Die Evidenz-Sprechstunde 

Schadet Früherkennung mehr als sie nützt?

Halle (Saale) - 05.07.2016, 14:30 Uhr

Nützen Früherkennungsuntersuchungen nur der Apotheke bzw. dem Labor oder auch dem Patienten? (Foto: science photo / Fotolia)

Nützen Früherkennungsuntersuchungen nur der Apotheke bzw. dem Labor oder auch dem Patienten? (Foto: science photo / Fotolia)


Früh erkannt ist früh gebannt – das hört sich logisch an und ist ein beliebtes Argument für Früherkennungsuntersuchungen. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass nicht jeder Test tatsächlich auch Nutzen für den Patienten bringt.

Die „präventive Medizin“ liegt im Trend und macht auch vor den Apotheken nicht halt. Beratung zur Krebsfrüherkennung, Blutuntersuchungen, Diagnostika zum Selbsttest und Screening-Aktionen auf Diabetes oder Osteoporose haben längst Einzug in die Offizin gehalten und richten sich an Menschen, die bisher keine Beschwerden haben. Damit will sich die Apotheke nicht nur als Anlaufstelle für Kranke, sondern auch für Gesunde etablieren. Befürworter von Früherkennungsuntersuchungen haben dabei ein scheinbar unschlagbares Argument auf ihrer Seite: Wenn etwas mit dem Kunden nicht stimmt, sollte er es doch möglichst früh wissen, damit die Krankheit rechtzeitig behandelt werden kann. 

Das hört sich erst einmal nachvollziehbar an. Kritische Apotheker sollten jedoch bedenken, dass diese Überlegungen auf mehreren Annahmen beruhen:

  • Der angebotene Test oder die Untersuchung kann die Krankheit oder Risikofaktoren dafür tatsächlich sicher erkennen.
  • Der Risikofaktor sagt die Entstehung der Erkrankung und den Verlauf sicher voraus.
  • Es gibt eine wirksame Behandlung für die Erkrankung.
  • Die Behandlung nützt in einem frühen Stadium mehr als in späteren Stadien.
  • Der Test und die möglicherweise anschließende Behandlung nützen dem Patienten mehr als dass sie ihm schaden.

Diese Annahmen sind im konkreten Fall keineswegs immer erfüllt. Das zeigt etwa das Beispiel Früherkennung von Krebserkrankungen: Krebserkrankungen sind sehr heterogen, auch wenn sie das gleiche Gewebe befallen. So gibt es Arten von Brustkrebs, die sehr langsam wachsen, und andere, die trotz Behandlung sehr schnell metastasieren. Schreitet die Erkrankung rapide fort, würde auch eine frühe Behandlung die Lebenszeit der Patientin nicht zwangsläufig verlängern – nur die Zeit, die sie mit der Diagnose leben muss.   



Iris Hinneburg, freie Medizinjournalistin und Pharmazeutin
redaktion@daz.online


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