Unkomplizierte Harnwegsinfekte

Antibiotika sparen mit Ibuprofen?

Stuttgart - 14.01.2016, 10:50 Uhr

Schmerzhaft, aber oft selbstlimitierend: Harnwegsinfekte sind einer der häufigsten Gründe für Antibiotikaverschreibungen beim Hausarzt. (Bild: absolutimages/Fotolia)

Schmerzhaft, aber oft selbstlimitierend: Harnwegsinfekte sind einer der häufigsten Gründe für Antibiotikaverschreibungen beim Hausarzt. (Bild: absolutimages/Fotolia)


Müssen Harnwegsinfekte immer sofort antibiotisch behandelt werden? Nicht zwingend! In leichten Fällen scheint eine symptomatische Behandlung mit Ibuprofen zumindest eine Option zu sein. Das ergab eine Untersuchung in deutschen Hausarztpraxen, die im British Medical Journal veröffentlicht wurde.

Unkomplizierte Harnwegsinfekte bei Frauen werden oft schon zu Beginn der Erkrankung antibiotisch behandelt. Sie sind etwa für 25 Prozent der Antibiotikaverschreibungen in Hausarztpraxen verantwortlich. Dabei sind die Infekte in vielen Fällen selbstlimitierend. Aus früheren Untersuchungen ist bereits bekannt, dass lediglich die Beschwerden etwas verlängert werden, wenn antimikrobielle Substanzen gar nicht oder erst später zum Einsatz kommen. Zwar sind länger Bakterien im Urin nachweisbar, zu ernsten Komplikationen kommt es aber in der Regel nicht.

Forscher aus Göttingen und Hannover wollten daher der Frage auf den Grund gehen, ob sich mit einer initialen, symptomatischen Behandlung eines unkomplizierten Harnwegsinfekts mit Ibuprofen die Zahl der Antibiotikaverordnungen reduzieren lässt. Und zwar ohne, dass es zu einer signifikanten Verschlechterung der Symptomatik, Rezidiven oder Komplikationen kommt.

Ibuprofen vs. Fosfomycin

Knapp 500 Patientinnen mit typischen Symptomen eines unkomplizierten Harnwegsinfekts wurden randomisiert und erhielten über einen Zeitraum von drei Tagen entweder dreimal 400 mg Ibuprofen (248 Frauen) oder eine Einmaldosis Fosfomycin (246) als Granulat. Die Studie wurde doppelblind durchgeführt. Die Probandinnen erhielten daher je nach Studienarm zusätzlich ein Sachet mit Placebo-Granulat bzw. dreimal drei Placebo-Tabletten. Hielten die Beschwerden an, verschlimmerten sich oder traten sie nach Abklingen wieder auf, wurde in beiden Gruppen ein Antibiotikum verordnet. Primäre Endpunkte waren die Anzahl der Antibiotikaverordnungen innerhalb von 28 Tagen sowie die Schwere der Symptome Dysurie, Häufigkeit und Dringlichkeit des Harndrangs und Unterleibsschmerzen während der ersten Woche.

Deutlich weniger Antibiotikaverordnungen

Insgesamt konnte eine initiale Behandlung mit Ibuprofen im Vergleich zur initialen Antibiose die Zahl der Antibiotikaverordnungen um 67 Prozent reduzieren. Allerdings hatten die Patientinnen der Ibuprofen-Gruppe mehr Beschwerden. Das galt aber nur für die Frauen, bei denen Bakterien im Urin nachgewiesen wurden. Bei negativer Urinkultur gab es keinen signifikanten Unterschied. Fünf Patientinnen der Ibuprofen-Gruppe entwickelten zudem eine Nierenbeckenentzündung. Bei den Frauen, die initial mit Fosfomycin behandelt wurden, trat diese Komplikation nur einmal auf. Insgesamt heilte bei zwei Dritteln der Probandinnen, die nicht antibiotisch behandelt wurden, der Harnwegsinfekt von selbst aus. 28 Prozent erhielten innerhalb von 28 Tagen wegen anhaltender oder schlimmer werdender Symptome ein Antibiotikum. Wurde sofort antibiotisch behandelt, war innerhalb von vier Wochen bei 14 Prozent der Probandinnen eine zweite Verordnung notwendig.

