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Gesamtökonomische Studie
Der Traum von Deutschland ohne Hepatitis C
Hepatitis-C-Infektionen sind dank neuer Arzneimittel heute in mehr als 90 Prozent der Fälle heilbar. Experten haben jetzt die Idee, die Erkrankung gänzlich zu eliminieren. Mittels einer Screening-Strategie, die die Krankenkassen zunächst mehr kosten würde als bisher – langfristig jedoch ökonomisch und medizinisch überlegen sei. Die Leberhilfe Projekt gUG untermauert dies mit einer Studie.
Seit Sovaldi und kurz darauf weitere Arzneimittel zur interferonfreien Therapie der Hepatitis-C-Infektion auf dem Markt kamen, war die Erleichterung groß: Endlich gab es Arzneimittel, die die virusbedingte Leberentzündung heilen können. Und das mit einer nur zwölfwöchigen – oder mittlerweile noch kürzeren – Therapiedauer, einer einfach einzunehmenden Tablette und relativ nebenwirkungsarm. Eine echte Innovation.
Doch die Behandlung hat ihren Preis. Der sogenannte Sovaldi-Effekt führte dazu, dass fast alle Kassenseit längerem fordern, dass der nach der frühen Nutzenbewertung ausgehandelte Erstattungsbetrag nicht erst ein Jahr nach Markteinführung wirksam werden dürfte.Diese müsse rückwirkend ab dem ersten Tag gelten.
Eine Krankheit mit langem Vorlauf
Ungeachtet des Preises für die Arzneimittel: Die Leberhilfe Projekt gUG wünscht sich, das noch viel mehr Menschen von den innovativen Arzneimitteln profitieren. Mittelfristig könnte so erreicht werden, dass die Erkrankung gar nicht mehr auftritt – und damit auch keine Kosten mehr verursacht. Doch das geht nur, wenn die Infektion nicht erst erkannt wird, wenn die Leber von einer irreversiblen Zirrhose oder gar Krebs befallen ist. Das besondere an der Hepatitic-C-Virusinfektion (HCV) ist , dass sie lange Zeit unspektakulär verläuft. Bis sie wirklich chronisch wird, können 20 bis 30 Jahre vergehen – und dann ist es oft schon zu spät. Je weiter die Erkrankung fortgeschritten ist, desto teuer wird es für Krankenkassen, Renten- und Pflegeversicherung, aber auch Arbeitgeber und die Privathaushalte.
Viele Infizierte bleiben ohne Diagnose
Rund 250.000 Menschen sind laut Leberhilfe Projekt mit dem Virus infiziert, 1.300 sterben an den Folgen der Infektion. Weltweit sind es nach WHO-Daten etwa 130 bis 150 Millionen Infizierte und bis zu 500.000 Tote. Doch lange nicht alle infizierten Personen wissen, dass sie Virusträger sind – die Rede ist von rund 60 Prozent, die tatsächlich diagnostiziert sind. Doch wer von seiner Infektion nichts weiß, kann andere leicht anstecken. Kleinste Mengen Blut reichen, um das Virus zu übertragen. Diese Menschen will die Leberhilfe mithilfe einer Screenig-Strategie ausfindig machen, behandeln und damit die Infektionskrankheit ganz verschwinden lassen.
Ein Report mit Unterstützung von Gilead
Dass sich dies am Ende rechnet, will die Leberhilfe mit dem „Eco-Hep-Report“ (*.pdf) – einer gesamtökonomischen Betrachtung – belegen. Dabei wird nicht verschwiegen: Die Erstellung des Reports „erfolgte mit freundlicher Unterstützung von Gilead Sciences GmbH“, dem Hersteller von Sovaldi und dem Kombi-Nachfolger Harvoni. Die Autoren rechnen zwei Szenarien durch stellen sie gegenüber: Es geht um die Kosten, die durch die Virusinfektion insgesamt bis 2040 entstehen – einmal im Base Case, in dem der Status Quo beibehalten wird, und einmal im „Eliminationsszenario“, in dem ein gezieltes Screening bei Risikogruppen durchgeführt wird und die Zahl der Therapien auf heutigem Niveau beibehalten werden kann.
