittelblister abgibt, die aus Fertigarzneimitteln entnommene Teilmengen enthalten. Zu diesem Schluss kommt der Bundesgerichtshof (BGH) in den jetzt vorgelegten Gründen eines bereits am 5. März ergangenen Urteils. Die klagende Wettbewerbszentrale meint: Das ist ein Einfallstor zur Umgehung fester Arzneimittelpreise, die der Verordnungsgeber so nicht gewollt haben kann.

In dem Verfahren war die Wettbewerbszentrale gegen Ratiopharm vorgegangen. Sie beanstandete eine Klausel in einem Mustervertrag des Unternehmens gegenüber Apotheken. Danach sollten die Preise für Ratiopharm-Arzneimittel, die die Apotheker zur patientenindividuellen Verblisterung verwenden, frei verhandelbar sein – „entsprechend der Arzneimittelpreisverordnung“, wie es heißt.

Die Wettbewerbszentrale vertritt die Auffassung, dass auch zur Verblisterung verwendete Arzneimittel preisgebunden sind und das Ulmer Unternehmen mit seinem Angebot gegen § 78 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 AMG verstößt. Diese Vorschrift sieht auch für pharmazeutische Hersteller eine Preisbindung in Form eines einheitlichen Abgabepreises vor. Die Wettbewerbszentrale verwies im Verfahren darauf, dass bei der patientenindividuellen Verblisterung die ärztliche Verordnung für ein bestimmtes Fertigarzneimittel vorliegt, aus dem der Apotheker die Tabletten entnehme und neu zusammenstelle. Im Endeffekt erhalte der Patient aber die Gesamtmenge der vom Arzt verschriebenen Tabletten.

BGH orientiert sich am Wortlaut

Nachdem die Wettbewerbszentrale in den ersten beiden Instanzen erfolgreich gegen Ratiopharm geklagt hatte, musste sie in der letzten eine Niederlage einstecken. Vor dem BGH ging es letztlich um die Frage, ob der Ausnahmefall des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 Arzneimittelpreisverordnung für den Fall der Abgabe von Arzneimitteln, die der Verblisterung dienen, einschlägig ist. Danach sind von aus Fertigarzneimitteln entnommene Teilmengen, soweit deren Darreichungsform, Zusammensetzung und Stärke unverändert bleiben, von der Preisbindung  ausgenommen. Dies sei hier, so meint der BGH, der Fall und argumentiert mit dem Wortlaut: Darreichungsform, Zusammensetzung und Stärke der in den von den Apotheken hergestellten Blistern abgegebenen  Arzneimittel blieben unverändert. Die Vorlage einer ärztlichen Blister-Verordnung, wie sie die Wettbewerbszentrale für nötig hielt, sei nicht erforderlich, erklärt der BGH knapp.

Eine einschränkende Auslegung hielten die Karlsruher Richter im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte der Norm sowie ihren Sinn und Zweck für nicht geboten. Der Verordnungsgeber habe bei der Fassung der Vorschrift den Fall der individuellen  Verblisterung vor Augen gehabt. Der BGH verweist auf Praktikabilitätserwägungen und glaubt auch nicht, dass es eine ernstzunehmende Missbrauchsgefahr gibt, wie sie die Wettbewerbszentrale befürchtet. Es spreche nichts dafür, dass eine Verpackung in neue Blister für individuelle Patienten mit dem Ziel erfolge, Preisvorschriften zu umgehen.

Wettbewerbszentrale: Argumente nicht gewürdigt

Die Wettbewerbszentrale ist enttäuscht, dass der BGH aus ihrer Sicht wesentliche Aspekte nicht ausreichend gewürdigt hat. Etwa die – bereits erstinstanzlich festgestellte –Tatsache, dass die ärztliche Verordnung über die Gesamtmenge des Arzneimittels lautet und die Apotheke gegenüber der Krankenkasse das verschriebene Fertigarzneimittel entsprechend der Preisbindung abrechnet.

Da der BGH die Abgabe der Teilmengen nicht von einer ärztlichen (Blister)-Verordnung abhängig macht, könnten Apotheken nunmehr Teilmengen von Arzneimitteln abgeben, ohne an die Arzneimittelpreisverordnung gebunden zu sein. Dr. Reiner Münker, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied der Wettbewerbszentrale, erklärte dazu: „Das Urteil kann nur als Aufforderung an den Verordnungsgeber verstanden werden, den Wortlaut der Arzneimittelpreisverordnung zu korrigieren beziehungsweise zu präzisieren. Denn wir glauben nicht, dass die Ausnahmevorschrift als Einfallstor zur Umgehung der Preisbindung gedacht war.“

Urteil des Bundesgerichtshofs vom 5. März 2015, Az.: I ZR 185/13

 


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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