Bild-Zeitung zum Innovationsreport der TK

„Deutsche nehmen zu viele Mittel gegen Cholesterin“ 

Stuttgart - 09.09.2016, 11:00 Uhr

Mehr Fisch, weniger Pillen: Die Ernährungsumstellung steht vor einer lipidsenkenden Therapie. Sind die Deutschen hierzu zu bequem? (Foto: alex9500 / Fotolia)

Mehr Fisch, weniger Pillen: Die Ernährungsumstellung steht vor einer lipidsenkenden Therapie. Sind die Deutschen hierzu zu bequem? (Foto: alex9500 / Fotolia)


... titelt die Bildzeitung am Donnerstag und bezieht sich auf den Innovationsbericht der Techniker Krankenkasse. Arzneimittel-Experte Gerd Glaeske stützt diese These – zumindest auf den ersten Blick. Was ist dran an den Zahlen?

Die Bild-Zeitung ist bekannt für reißerische Schlagzeilen: „Mehr als die Hälfte der Blutfett-Senker werden zu Unrecht verordnet“, steht am Donnerstag auf der Titelseite – und natürlich trifft die Bild damit bei vielen Patienten einen empfindlichen Nerv: Wer nimmt schon gerne Arzneimittel ein – und jetzt womöglich noch unnötigerweise?

Die Bild-Zeitung bezieht sich mit ihren Daten auf den Innovationsreport 2016 der Techniker Krankenkasse (TK), der am Mittwoch vorgestellt wurde. Dabei greift sie sich beim Thema der Überversorgung mit Arzneimitteln selektiv die Cholesterinsenker heraus. Nicht ohne Grund: Lipid-senkende Arzneimittel zählen seit Jahren zu den Blockbustern. Die Chance, bei diesem Thema eine potenziell große Zielgruppe und Leserschaft anzusprechen, ist somit durchaus hoch.

Die Schlagzeilen: Heiße Luft oder heiße Daten?

Doch: Wie kommt die Bild nun zu ihrer Hypothese, Lipidsenker seien überwiegend zu Unrecht verordnet? Stimmt sie am Ende? Das wäre durchaus alarmierend.

Der Innovationsreport bringt Klarheit in die Zahlen.So geht man in Deutschland derzeit von 1,7 Millionen Menschen aus, die bereits einen Herzinfarkt erlitten haben und – als Sekundärprophylaxe – dauerhaft ein Statin einnehmen sollten. Statine sind neben Betablockern und Acetylsalicylsäure leitlinienkonforme Standardtherapie bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK). Betrachte man nun allerdings die verordnete Menge der Statine als DDD (Daily Drug Dose), so reiche diese für die Versorgung von rund fünf Millionen Patienten, ist im aktuellen Report der TK zu lesen.

Daraus zieht die Bild-Zeitung ihre wohl mit Vorsicht zu genießenden Schlüsse: Die restlichen Patienten, über drei Millionen, hätten offensichtlich keine Indikation für die Therapie mit Statinen und würden zu Unrecht damit therapiert. Das ginge zulasten der Beitragszahler und berge zudem die Gefahr von Nebenwirkungen. Dass es neben überlebtem Myokardinfarkt weitere therapeutische Daseinsberechtigungen für Statine gibt, lässt die Bild-Zeitung – bewusst oder einfach unwissend – unerwähnt. So werden Statine auch im Rahmen einer Primärprävention bei Patienten eingesetzt, deren Risiko hoch ist, einmal ein kardiovaskuläres Ereignis zu entwickeln. Diese Patienten hatten noch keinen Herzinfarkt, dieser soll aber nach Möglichkeit verhindert werden.

Pharmakologische Unterstützung sieht die Bild-Zeitung in der Aussage von Gerd Glaeske, Arzneimittel-Experte und Mitautor des Innovationsreports der TK:


Blutfettsenker sind wichtig, taugen aber nicht dazu, Ernährungsfehler auszugleichen.

 Prof. Gerd Glaeske




Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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