Antibiotika im Säuglingsalter

Schädlich für die Mikrobiom-Entwicklung?

17.06.2016, 09:00 Uhr

Das Mikrobiom bezeichnet die Gesamtheit aller den Menschen besiedelnden Mikroorganismen. Hier zu sehen: Bakterien der Haut. (Foto: Dr_Kateryna / Fotolia)

Das Mikrobiom bezeichnet die Gesamtheit aller den Menschen besiedelnden Mikroorganismen. Hier zu sehen: Bakterien der Haut. (Foto: Dr_Kateryna / Fotolia)


Die Darmflora spielt eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr. Doch wie verläuft ihre frühe Entwicklung und welche Störungen sind dabei möglich? Zwei Arbeitsgruppen haben Ergebnisse ihrer Untersuchungen zum Einfluss von Antibiotika, Geburtsmethode, Ernährungsweise des Säuglings und weiteren Faktoren veröffentlicht.

Die Arbeitsgruppe um Moran Yassour am Broad Institute of Harvard and MIT in Cambridge, Massachusettes, untersuchte Stuhlproben von 39 Kindern, von denen etwa die Hälfte in den ersten drei Lebensjahren mehrfach Antibiotikabehandlungen erhalten hatten. 

Das Mikrobiom der meisten vaginal geborenen Babys war durch Bacteroides-Stämme dominiert. Diese Bakterien spielen eine wichtige Rolle bei der Regulation der intestinalen Immunität. Bei allen vier per Kaiserschnitt entbundenen Kindern sowie – überraschenderweise – bei 20 Prozent der Spontangeburten kamen diese Stämme in den ersten sechs bis 18 Lebensmonaten nicht vor. Dies zeige, so die Wissenschaftler, dass die Geburtsmethode – neben anderen Faktoren – die bakterielle Besiedlung beeinflusst.

Frühe Kindheit kritisch für Mikrobiomentwicklung

Nach monatlich durchgeführten Genanalysen der Stuhlproben zeigte sich, dass die Darmflora der Babys, die Antibiotika erhalten hatten, eine geringere Diversität aufwies und instabiler war. Direkt nach einer Antibiotikagabe erhöhte sich zudem die Menge der Resistenzgene kurzzeitig. Danach fiel sie in den meisten Fällen rasch wieder ab. Bemerkenswert fanden die Forscher, dass in den Stuhlproben einiger zwei Monate alter Säuglinge, die noch nie ein Antibiotikum erhalten hatten, bakterielle Resistenzgene nachweisbar waren.  

In einer weiteren Studie untersuchte das Team um Nicholas Bokulich vom Department of Medicine des University Langone Medical Center in New York Stuhlproben von 43 US-amerikanischen Kindern in den ersten beiden Lebensjahren sowie ihrer Mütter vor und nach der Geburt. Sie fanden ebenfalls heraus, dass Antibiotikagaben und Kaiserschnittentbindung die Mikrobiom-Entwicklung verzögern und dessen Diversität reduzieren können.

Ein weiterer Einflussfaktor auf die Entwicklung der kindlichen Darmflora könnte das Mikrobiom der Mutter darstellen. Denn bekanntlich werden während einer spontanen Geburt Bakterien von der Mutter auf das Kind übertragen. Außerdem haben die Art der Säuglingsernährung sowie der Umfang des Hautkontakts Einfluss auf die Besiedlung des Darms in den ersten Lebensmonaten.

In Amerika erhalten Kinder bis zum zweiten Lebensjahr durchschnittlich drei Antibiotika-Behandlungen. Auch aus diesem Grund halten Wissenschaftler weitere Anstrengungen zur Erforschung der Langzeitfolgen für notwendig. Denn Störungen im gesunden Gleichgewicht der Darmflora werden heute auch für die Entwicklung von Adipositas, Diabetes, Asthma und Allergien verantwortlich gemacht.


Dr. Claudia Bruhn, Apothekerin / Autorin DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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