Der geringere Antibiotikaverbrauch wurde also mit stärkeren Beschwerden während der ersten Woche erkauft. Das deckt sich mit den Ergebnissen einer zuvor durchgeführten Pilotstudie. Die Rate der selbstlimitierenden Harnwegsinfekte liegt mit zwei Dritteln in der aktuellen Studie etwas höher als in früheren Untersuchungen.

Vorsichtige Empfehlung

Eine Schwäche der Studie besteht nach Ansicht der Autoren darin, dass nur Frauen mit leichten bis moderaten Symptomen eingeschlossen waren. Patientinnen mit schwererer Symptomatik waren vermutlich nicht bereit, unter Umständen auf eine Antibiose zu verzichten, und nahmen daher nicht teil. Die Forscher sehen darin einen möglichen Bias und interpretieren die Ergebnisse dementsprechend vorsichtig.

Eine generelle Empfehlung, Harnwegsinfekte immer initial nur mit Ibuprofen zu behandeln, möchten die Autoren nicht aussprechen. Bei leichten bis mittelschweren Symptomen kann diese Strategie oder zumindest eine spätere Antibiotikaverschreibung gemeinsam mit der Patientin aber erwogen werden, schrieben sie in ihrer Zusammenfassung. Zudem seien weitere Studien notwendig, um Patienten zu identifizieren, für die eine symptomatische Behandlung ihres Harnwegsinfekts ausreichend ist.

Ein Editorial zu der Studie misst mikrobiologischen Untersuchungen wie Urinkulturen eine große Bedeutung bei, um Patientinnen auszumachen, die tatsächlich von einer sofortigen Antibiotikagabe profitieren. Außerdem fordern die Kommentatoren weitere Studien zur verzögerten Antibiotikaverschreibung. Grundsätzlich könne der Ansatz, bei unkomplizierten Harnwegsinfekten nicht sofort Antibiotika zu verordnen, die Zahl der Antibiotikaverordnungen durchaus erheblich reduzieren.


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3 Kommentare

KEIN Ibuprofen gegen Blasenendzündung!

von Rebecca am 23.10.2019 um 13:57 Uhr

Als ich im Urlaub war, blieb mir nichts anderes übrig als Ibuprofen gegen meine Blasenentzündung zu nehmen. Das ganze wurde dann so schlimm dass irgendwann Blut mit dabei war und ich ins Krankenhaus gefahren bin. Da wurde mir gesagt dass man bei einer Blasenentzündung auf KEINEN FALL Ibuprofen nehmen soll, weil der Wirkstoff über die Niere abgebaut wird!! Hilft zwar erstmal gegen den Schmerz, aber reizt die Niere und die Harnwege noch mehr als sie es eh schon sind! Ich rate wirklich allen davon ab. Das waren die schlimmsten Schmerzen die ich je hatte.

Traurigerweise hat mir das hier in Deutschland NIE ein Arzt gesagt (hatte eine Zeit lang ziemlich regelmäßig Blasenentzündungen).
Das ganze war damals in Frankreich

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Blasenentzündung

von Wolfgang Otto0 am 21.08.2019 um 12:40 Uhr

Wieviel Tabletten 600 mg ibuprofen darf man einnehmen

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Antibiotika sparen mit Ibuprofen?

von Dr. Joerg Wilms am 15.01.2016 um 14:07 Uhr

Interessant ist, dass man zu der Tatsache, dass fünf Patientinnen der Ibuprofen-Gruppe eine Nierenbecken-Entzündung entwickelten, keine weitere Kommentierung liest. Da begibt man sich m.E. auf ausgesprochen dünnes Eis, auch aus Sicht der ärztlichen Verantwortung bzw. Haftung.
Und dass die Patientinnen mit stärkeren Beschwerden sich geweigert haben, an der Studie teilzunehmen, kann ich absolut nachvollziehen.
Was ist eigentlich das Ziel gewesen? Nur Reduzierung der Antibiotika-Verordnungen, oder auch Kosten sparen?

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