Interpharm-Vortrag
„Akute Schmerzen in der Schwangerschaft – Was kann
man tun?“
Prof. Dr. Martin Smollich, am Samstag, den
1. April 2017, auf der INTERPHARM in Bonn.
Mehr als die Hälfte aller Schwangeren wendet im Laufe der Schwangerschaft Analgetika an. Ob sich ein Wirkstoff eignet oder nicht, hängt allerdings nicht allein von der Substanz, sondern auch vom Zeitpunkt der Schwangerschaft ab. Was wann gegen welche Art von akuten Schmerzen eingenommen werden kann, erklärt Prof. Dr. Martin Smollich auf der Interpharm.
Aufgrund der besonderen physiologischen Umstände einer Schwangerschaft ist der alleinige Blick auf den Arzneistoff zur Beurteilung der Anwendungssicherheit nicht ausreichend, da auch im zeitlichen Verlauf einer Schwangerschaft erhebliche Unterschiede bei unterschiedlichen Anwendungszeitpunkten existieren. Doch auch der Ansatz, aufgrund dieser Risikokonstellation zu einem maximalen Therapieverzicht zu raten, ist nicht vertretbar: Schwangere haben nicht nur – wie alle Patienten – ein ethisch begründetes Recht auf die bestmögliche Therapie, sondern eine unzureichende Schmerzkontrolle kann auch den Schwangerschaftsverlauf ungünstig beeinflussen. Die optimale Beratung einer schwangeren Schmerzpatientin erfordert daher eine komplexe Nutzen-Risiko-Abwägung, die die potenziellen Vor- und Nachteile nicht nur hinsichtlich der Schwangeren, sondern auch im Hinblick auf den „mitbehandelten“ Embryo bzw. Fetus berücksichtigt.
Bekanntermaßen gehört Paracetamol bei leichten und mittelstarken Schmerzen in allen Phasen der Schwangerschaft zu den Analgetika der Wahl. 2016 sorgte jedoch eine große Studie für neue Aufregung: Darin konnte gezeigt werden, dass Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft Paracetamol eingenommen hatten, später häufiger Verhaltensauffälligkeiten zeigten. Dieser Effekt bestätigte frühere Untersuchungen mit ähnlichen Resultaten. Die Aussagekraft dieser Ergebnisse wird zwar kontrovers diskutiert; es zeigt sich aber, dass selbst in „altbekannten“ Themenfeldern längst nicht alle Fragen abschließend geklärt sind. Ähnliches gilt für Assoziationen zwischen Paracetamol-Anwendungen bei Schwangeren und dem kindlichen Risiko für Asthma und Kryptorchismus.
Für die Einnahme von NSAR gibt es im ersten Trimenon Assoziationen mit einem erhöhten Abortrisiko; wesentlicher ist jedoch das Risiko fetaler Nierenfunktionsstörungen bzw. des vorzeitigen Verschlusses des Ductus arteriosus bei der Einnahme im dritten Trimenon. Vor der 28. Schwangerschaftswoche ist Ibuprofen innerhalb der NSAR Mittel der Wahl; Diclofenac und Metamizol können als Reservemittel eingesetzt werden. Beide Wirkstoffe sind jedoch ab der 28. Schwangerschaftswoche kontraindiziert, und die regelmäßige bzw. hochdosierte Anwendung sollte vermieden werden. Auf ASS in analgetischen Dosierungen sollte wegen Hinweisen auf ein erhöhtes Risiko für Gastroschisis und Nierenfehlbildungen während der gesamten Schwangerschaft verzichtet werden. Selektive COX-2-Hemmer sollten aufgrund fehlender aussagekräftiger Daten zur Sicherheit in der Schwangerschaft ebenfalls nicht angewendet werden.
Insbesondere gegen Ende der Schwangerschaft ist zudem das wirkstoffspezifisch unterschiedlich ausgeprägte ulcerogene Potenzial zu berücksichtigen, da viele Schwangere während dieser Schwangerschaftsphase ohnehin unter Refluxbeschwerden leiden.
Bei gegebener Indikation können Opioide in der gesamten Schwangerschaft eingesetzt werden. Bei peripartaler Anwendung muss jedoch mit spezifischen unerwünschten Wirkungen beim Neugeborenen gerechnet werden; die längerfristige Opioid-Anwendung während der Schwangerschaft kann bei Anwendung bis zur Geburt zu klinisch relevanter Entzugssymptomatik einschließlich Atemdepression beim Neugeborenen führen. Gleiches gilt auch für Tramadol und Tilidin. Auf den Einsatz von Pethidin unter der Geburt sollte wegen seines ungünstigen Risikoprofils für das Kind möglichst verzichtet werden. Für Tapentadol gibt es bislang keine ausreichenden Daten zur Sicherheitsbeurteilung.
Zur Migränetherapie können auch in der Schwangerschaft grundsätzlich Triptane eingesetzt werden (bevorzugt Sumatriptan). Auch die Anwendung geeigneter Antidepressiva (Amitriptylin, Citalopram, Sertralin) sowie Lokalanästhetika bei entsprechenden Schmerzsyndromen und gegebener Indikation ist in der gesamten Schwangerschaft möglich.
Prof. Dr. Martin Smollich, am Samstag, den
1. April 2017, auf der INTERPHARM in Bonn.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.