Blutdruck-Therapie

Besser vier Wirkstoffe mit einem Viertel der Dosis?

Stuttgart - 02.03.2017, 17:00 Uhr

Ziel verfehlt: Unter Monotherapie wird oft der Blutdruck nicht ausreichen gesenkt. (Foto: redaktion93 / Fotolia)

Ziel verfehlt: Unter Monotherapie wird oft der Blutdruck nicht ausreichen gesenkt. (Foto: redaktion93 / Fotolia)


Wird die Diagnose Bluthochdruck gestellt, beginnt man in der Regel mit einer Monotherapie, in vielen Fällen reicht die aber nicht. Anpassungen finden nicht immer statt. Australische Forscher haben nun untersucht, ob man nicht gleich initial eine Viererkombi einsetzen sollte – dann aber jeden Wirkstoff nur mit einem Viertel der Standarddosis. 

37,5 mg Irbesartan, 1,25 mg Amlodipin, 6,25 mg Hydrochlorothiazid und 12,5 mg Atenolol einmal täglich – so lautet das Dosierschema einer Hypertonie-Therapie, die australische Forscher vor Kurzen in einer kleinen Proof-of-Concept- Studie untersucht haben. Die Idee dahinter: Die meisten Hypertoniker erhielten Recherchen zufolge eine Monotherapie. Die sei aber selbst in hohen Dosen nicht effektiv. Das Aufdosieren werde in der Praxis oft versäumt. Daher benötige man bessere Strategien, die wirksam aber trotzdem gut verträglich seien. Die Lösung könnte eine Kombinationstherapie sein, bei der die Einzelkomponenten aber niedriger dosiert sind, schreiben die Wissenschaftler im Lancet, wo sie ihre Untersuchungen publiziert haben.

Im ersten Schritt führten sie ein systematisches Review durch zu Studien, in denen Blutdrucksenker nur mit einem Viertel der Standarddosis eingesetzt worden waren. Dabei fanden sie, dass damit in randomisierten Placebo-kontrollierten Studien Blutdrucksenkungen von ungefähr 5/2 mmHg bei einem Wirkstoff oder 7/5 mmHg mit einer Zweierkombi erzielt worden waren. Eine Viererkombi vermochte den Blutdruck von anfangs 160/96 mmHg um 26/15 mmHg reduzieren. Sie war allerdings nicht gegen Placebo getestet worden. Der zweite Schritt war dann eine kleine randomisierte, Placebo-kontrollierte Studie mit Crossover-Design mit einer „Quadpill“, also einer Polypille, die alle vier Wirkstoffe enthielt, um die Theorie zu überprüfen.

Alle erreichten das Ziel beim Praxisblutdruck

Von 51 gescreenten Patienten konnten am 20 an der Studie teilnehmen, 18 schlossen sie ab. Sie hatten alle bislang unbehandelten Bluthochdruck und erhielten vier Wochen lang die Viererkombi aus Irbesartan 37,5 mg, Amlodipin 1,25 mg, Hydrochlorothiazid 6,25 mg und Atenolol 12,5 mg oder Placebo, nach einer zweiwöchigen Auswaschphase wurde getauscht.

Ermittelt wurden jeweils der 24-Stunden-Blutdruck und der Praxisblutdruck. Ersterer lag anfangs im Mittel bei 140/87 mmHg. Während der vier Wochen Therapie nach Abzug des Placeboeffekts sank er systolisch um 18,7 und diastolisch um 14,2 mmHg zurück. Beim Praxisblutdruck wurden eingangs 154/90 mmHg gemessen, nach vier Wochen mit der Viererkombi waren es systolisch 22,4 und diastolisch 13,1 mmHg weniger. Unter Verum erreichten alle 18 Patienten einen Praxisblutdruck unter 140/90 mmHg, in der Placebophase schafften dies sechs. Beim 24 Stunden-Wert war das Ziel, unter 135/85 mmHg zu kommen. Das gelang 15 Patienten mit der Viererkombi im Vergleich zu sieben unter Placebo. Schwere Nebenwirkungen der Kombitherapie gab es keine. Einige Blutwerte – Creatinin, Harnsäure und Glucose – stiegen leicht an, aber bei niemandem um mehr als 12 Prozent.

Schwächen aber auch Potenzial

Die Studie hat natürlich einige Schwächen: das kleine Kollektiv, der kurze Beobachtungszeitraum, die geringe Aussagekraft hinsichtlich der Nebenwirkungen, zudem weiß man nichts über den Beitrag der Einzelkomponenten zur Gesamtwirkung – dessen sind sich die Forscher bewusst. Dennoch sehen sie Potenzial. So sei ihre Untersuchung die erste, die zeige, dass eine Viererkombi mit einem Viertel der Standarddosis der Einzelwirkstoffe effektiv den Blutdruck senken könne. Nun müsse man weitere Studien durchführen mit mehr Probanden, über eine längeren Zeitraum aber auch um den Effekt für jede der Einzelkomponenten beurteilen zu können. Und zwar sowohl bei Patienten, bei denen eine Monotherapie nichts ausreicht sondern auch für solche, bei denen mit nur einem Wirkstoff Nebenwirkungen auftreten. 


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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2 Kommentare

Endlich Vernunft

von Reinhard Rodiger am 05.03.2017 um 10:58 Uhr

Es ist doch so,dass bei über 90% der Hypertoniker niemand weiss,warum der Blutdruck erhöht ist.Einzelsubstanzen reichen nur bei wenigen und wenn sie aufdosiert werden schaden sie oft mehr als sie nutzen.Die logische Konsequenz ist die Kombination, die ja auch die mehrheitlich die Therapie stellt.Lange hat es gedauert, bis mit der Dosierung nach unten gegangen wurde und niedrig dosiert kombiniert wurde.Also das Problem der Interaktionen und Risiken dürfte weitgehend erledigt sein- wenn man will.Nur die Kombination niedriger Dosierung verschiedener Wirkprinzipien stösst auf Pharmako-ideologische Ablehnung.Obwohl plausibel ist, dass halbe Dosis eben auch halbes Risiko bedeuten kann.
Hier vernunftgemässe Therapie zu fördern dürfte vor allem am niedrigen Preisniveau scheitern.Alle Substanzen sind billig und Teilfortschritte sind geächtet.

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Viererkombination

von Dr Schweikert-Wehner am 03.03.2017 um 7:15 Uhr

Guter Ansatz. Nur muss bei den vielen Arzneimitteln in niedriger Dosis die Themen Interaktionen, Risiken und unerwünschte Wirkungen völlig neu beurteilt werden. Und dafür braucht es jede Menge Studien. Wer soll die machen? Wer bezahlen?

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