Nutzenbewertung IQWiG

Saxagliptin fällt durch – AstraZeneca übt Kritik

Stuttgart - 05.10.2016, 14:55 Uhr

Nutzenbewertung: IQWiG und pharmazeutische Unternehmer haben oft unterschiedliche Maßstäbe beim Zusatznutzen des Patienten. (Foto: IQWiG)

Nutzenbewertung: IQWiG und pharmazeutische Unternehmer haben oft unterschiedliche Maßstäbe beim Zusatznutzen des Patienten. (Foto: IQWiG)


Das IQWiG hat über den Zusatznutzen der oralen Antidiabetika Sitagliptin und Saxagliptin entschieden. Nur einmal überzeugt Sitagliptin im Sinne eines positiven Zusatznutzens. Saxagliptin wird der Zusatznutzen abgesprochen: Die eingereichten Daten seien ungeeigent für eine Nutzenbewertung – urteilt das IQWiG. AstraZeneca kritisiert die Bewertungsmethodik.

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bescheinigt dem oralen Antidiabetikum Sitagliptin nur in einem Fall einen Zusatznutzen: Sitagliptin überzeugte das IQWiG lediglich in der Kombination mit Metformin. Als Vergleichstherapie hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Kombination von Metformin mit den Sulfonylharnstoffen Glibenclamid oder Glimepirid festgelegt.

Sitagliptin ist in Deutschland unter den Handelsnamen Januvia® und Xelevia® (Berlin-Chemie) im Arzneimittelmarkt. Fixkombinationen von Sitagliptin plus Metformin stehen Patienten mit Janumet® (MSD) und Velmetia® (Berlin-Chemie)  zur Verfügung. 

Mit Metformin: Sitagliptin verursacht weniger Hypoglykämien als Sulfonylharnstoffe

So kam es unter der antidiabetischen Kombinationstherapie Sitagliptin plus Metformin zu weniger symptomatischen Hypoglykämien als unter der zweckmäßigen Vergleichstherapie Glimepirid plus Metformin. Der Zusatznutzen hinsichtlich dieser Nebenwirkung sei allerdings nicht quantifizierbar, heißt es beim IQWiG.

In den Augen des IQWiG konnte für Sitagliptin weder in der Monotherapie noch in den Zweierkombinationen mit Sulfonylharnstoffen oder Insulin und den Dreierkombinationen mit Metformin und Sulfonylharnstoffen beziehungsweise Metformin und Insulin ein Vorteil gegenüber der Vergleichstherapie gezeigt werden. 

Pharmazeutische Unternehmer reichen ungeeignete Daten ein

Das IQWiG begründet sein Urteil mit Mängeln bei den eingereichten Daten seitens der pharmazeutischen Unternehmer: Diese eigneten sich nicht dazu, die offenen Fragestellungen zu beantworten. Beispielsweise ist die Voraussetzung für eine Monotherapie mit Sitagliptin eine Kontraindikation oder Unverträglichkeit für Metformin beim diabetischen Patienten. So steht es auch in den Zulassungsunterlagen. Die zur Nutzenbewertung eingereichte Studie (P251) berücksichtigte laut Aussage des IQWiG eben diese elementare Bedingung nicht. Somit sei eine Nutzenbewertung von Sitagliptin allein verglichen mit der zweckmäßigen Monotherapie unter Sulfonylharnstoffen auch nicht möglich.

Saxagliptin: Kein Zusatznutzen!

Noch vehementer fiel die Einschätzung bei Saxagliptin aus: Kein Zusatznutzen – weder für eine Monotherapie unter Saxagliptin noch unter der Kombination Saxagliptin plus Metformin.

Das IQWiG bemängelte auch hier die eingereichten Daten des pharmazeutischen Unternehmers AstraZeneca: Da es sich um die gleichen Daten wie bei der ersten Nutzenbewertung im Jahre 2013 handelte, habe man diese Daten nicht erneut geprüft, heißt es beim IQWiG. Eine weitere, von AstraZeneca eingereichte Studie, SAVOR-TIMI 53, wurde ebenfalls bei der Nutzenbewertung nicht berücksichtigt. Diese untersuchte kardiovaskuläre Ereignisse unter Sixagliptin versus Placebo und unter Sixagliptin versus der Vergleichstherapie. Da die eingeschlossenen Patienten allerdings unterschiedliche Vorbehandlungen erhalten hatten, eignete sich die SAVOR-TIMI 53-Studie ebenfalls nicht, um eine Einschätzung zum Nutzen der Saxagliptin-Therapie zu treffen, argumentierte das IQWiG.

AstraZeneca kritisiert Bewertungsverfahren des IQWiG

Bei AstraZeneca hat man für dieses Vorgehen und ein Versagen des Zusatznutzens aus „formal-methodischen Gründen“ wenig Verständnis: „Die Entscheidung des IQWiG zeigt erneut, dass die Methodik des Instituts eigenen Regeln folgt und nicht mit den Kriterien von internationalen Arzneimittelbehörden kompatibel ist. Zudem werden durch die Bewertungsmethodik chronische Erkrankungen benachteiligt“, nimmt Dr. Julia Büchner, Vice President Pricing and Market Access bei AstraZeneca Deutschland, Stellung zum IQWiG-Bescheid.

Man hoffe nun auf einen abschließenden positiven Beschluss vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Dieser hatte bereits 2013 Saxagliptin und der Kombination Saxagliptin plus Metformin einen Zusatznutzen bescheinigt. Dieser Bescheid war allerdings bis Juli 2016 befristet gewesen. 

AstraZeneca vermarktet Saxagliptin als das Fertigarzneimittel Onglyza®, die Metformin-Kombination lanciert der pharmazeutische Unternehmer unter dem Handelsnamen Komboglyze®.

G-BA, IQWiG und Zusatznutzen

Seit Inkrafttreten des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) zum 1. Januar 2011 durchläuft jedes Arzneimittel nach Zulassung eine frühe Nutzenbewertung durch den G-BA. Der G-BA kann das IQWiG beauftragen, die Dossierbewertung der zur Beurteilung des Zusatznutzens eingereichten Unterlagen zu übernehmen.

Nach erfolgter Dossierbewertung leitet der G-BA ein dreimonatiges Stellungnahmeverfahren ein. Im Anschluss daran fasst er einen abschließenden Beschluss – in diesem Fall über den Zusatznutzen der antidiabetischen Therapien mit Sitagliptin und Saxagliptin. Der Beschluss tritt mit Wirkung vom Tag seiner Veröffentlichung im Internet auf den Internetseiten des Gemeinsamen Bundesausschusses in Kraft.

Antidiabetische Therapie mit Gliptinen

Sitagliptin und Saxagliptin sind zur Therapie des Diabetes mellitus zugelassen. Die Arzneimittel kommen in Monotherapie dann zum Einsatz, wenn diätetische Maßnahmen und Bewegung nicht zur Blutglucose-Regulierung ausreichen und eine Kontraindikation oder Unverträglichkeit für Metformin vorliegt. 

Sowohl Sitagliptin als auch Saxagliptin können bei unzureichender Blutglucose-Kontrolle mit Metformin, einem Sulfonylharnstoff oder mit Insulin kombiniert werden. Eine Eskalation der diabetischen Therapie sieht eine Dreierkombination vor. Sie beinhaltet zusätzlich Metformin und einen Sulfonylharnstoff beziehungsweise Metformin und Insulin.


Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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