Jahresbericht des Internationalen Suchtstoff-Kontrollrats

Kein „Krieg gegen Drogen“

Berlin - 02.03.2016, 16:20 Uhr

Kritik: Auch mit an sich legalen Drogen gibt es viele Probleme, Benzodiazepine etwa werden zu verschrieben. (Foto: djahan / Fotolia)

Kritik: Auch mit an sich legalen Drogen gibt es viele Probleme, Benzodiazepine etwa werden zu verschrieben. (Foto: djahan / Fotolia)


Drogen sind zweischneidig zu bewerten: Es gibt solche, die zu medizinischen Zwecken gewünscht sind, und dann die im illegalen Handel missbräuchlich verwendeten Substanzen. Der Internationale Suchstoffkontrollrat überwacht seit Jahrzehnten die Umsetzung der internationalen Drogenkontrollabkommen – jetzt wurde der Jahresbericht 2015 veröffentlicht.

Die drei internationalen Drogenkontrollabkommen der Vereinten Nationen bevollmächtigen nicht zu einem „Krieg gegen Drogen“. Dies ist eine zentrale Aussage des Jahresberichts 2015 des Internationalen Suchtkontrollrats (INCB), der am Mittwoch veröffentlich wurde.

Der Bericht erscheint im Vorfeld der Sondertagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Weltdrogenproblem (UNGASS) im April 2016. „Es ist nicht so, dass die Welt zwischen einer ‚militarisierten‘ Strafverfolgungspraxis bei Drogendelikten einerseits und der Legalisierung von Drogen zu nicht-medizinischen Zwecken andererseits entscheiden müsste“, erklärt INCB-Präsident Werner Sipp. Es gehe vielmehr darum, Gesundheit und Wohlergehen ins Zentrum der Drogenpolitik zu stellen. 

Um dieses Ziel zu erreichen, müsse man ausgewogen und human vorgehen, betont der Rat. Unter anderem will er Regierungen ermutigen, praktische und realistische Maßnahmen zu entwickeln, die dem Schutz der Öffentlichkeit vor den Gefahren durch neue psychoaktive Substanzen dienen. Denn diese tauchten im Laufe des letzten Jahres auch weiterhin in zunehmend großer Zahl auf. Bis Oktober 2015 hatten die UN-Mitgliedsstaaten 602 neue Substanzen gemeldet. Das entspricht einem 55-prozentigen Anstieg gegenüber dem Vorjahr mit 388 gemeldeten neuen Substanzen.

Zu viel Benzodiazepine

Im Blick hat der Rat auch legale Drogen wie Arzneimittel: Sorge bereitet ihm, dass allzu oft und unnötiger Weise Benzodiazepine verschrieben und verbraucht würden. Der Rat fordert die Regierungen daher auf, zu gewährleisten, dass bei der Verschreibung von Benzodiazepinen anerkannte medizinische Verfahren beachtet werden. Gesundheitspersonal, insbesondere in Pflegeheimen, aber auch Familienmitglieder und Betreue von älteren Menschen, müssten auf die Risiken des übermäßigen Gebrauchs von Benzodiazepinen aufmerksam gemacht werden.

Ungleich verteilte Schmerzmittel

Doch es herrscht nicht nur Überfluss. Der INCB weist auch darauf hin, dass Menschen in vielen Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen noch immer unzureichenden Zugang zu Schmerzmitteln (Opioid-Analgetika) haben – und das, obwohl sich der Konsum solcher Medikamente seit Beginn dieses Jahrhunderts weltweit mehr als verdoppelt hat. Regierungen hätten dem INCB allerdings berichtet, das Problem sei nicht eine ungenügende globale Versorgung, sondern eher Mangel an Ausbildung und Angst vor Abhängigkeit.

Missbrauch verschreibungspflichtiger Arzneimittel 

Nicht genug von Arzneimitteln bekommen hingegen offenbar die Nordamerikaner. Zusammen mit den Europäern fallen auf sie nicht nur fast 95 Prozent aller weltweit konsumierten Schmerzmedikamente. Bei ihnen ist auch der Missbrauch von verschreibungspflichtigen Medikamenten weit verbreitet. Dies, so der INBC, bleibe weiterhin die größte Herausforderung für die Drogenkontrollmaßnahmen in Nordamerika. In den Vereinigten Staaten sterben dem Rat zufolge mehr Menschen an einer Überdosis verschreibungspflichtiger Medikamente als an Überdosen von Heroin und Kokain. Die amerikanische Drug Enforcement Administration schätzt, dass allein die Kosten des Missbrauchs von verschreibungspflichtigen Medikamenten sich jährlich auf insgesamt mehr als 53 Milliarden US-Dollar belaufen. Schließlich verweist der Rat auf Kanada, wo Fentanyl-Produkte, die abgezweigt und illegal weiterverkauft werden, eine wachsende Bedrohung für die öffentliche Gesundheit darstellen.

Drogenbeauftragte sieht sich auf richtigem Kurs

Marlene Mortler, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, sieht die deutsche Drogenpolitik durch den Bericht der Vereinten Nationen bestätigt: „Der immer wieder zitierte ‚Krieg gegen Drogen‘ existiert in Deutschland nicht. Vielmehr stehen wir an der Spitze einer modernen Drogen- und Suchtpolitik. Wir setzen die international diskutierte Philosophie um, das Angebot illegaler Drogen auf der einen Seite zu verringern und auf der anderen Seite die Nutzung für medizinische Zwecke im Sinne der Patienten zu fördern“. So verweist Mortler darauf, dass bereits ein Gesetz auf den Weg gebracht ist, nach dem schwerkranke Patienten künftig auf Kassen-Kosten Cannabis als Medizin erhalten werden können. Auf der anderen Seite habe die Regierung hochgefährliche Neue Psychoaktive Stoffe konsequent verboten.

Weitere Informationen zum Bericht finden sie unter

www.drogenbeauftragte.de und www.incb.org.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Deutschland führt ein krieg gegen Drogen

von ralf blandowski am 02.03.2016 um 21:52 Uhr

Dieser Krieg wird mit strafrechtlicher Härte und Konsequenz ausgeführt. Die liebe Frau Mortler lügt wenn sie sagt es gebe keinen Krieg gegen Drogen. Menschen werden wegen geringen Mengen Cannabis strafrechtlich verfolgt, drastische Maßnahmen wie Hausdurchsungen oder Führerscheinentzug ohne Bezug zum Straßenverkehr sind ein Beweis wie Deutschland auch mit Konsumenten umgeht. Es ist ein Krieg mit dem Ziel den Drogenkonsum auszumerzen. Dieses Ziel ist nicht erreicht worden und wird auch in Zukunft nicht erreicht.

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