MAUSSTUDIE

Vielversprechender Ansatz gegen Brustkrebs

Berlin - 27.11.2015, 13:29 Uhr

Krebszelle: Wie wirken Antikörper-Wirkstoff-Konjugate mit Immuntherapie kombiniert? (Foto: National Cancer Institute)

Krebszelle: Wie wirken Antikörper-Wirkstoff-Konjugate mit Immuntherapie kombiniert? (Foto: National Cancer Institute)


Forscher aus Deutschland und der Schweiz haben eine neue Kombination aus herkömmlicher mit immunonkologischen Therapie untersucht. Spezielle Antikörper-Wirkstoff-Konjugate können demnach die Wirkung von Medikamenten, die auf das Immunsystem abzielen, deutlich verstärken.

Eine neue Kombination aus Immun- und Chemotherapie bietet einen vielversprechenden Ansatz zur Behandlung von Brustkrebs. Darauf weisen Testreihen in Mäusen hin, berichten Mediziner aus der Schweiz und Deutschland im Fachjournal "Science Translational Medicine". Spezielle Antikörper-Wirkstoff-Konjugate können demnach die Wirkung von Medikamenten, die auf das Immunsystem abzielen, womöglich deutlich verstärken.

"Die Übertragbarkeit auf den Menschen halten wir für gegeben", sagt Hauptautor Philipp Müller von der Universitätsklinik in Basel. Brustkrebs sei als Modell gewählt worden, es sei aber davon auszugehen, dass andere Tumorarten ebenfalls auf die Kombination ansprechen. "Wir gehen davon aus, dass die Wirkweise universal ist."

Weg von unspezifischer Chemotherapie

Seit einigen Jahren kommen bei Krebsbehandlungen sogenannte Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (Antibody-Drug-Conjugates, ADCs) zum Einsatz. Diese bestehen einerseits aus einem Antikörper, der gezielt an Oberflächenproteine auf der Tumorzelle bindet und das strukturelle Rückgrat des Konjugates bildet. Andererseits dienen die ADCs als Transportvehikel für eine chemische Substanz, die mit dem Antikörper zur Krebszelle gelangt und den Tod der Zelle auslöst.

Wissenschaftler um Alfred Zippelius und Philipp Müller von der Universitätsklinik in Basel prüften eine Kombination von Antikörper-Wirkstoff-Konjugat und Immuntherapie bei HER2-positiven Brustkrebs. 15 bis 20 Prozent der Patientinnen haben ein solches Mammakarzinom.

Zwar gibt es mit Trastuzumab und Pertuzumab Wirkstoffe gegen HER2-positive Tumoren, es bilden sich jedoch häufig Resistenzen. Von Immuntherapien sind solche Resistenzen nicht zwingend zu erwarten.

Trojanisches Pferd

Das Team um Zippelius und Müller verwendete nun zum einen das bereits klinisch etablierte Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Trastuzumab-Emtansin (T-DM1), das auch in der EU zur Behandlung bei fortgeschrittenem HER2-positivem Brustkrebs zugelassen ist. Trastuzumab ist ein künstlich hergestellter Antikörper, der den HER2-Rezeptor blockiert. Zudem werden sie über die Bindung des Antikörpers für das Immunsystem markiert. Für das Konjugat T-DM1 wird Trastuzumab über eine Verbindungssubstanz (Linker) mit dem Chemotherapeutikum DM1 kombiniert.

Eine Art trojanisches Pferd entsteht: Der Antikörper erkennt die Krebszelle, bindet und setzt direkt in der Zelle das Chemotherapeutikum frei. "Das war schon lange die Traumvision, Krebsmedikamente gezielt zum Tumor bringen zu können", sagt Klinikdirektorin Fehm. Mit T-DM1 konnte die nötige Chemotherapeutikum-Menge demnach "deutlichst verringert" werden – und damit auch die potenziellen Nebenwirkungen.

