Fehlende Wirksamkeits-Belege

Ethiker fordern strengere Kontrollen bei Phase-I-Studien

Stuttgart - 31.01.2017, 09:15 Uhr

Der Test neuer Arzneimittel kann mit erheblichen Gefahren für die Probanden einhergehen. (Foto: Birgit Korber / Fotolia)

Der Test neuer Arzneimittel kann mit erheblichen Gefahren für die Probanden einhergehen. (Foto: Birgit Korber / Fotolia)


Wie bei der vor einem Jahr tödlich verlaufenden Studie im französischen Rennes fehlen oft Belege für eine Wirksamkeit neuer Arzneimittel, kritisieren Medizinethiker im Fachblatt „Nature“. Dabei schadeten „Blindgänger“-Therapien nicht nur Probanden und Patienten, sondern der gesamten Gesellschaft.

Bei der Phase-I-Studie zum Prüfarzneimittel BIA 10-2474 der portugiesischen Arzneimittelfirma Bial verstarb vor einem Jahr ein Proband, fünf weitere mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden – und leiden teils bis heute unter erheblichen neurologischen Symptomen. Die Liste der nachträglich aufgedeckten Probleme beim Design und der Durchführung der Studie ist lang – dennoch stellten zwei Untersuchungskommissionen kein rechtswidriges Verhalten fest. Dabei hätte die Studie laut Experten nicht einmal gestartet werden dürfen – denn es habe keine ausreichenden Daten für eine mögliche Wirksamkeit von BIA 10-2474 gegeben.

Die „Investigators Brochure“ zum Arzneimittel habe weniger als zwei Seiten zur möglichen Evidenz dafür enthalten, dass es wirken könne, kritisieren nun die Bioethiker Jonathan Kimmelman und Carole Federico von der McGill-Universität im kanadischen Montreal. Laut den Unterlagen von Bial seien die positiven Effekte nach Tierstudien nur „moderat“ gewesen – und die in Mäusen getestete Dosis habe es nicht erlaubt, die Wirksamkeit beim Menschen abzuschätzen, bemängeln die Ethiker in der aktuellen Ausgabe des Fachblatts „Nature“. Auch fünf andere Studien zu so genannten FAAH-Hemmern, die auf das Endocannabinoid-System wirken, seien zuvor aufgrund fehlender Wirksamkeit abgebrochen worden.

Wie gut sind präklinische Studien?

Kimmelman und Federico argumentieren, dass in frühen klinischen Studien „äußerst oft nicht ausreichend Wert auf Evidenz für die Wirksamkeit von Arzneimittelkandidaten“ gelegt wird. „Wir glauben, dass viele Studien mit einem ersten Einsatz eines Arzneimittels am Menschen auf Basis von nicht haltbarer und ungenügend belegter Evidenz gestartet werden“, erklären die Ethiker.

So habe beispielsweise das „ALS Therapy Development Institute“, das sich der Erforschung der Muskelerkrankung Amyotrophe Lateralsklerose verschrieben hat, durch eigene Tierversuche festgestellt, dass mehreren gescheiterten Arzneimitteln schlecht durchgeführte präklinische Experimente zugrunde lagen. „Um sicherzustellen, dass Studien am Menschen nur bei robusten Daten für ein klinisches Potenzial gestartet werden, kann kommerziellen Interessen nicht getraut werden“, schreiben die kanadischen Wissenschaftler. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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