Vorbeugung von Harnwegsinfekten

Cranberries nicht besser als Placebo

08.11.2016, 11:00 Uhr

Auch in der Apotheke sind zahlreiche Cranberry-Präparate zu haben. (Fotolia: Tim UR / Fotolia)

Auch in der Apotheke sind zahlreiche Cranberry-Präparate zu haben. (Fotolia: Tim UR / Fotolia)


Ein Harnwegsinfekt ist die am häufigsten diagnostizierte Infektion bei Pflegeheim-Bewohnern. Bei Frauen tritt sie öfter auf als bei Männern. Ob Cranberries in dem Fall vorbeugend wirken könnten, wollten Forscher von der Yale School of Medicine in New Haven wissen. Sie testeten das pflanzliche Mittel bei Seniorinnen, die im Pflegeheim wohnten.

Harnwegsinfektionen neigen zu Rezidiven. Um nicht wiederholt Antibiotika geben zu müssen, wird bei Prävention und Behandlung gern auch zu alternativen Wirkstoffen gegriffen. Als mögliche Therapie-Option gelten Cranberries. Die herb-säuerlichen Beeren enthalten Stoffe, die die Adhäsion der E.coli-Bakterien an das Epithel der unteren Harnwege behindern. Man war lange der Meinung, dass oligomere Proanthocyanidine für diese Wirkung verantwortlich sind. Neuere Untersuchungen lassen Zweifel an diesen Aussagen zu, da deren orale Bioverfügbarkeit sehr gering ist. Einigen Berichten nach soll Cranberry-Saft insbesondere bei jüngeren Frauen wirksam sein.

Mehr zum Wirkmechanismus lesen Sie hier:

Cranberry-Früchte gegen Blasenentzündung:  Verhinderung der Adhäsion von E. coli an das Epithel der unteren Harnwege

Ein Team um Dr. Manisha Juthani-Mehta untersuchte 185 Pflegeheim-Bewohnerinnen, die im Durchschnitt 86 Jahre alt waren. Bei 31 Prozent wurden zu Beginn der Studie Bakteriurie und Pyurie diagnostiziert. Bei der symptomfrei auftretenden Bakteriurie finden sich Bakterien im Urin. Bei 90 Prozent der Bakteriurie-Fälle sind im Urin auch Leukozyten vorhanden (Pyurie). Ihre Studie wurde im Fachmagazin JAMA veröffentlicht.

Kein signifikanter Unterschied

Eine Gruppe nahm nun täglich zwei Cranberry-Kapseln ein, die insgesamt 72 mg des Wirkstoffs Proanthocyanidin enthielten (das entspricht knapp 600 ml Cranberry-Saft), die andere nahm einmal am Tag zwei Placebo-Kapseln ein. Die Adhärenz betrug im Durchschnitt 80 Prozent.

Am Studien-Ende ein Jahr später waren noch 147 Frauen dabei. Nach Bereinigung der Daten zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Der Anteil der Patientinnen, die an Bakteriurie und Pyurie litt, betrug mit und ohne Cranberry-Extrakt 29 Prozent. Es gab auch keine signifikanten Unterschiede in der Anzahl der symptomatischen Harnwegsinfekte (10/12), der Todesrate (17/16), der Anzahl von Krankenhauseinweisungen und dem Einsatz von Antibiotika wegen eines Harnwegsinfektes oder einer anderen Erkrankung.

„Es fehlt jegliche Evidenz"

Cranberries zur Prävention von Harnwegsinfektionen haben bei weiblichen Pflegeheimbewohnern keinen Nutzen, so das Fazit der Autoren. In einem begleitenden Editorial geht Dr. Lindsay E. Nicolle von der University of Manitoba in Winnipeg noch härter mit dem Nahrungsergänzungsmittel ins Gericht. Dem Einsatz von Cranberries als Saft oder Kapseln zur Vorbeugung einer Bakteriurie fehle jegliche Evidenz. In hochwertigen Studien hätten sie versagt, Studien, die ihnen einen Nutzen bescheinigten, seien durch methodische Mängel kompromittiert.

Die häufigen Rezidive bei Harnwegsinfekten  – besonders etwa auch bei den unangenehmen Blasenentzündungen - stellten ein ernst zu nehmendes Problem dar. Da der Einsatz von Antibiotika angesichts zunehmender Resistenzen begrenzt werden sollte, müssten im Rahmen klinischer Studien nun neue, nicht-antimikrobielle Wirkstoffe gesucht werden. „Es ist Zeit, sich von den Cranberries zu verabschieden“, schloss Dr. Nicolle.


Barbara Bückmann, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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