Im Gegensatz zu solch einem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat zielt die Immuntherapie nicht direkt auf den Tumor ab. Stattdessen soll sie das Immunsystem des Patienten dazu bringen, den Tumor zu bekämpfen. Dabei hat sich gezeigt, dass die Verwendung bestimmter zytotoxischerSubstanzen, wie sie in bestimmten Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten verwendet werden, auch die körpereigene Immunantwort günstig beeinflussen kann.

Gute Erfahrungen bei Haut- und Lungenkrebs

Bisher seien positive Effekte solcher immuntherapeutischer Ansätze vor allem bei schwarzem Haut- sowie Lungenkrebs bekannt, erläutern die Forscher. Die sogenannte Checkpoint-Therapie basiert darauf, dass T-Zellen Tumore gewöhnlich nur kurz angreifen. Ein Grund sind molekulare Bremsen auf den T-Zellen, Checkpoints genannt. Sie sollen eine überbordende Immunreaktion verhindern – kommen aber auch Tumoren zugute. Therapieansätze zielen darauf ab, solche molekularen Bremsen zu lösen und die natürliche Immunantwort gegen die Tumore zu verstärken.

Als zusätzliche Immun-Checkpoint-Inhibitoren wurden in den nun vorgestellten Versuchen CTLA-4- und PD-1-blockierende Antikörper eingesetzt. PD-1 und CTLA-4 sind Schlüsselmoleküle, die es Krebszellen ermöglichen, sich der Zerstörung durch das Immunsystem zu entziehen. Mit der Kombitherapie behandelte Mäuse überlebten deutlich länger als die mit T-DM1 oder CTLA-4/PD-1 allein therapierten Tiere.

"Die meisten der Mäuse konnten komplett geheilt werden", sagt Müller. "Sie blieben dauerhaft tumorfrei." An den Analysen waren neben Schweizer Forschern auch deutsche Mediziner aus München, Mönchengladbach, Düsseldorf, Köln und Hannover beteiligt.

Noch gebe es aber viel Forschungsbedarf zu der Kombination herkömmlicher mit immunonkologischen Therapien, betont Fehm, die selbst nicht an der Studie beteiligt war. "Wirkungen und Nebenwirkungen müssen nun in großen, zeitaufwendigen klinischen Studien geprüft werden."

Regulatorische T-Zellen besser nicht blockieren

Die neu erprobte Wirkstoff-Kombination scheint den Einstrom von Immunzellen in den Tumor sowie deren Fähigkeit, Tumorzellen abzutöten, zu verstärken, erläutern die Studienautoren in "Science Translational Medicine". Zudem entwickelten die Tiere demnach nicht erneut Krebs, wenn ihnen weitere Tumorzellen eingeimpft wurden. Offensichtlich werde ein länger wirkender Immunschutz aufgebaut.

Erste Analysen von humanem Brustkrebsgewebe stützten die Vermutungen zur immunologischen Wirkweise von T-DM1. Eine erste klinische Studie werde derzeit vorbereitet, sagt Müller. Für ein ähnliches Molekül laufe eine solche Analyse bereits.

Die Forscher konnten darüber hinaus zeigen, dass sogenannte regulatorische T-Zellen nicht – wie bisher angenommen – zwingend die gegen den Tumor gerichtete Immunantwort blockieren. "Sie können durchaus auch eine schützende Rolle einnehmen, indem sie das gesunde Gewebe vor einer therapieinduzierten Immunantwort schützen", erklärt Müller. Erst nach dem Entfernen der regulatorischen T-Zellen zeigten sich als Folge der ungehemmten Immunantwort auch Entzündungen und Gewebeschäden.

Es sei ein wichtiger Hinweis, dass man regulatorische T-Zellen bei einer Krebstherapie besser nicht blockieren sollte – was über spezielle Wirkstoffe möglich sei, erklärt Klinikdirektorin Fehm dazu. Immunonkologische Ansätze seien ein ganz neuer Trend und mögliche Nebenwirkungen daher noch nicht im Detail verstanden. "Wie reagiert der Körper, wenn wir das Immunsystem so beeinflussen?"


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