NRW-Landesregierung zur LAGE der Freien Berufe

Apotheker haben die Rote Laterne

Die Freien Berufe sind ein europäischer Wachstumsmarkt: Rund 1,3 Millionen Menschen sind allein in Deutschland als Freiberufler tätig. Auch in Nordrhein-Westfalen geht der Trend nach oben – mit einer einzigen Ausnahme.

Apotheker haben die Rote Laterne

In Deutschland wie in Europa wächst der Markt für freiberufliche Dienstleistungen. Allein in Deutschland sind knapp fünf Millionen Menschen in den Freien Berufen tätig – 1,3 Millionen als Selbstständige, die übrigen als ihre Beschäftigten. Die Freien Berufe sind ein zentraler Bestandteil des Mittelstandes in Deutschland. Dies konstatiert die CDU-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag zur Einleitung ihrer Großen Anfrage zu „Lage und Perspektiven der Freien Berufe in Nordrhein-Westfalen“.

Zugleich betont sie, dass die freien Berufe heute vor vielfältigen Herausforderungen stehen. So stelle der demografische Wandel zunehmend die flächendeckende Versorgung mit freiberuflichen Dienstleistungen im ländlichen Raum infrage. Zudem gerieten die Versorgungssysteme der Freien Berufe durch die aktuelle Rechtsprechung unter Druck. Zudem sieht die Europäische Kommission die konkrete Ausgestaltung des Systems in Deutschland mit Blick auf den EU-Binnenmarkt kritisch und verlangt Veränderungen. 

26 Prozent weniger Apotheker seit 1991

Die rot-grüne Landesregierung betont in ihrer Antwort einleitend, „dass sie die Bedeutung der Freiberufler für eine prosperierende Wirtschaft, aber auch für eine intakte und zukunftsfähige Gesellschaft ausdrücklich anerkennt“. Dann geht sie auf 35 Seiten auf die insgesamt 55 Fragen der Opposition ein. Erstaunlich: Auch wenn es zu Apotheken durchaus konkrete Fragen gibt – Stichwort Fachkräftemangel, PTA-Ausbildung – nehmen Apotheker kaum Raum in der Antwort ein.

Allerdings gibt es gleich zu Beginn, als es um die Entwicklung der Zahl der selbstständigen Freiberufler in NRW geht, eine ernüchternde Erkenntnis: Zwischen 1991 und 2015 hat sich diese zwar um rund die Hälfte erhöht – doch mit deutlichen Unterschieden bei den einzelnen Berufen. Just bei den Apothekern ist als einziger Gruppe ein Rückgang (- 26 Prozent) festzustellen, während bei den anderen Heilberufen ein zum Teil sehr starker Zuwachs stattfand (Ärzte: + 41 Prozent). Ebenso bei anderen selbstständigen Freiberuflern: Spitzenreiter sind jene in den freien Kulturberufen; ihre Anzahl hat sich mehr als verdreifacht. Zu berücksichtigen ist bei den Apotheker-Zahlen allerdings, dass seit 2004 das Mehrbesitzverbot aufgeweicht ist. So manche Apotheke wurde daraufhin zur Filiale und die Zahl der Apothekenleiter reduzierte sich. 

Unklare Einkommenssituation

Auf die Frage, wie die Landesregierung aktuell die wirtschaftliche Situation der Freien Berufe in NRW einschätzt, stechen die Apotheker ebenfalls heraus. Denn: Es werden Umsätze aufgeführt. Schon innerhalb der Freien Heilberufe wirken die Apotheken dabei als Ausreißer – gegenüber anderen Freiberufler umso mehr. Die Landesregierung verweist auf den Bericht der Bundesregierung zur Lage der Freien Berufe aus April 2013. Danach betrugen im Jahr 2010 die durchschnittlichen steuerbaren Umsätze pro steuerpflichtige Person bei einer Apotheke 2.107.000 Euro, einer zahnärztlichen Praxis 436.000 Euro, einer ärztlichen Praxis 305.000 Euro, einer Praxis von psychologischen Psychotherapeuten 135.000 Euro und einer Heilpraktikerpraxis 99.000 Euro. Doch es heißt richtig weiter: „Schlüsse auf Einkommensverhältnisse können daraus nicht gezogen werden“.