In beiden Szenarien sinkt die Zahl der Infizierten und der Kosten im Laufe der Zeit deutlich. Im Status- quo-Szenario allerdings stabilisiert sich die Zahl der Infizierten und der Kosten auf einem „unnötig hohen Niveau“. Im Szenario mit Eliminationsstrategie hingegen fallen – nach einer Übergangsphase bis 2025 – die Zahlen der HCV-Infizierten und mit ihnen die Kosten rapide bis nahezu auf null ab. Zunächst (bis 2024) liegen die Kosten der Eliminationsvariante allerdings höher – wegen der nötigen Screening-Maßnahmen. Dabei schlagen die Studienautoren kein Massen- sondern ein zielgruppenspezifisches Screening vor, das allerdings auch recht weit reicht. Der einfache Antikörperbluttest – der laut Leberhilfe lediglich 6 Cent kostet – sollte bei medizinischem Personal, Schwangeren, Drogenkonsumenten, HIV-Infizierten, Migranten und im Rahmen des Vorsorgeprogramms Check-up 35+ durchgeführt werden. Ist er auffällig, käme ein teurer Test (rund 120 Euro) zum direkten Virusnachweis zum Einsatz.
Gesundheitsministerium erarbeitet Hepatitis-Strategie
Für Babette Herder und Achim Kautz – die beiden Köpfe hinter der Leberhilfe Projekt gUG ist klar: Die Elimination der Hepatitis C ist nicht nur möglich, sondern auch humanitär geboten und ökonomisch sinnvoll. Ob sie mit ihrer Idee ankommen, bleibt offen. Der GKV-Spitzenverband wollte sich gegenüber DAZ.online nicht äußern, weil dort die Studie nicht bekannt sei. Das Bundesgesundheitsministerium verweist darauf, dass es derzeit eine Strategie zur Eindämmung von „HIV, Hepatitis B und C und anderen sexuelle übertragbaren Infektionen“ erarbeitet. Hier sei die Prävention von Hepatitis B und Hepatitis C „ein ganz wichtiges Thema“.
Deutsche Leberhilfestiftung plädiert ebenfalls für Screening
Auch von unabhängiger Seite gibt es Unterstützung für die Idee des Leberhilfe Projekts: Professor Michael Manns, Direktor der Klinik für Gastroenterologie; Hepatologie und Endokrinologie in Hannover meint generell, dass Screening-Programme sinnvoll, ja erforderlich sind, um die Hepatitis-C-Infektionen und vor allem die Hepatitis C bedingten Erkrankungen zurückzudrängen. Denn eine Schutzimpfung gegen Hepatitis C werde auf absehbare Zeit nicht verfügbar sein. „Wir müssen alle Hepatitis C bedingten Erkrankungen behandeln und durch Behandlung der Risikogruppen die weitere Verbreitung des Virus zu verhindern oder zumindest zu reduzieren“, sagt Manns. Dadurch werden sich längerfristig auch die Kosten reduzieren lassen. Und so tritt auch die von Professor Manns als Vorstandsvorsitzender geleitete Deutsche Leberstiftung für eine Aufnahme des ALT Transaminasen-Screenings in die Check-up 35-Untersuchungen ein.
Zur Kostensenkung gebe es übrigens noch andere Ansätze, berichtet Manns. In Portugal hat Gilead mit den Kostenträgern, dort direkt mit der Regierung, einen Deal ausgehandelt, wonach – je mehr Menschen mit dem Arzneimittel behandelt werden – der Preis der „Superpille“ kontinuierlich sinkt. Dadurch steige auch unter den Ärzten dort die Bereitschaft, Sovaldi zu verschreiben. Der Staat wirbt sogar für die HCV-Therapie und versucht alle Patienten in Portugal zu behandeln und so diese Virusinfektion im Land auszurotten. In Deutschland sei dies noch nicht der Fall, sagt Manns. „1,4 Milliarden Euro waren im vergangenen Jahr durch die Kostenträger für die HCV-Therapie vorgesehen worden; diese Summe wurde nicht ausgeschöpft“. Die Ärzte, vor allem die niedergelassenen Ärzte, scheuen sich bisher, das teure Arzneimittel zu verschreiben.“
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