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Landessozialgericht Hessen
Kein Retax bei spät erkannter Rezept-Fälschung
Wer zu spät beanstandet, kann sich von der Apotheke kein Geld zurückholen – diese Erfahrung hat jetzt die Barmer gemacht. 17 Monate nachdem eine Apotheke ein Rezept über Norditropin Nordiflex-Spritzen beliefert hatte, forderte die Kasse das zunächst gezahlte Geld zurück. Der Grund: Das Rezept war gefälscht. Das Landessozialgericht Darmstadt wies die Kasse in die Schranken.
Im November 2009 hatte der approbierte Mitarbeiter einer hessischen Apotheke an einen laut ärztlicher Verordnung 1976 geborenen Kunden fünf Fertigspritzen Norditropin Nordiflex 15mg/1,5 ml N1 abgegeben. Die Barmer, zu deren Lasten abgerechnet wurde, beglich die Apotheken-Forderung im Dezember 2009.
Im April 2011 erhielt die Apothekeninhaberin dann Post von der Barmer. Die Kasse machte einen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 4.333,74 Euro (Preis der Spritzen abzüglich Apothekenabschlag) geltend. Der Grund: Bei dem abgerechneten Rezept habe es sich – wie in weiteren Fällen aus dem Oktober/November 2009 – um eine Fälschung gehandelt. Die Staatsanwaltschaft Dortmund führe hierzu ein Ermittlungsverfahren, hieß es. Die Kasse argumentierte, die Fälschung sei für eine Fachkraft deutlich erkennbar gewesen. Nachdem die Apothekerin nicht zahlte, rechnete die Kasse die geforderte Summe mit einer späteren Abrechnung auf.
Im Dezember 2011 forderte die Apothekerin die Barmer zur Rückzahlung auf – unter Hinweis auf die nach dem Arzneilieferungsvertrag für Beanstandungen geltende Jahresfrist. Sie betonte zudem, dass die Fälschung weder ihr selbst noch der Kasse aufgefallen sei.
Erste Instanz bejahte Retax-Forderung
Die Barmer zahlte jedoch nicht und die Apothekerin zog vor das Sozialgericht. Dieses wies die Klage zunächst per Gerichtsbescheid ab. Es hielt den Vergütungsanspruch für ausgeschlossen, weil die klagende Apothekerin die Fälschung hätte erkennen müssen. Denn § 4 Abs. 5 des Arzneimittelliefervertrags ALV besagt in seiner damaligen wie auch heutigen Fassung: „Gefälschte Verordnungen oder Verordnungen auf missbräuchlich benutzten Verordnungsblättern dürfen nicht beliefert werden, wenn die Apotheke die Fälschung oder den Missbrauch erkennt oder hätte erkennen müssen“.
Ganz maßgeblich sei zum einen, dass es sich bei dem abgegebenen Arzneimittel mit dem Wirkstoff Somatropin um ein sehr hochpreisiges handelte. Zudem werde es üblicherweise an Kinder bzw. Jugendliche, die unter Kleinwüchsigkeit litten, und nur ausnahmsweise an kleinwüchsige Erwachsene abgegeben. Der auf der Verordnung angegebene Versicherte sei jedoch zum Abgabezeitpunkt schon über 30 Jahre alt gewesen, was die Klägerin hätte aufmerksam machen müssen. Insbesondere deshalb, weil in Fachkreisen bekannt sei, dass der Wirkstoff illegal auf dem Schwarzmarkt zu Dopingzwecken, vor allem bei Bodybuildern eingesetzt werde.
LSG: Ob Fälschung erkennbar war, kann dahin stehen
Die Klägerin ging gegen den Gerichtsbescheid vor und hatte nun vor dem Landessozialgericht in Darmstadt Erfolg. Anders als das Sozialgericht ging dieses nicht so einfach davon aus, dass die Apothekerin die Fälschung hätte erkennen müssen. Aus § 4 Abs. 5 ALV folge der Umkehrschluss, dass ein Vergütungsanspruch entstehe, wenn eine Fälschung auch bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt nicht erkennbar war – einfache Fahrlässigkeit reiche dabei aus, um den Zahlungsanspruch auszuschließen. Die Darmstädter Richter hielten so eine Fahrlässigkeit nicht für offenkundig, unter anderem sei schon zweifelhaft, ob die Hochpreisigkeit eines Arzneimittels eine besondere Prüfpflicht begründe.
Aber letztlich könne diese Frage auch dahinstehen. Denn die Kasse habe die Beanstandungsfrist des § 17 Abs. 1 ALV nicht beachtet: Danach können die Kassen unrichtige Rechnungen innerhalb von zwölf Monaten nach Ende des Kalendermonats, in dem die Lieferung erfolgte, berichtigen. Diese Frist war im vorliegenden Fall unstreitig verstrichen. Bei dieser Frist handele es sich um eine absolute Ausschlussfrist, nach deren Ablauf der Retaxierungsanspruch der Kasse erlösche, so das Gericht.
Einspruch gegen unzulässsige Beanstandung war nicht nötig
Es sei auch nicht nötig, dass der Apotheker innerhalb einer weiteren 3-Monats-Frist (§ 17 Abs. 2 ALV) Einspruch gegen die Beanstandung erhebt, um Nachteile zu vermeiden. Eine nach Fristablauf durch die Ersatzkasse unzulässig erhobene Beanstandung löse keine solche Pflicht aus.
Die Revision hat das Landessozialgericht nicht zugelassen – dafür lägen keine Gründe vor.
Urteil des Landessozialgerichts Darmstadt vom 26. Januar 2017, Az.: L 8 KR 332/14
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