Tab. 1: Anzahl der selbstständigen Freiberufler in Nordrhein-Westfalen

Berufe 01.01.1991 01.01.2006 01.01.2015 Entwicklung 1991-2015
Ärztinnen und Ärzte       18.221         26.200         25.728   41,20%
Zahnärztinnen und Zahnärzte*         7.909         11.026         10.430   31,90%
Tierärztinnen und Tierärzte**         1.126           1.807           2.053   82,30%
Apothekerinnen und Apotheker         4.897           4.701           3.625   -26,00%
andere Freie Heilberufe***         9.900         18.000         37.800   281,80%
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte       13.257         24.000         27.850   110,10%
Patentanwältinnen und Patentanwälte            177              368              532   200,60%
Nur-Notarinnen und Nur-Notare            287              315              306   6,60%
Steuerberatende/-bevollmächtigte       12.100         14.075         15.941   31,70%
Wirtschaftsprüferinnen und -prüfer         1.224           1.813           1.824   49,00%
Vereidigte Buchprüferinnen und -prüfer            616           1.061              819   33,00%
andere wirtschaftsberatende Freie Berufe ***         7.700         18.000         32.900   327,30%
Architektinnen und Architekten         8.744         11.491         10.660   21,90%
Andere freiberuflich tätige Ingenieurinnen und Ingenieure***  Nicht erfasst        10.000         15.900    
beratende Ingenieurinnen und Ingeni- eure****         1.943           2.508           2.311   18,90%
Andere technische und naturwissenschaft- liche Freie Berufe***         4.900         10.000         18.600   279,60%
Freie Kulturberufe*****       15.000         29.300         66.900   346,00%
Summe     108.001       184.665       274.179   153,90%
Quelle: Institut für Freie Berufe, Nürnberg (Berufsorganisationen, ABDA, IT.NRW, Mikrozensus)
* Stand 31.12.2013
**Vorläufige Zahlen für 2006
***Geschätzt u.a. auf Grundlage des Mikrozensus verschiedener Jahrgänge
**** Ausgewiesene Pflichtmitglieder der Landeskammer NRW, Spalte 1991: Stand 1.1.1995
***** Geschätzt u.a. auf Grundlage des Mikrozensus und Angaben der KSK versch. Jahrgänge

Kein Wort zur PTA-Ausbildung

Ferner will die CDU-Fraktion wissen, wie die Landesregierung dem drohenden Fachkräftemangel in den Freien Berufen (insbesondere in den Bereichen Ärzteschaft, Apotheken und Ingenieurwesen) begegnen will. Darauf antwortet die Regierung zwar auf zweieinhalb Seiten, Ingenieure und Ärzte werden auch abgehandelt – nur die Apotheken werden gar nicht angesprochen.

Bei der Frage wie „die Landesregierung die Attraktivität von Ausbildungsberufen bei Freiberuflern (z.B. PTA) steigern“ will, geht diese auf das Problem der PTA-Ausbildung in NRW gar nicht ein. Das Land hat sich bekanntlich aus der  Finanzierung der PTA-Schulen herausgezogen – die Apothekerschaft musste eigene Lösungen finden. Die Landesregierung verweist allerdings noch darauf, dass die – bundesrechtlichen – Bestimmungen zur PTA-Ausbildung in fachlicher und struktureller Hinsicht einer Überarbeitung bedürften. Dazu stehe das Land im Dialog mit den Apothekerkammern und dem zuständigen Bundesministerium.  

Hohe Qualität deutscher freiberuflicher Dienstleistungen vor EU-Vorgaben schützen

Engagiert gibt sich die NRW-Landesregierung zudem bei der Frage, mit welchen Maßnahmen sie den Verbraucherschutz und die hohe Qualität der deutschen freiberuflichen Dienstleistungen im europäischen Binnenmarkt schützen will. Hier sei man zusammen mit Kammern und Verbänden sowohl auf Bundesrats- als auch auf europäischer Ebene aktiv. Mit ihrer Transparenzinitiative habe die Europäische Kommission sehr deutlich gemacht, dass sie die deutschen Berufszugangsregelungen als Binnen-Markthemmnisse ansehe, so die Landesregierung. Sie habe hierauf „unmittelbar reagiert und federführend dazu beigetragen, dass der Bundesrat gegenüber der Europäischen Kommission die Sicherung der bestehenden, bewährten Strukturen in Deutschland einfordert“.

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