EMA startet Review

Mehr Zehen-Amputationen unter Canagliflozin?

Stuttgart - 15.04.2016, 17:45 Uhr

Fußpflege ist für Diabetiker essenziell. (Foto: Kadmy / Fotolia)

Fußpflege ist für Diabetiker essenziell. (Foto: Kadmy / Fotolia)


Müssen bei Diabetikern, die den SGLT2-Inhibitor Canagliflozin einnehmen, häufiger Gliedmaßen amputiert werden? In einer Studie war ein Anstieg dieser Eingriffe beobachtet worden. Der Pharmakovigilanzausschuss der EMA (PRAC) wird dem jetzt nachgehen.

Der sogenannte diabetische Fuß ist eine gefürchtete Folge des Diabetes mellitus. Die schlecht heilenden chronischen Wunden sind die häufigste Ursache für nicht-unfallbedingte Amputationen. Besonders gefährdet sind schlecht eingestellte Diabetiker mit bereits bestehenden Gefäßproblemen.

Möglicherweise könnte aber auch der SGLT2-Inhibitor Canagliflozin, der in Deutschland nicht mehr vertrieben wird, einen Einfluss haben. So wurde in der Langzeitstudie CANVAS ein Anstieg der Amputationen, vor allem von Zehen, beobachtet. Ein Kausalzusammenhang ist aber bislang nicht belegt. Der PRAC hat angekündigt, dies zu prüfen. Das hat das Gremium am Freitag bekannt gegeben.

CANVAS-Studie zeigt Anstieg

Im Laufe der CANVAS-Studie, einer Studie mit 4.300 Patienten, die seit 4,5 Jahren läuft, kam es sowohl in der Canagliflozin- als auch in der Placebo-Gruppe zu Amputationen. Nach aktuellem Stand waren es sieben je 1000 Patientenjahre unter 100 mg Canagliflozin am Tag, fünf je 1000 Patientenjahre unter 300 mg. Unter Placebo waren es nur drei je 1000 Patientenjahre. Ein Patientenjahr entspricht einem Patienten, der ein Jahr lang behandelt wird.

In einer Studie mit ähnlicher Population, CANVAS-R, wo die Patienten allerdings im Schnitt erst seit einem Dreivierteljahr beobachtet wurden, gab es auch mehr Amputationen unter Canagliflozin im Vergleich zu Placebo (sieben vs. fünf je 1000 Patientenjahre). Dieser Unterschied war aber statistisch nicht signifikant. In zwölf bereits abgeschlossenen Studien mit Canagliflozin war nichts in dieser Richtung aufgefallen.

Der PRAC hat nun weitere Daten vom Hersteller angefordert, um herauszufinden, ob unter Canagliflozin tatsächlich häufiger die unteren Gliedmaßen amputiert werden müssen und daher möglicherweise die derzeitige Anwendungspraxis zu ändern ist.

Auch Daten zu den anderen SGLT2-Inhibitoren Empagliflozin (Jardiance®) und Dapagliflozin (Forxiga®) sollen im Rahmen des Review-Verfahrens gesichtet werden. Je nach Ergebnis, könnte die Untersuchung auf die anderen Wirkstoffe ausgeweitet werden. 

Fußpflege ist essenziell

Solange die Neubewertung läuft und bis Erkenntnisse vorliegen, sollen Ärzte in einem Schreiben nochmal auf die Wichtigkeit der Fußpflege bei Diabetikern hingewiesen werden. Treten dennoch Wunden auf, sollen sie diese sofort behandeln, um Entzündungen und Ulzerationen zu verhindern. Patienten mit einem besonders hohen Risiko für eine Amputation, beispielsweise weil bei ihnen bereits Amputationen vorgenommen wurden, sollten besonders gut überwacht werden. Vorsichtshalber kann auch in Betracht gezogen werden, die Behandlung mit Canagliflozin abzubrechen, wenn ernsthafte Fußprobleme auftreten.

Die EMA weist in ihrer Pressemeldung auch darauf hin, dass die Therapie keinesfalls eigenmächtig abgesetzt werden sollte. Patienten, die Fragen haben, sollten mit ihrem Arzt oder Apotheker sprechen.

In Deutschland wird Canaglifozin (Invokana®) nicht mehr vertrieben, da dem Wirkstoff vom Gemeinsamen Bundesausschuss im Rahmen der frühen Nutzenbewertung kein Zusatznutzen zugesprochen wurde und der Hersteller nicht in Preisverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband eintreten wollte.

Nicht zum ersten Mal auf dem Prüfstand

Das ist nicht das erste Mal, dass SGLT2-Inhibitoren von der EMA unter die Lupe genommen werden. Erst im Februar war ein Risikobewertungsverfahren abgeschlossen wurden. Damals war der PRAC zu dem Schluss gekommen, dass die Vorteile einer Behandlung mit SGLT2-Inhibitoren für Typ-2-Diabetiker größer sind als das Risiko einer Ketoazidose.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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1 Kommentar

Bezahlung

von Reinhard Rodiger am 15.04.2016 um 23:39 Uhr

Solange die Frage ungeklärt ist, ob mehr Amputationen auf bessere Bezahlung zurückzuführen sind, bleiben die entscheidenden Fragen offen.

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