Indische Bioäquivalenzstudien

EMA empfiehlt Ruhen der Zulassung für diverse Generika

Stuttgart - 29.03.2017, 06:55 Uhr

Wenn Patienten in der Apotheke fragen, laute gemäß der AMK der Rat: Weiternehmen. (Foto: Golden Brown /Fotolia)

Wenn Patienten in der Apotheke fragen, laute gemäß der AMK der Rat: Weiternehmen. (Foto: Golden Brown /Fotolia)


In zwei Studienzentren der indischen Firma Micro Therapeutic Research Labs gab es bei der Studiendurchführung offensichtlich eklatante Mängel. Einige dieser Studien wurden als Grundlage für Zulassungsanträge für Arzneimittel in der EU verwendet. Der Humanarzneimittelausschuss der EMA empfiehlt nun bei den betroffenen Arzneimitteln, die Zulassung ruhen zu lassen. 

22 Zulassungen sind es in Deutschland, für die der Humanarzneimittelausschuss der EMA (CHMP) empfiehlt, die Zulassungen ruhen zu lassen. Das Gremium hat Zweifel an der Zuverlässigkeit der Daten, die diesen Zulassungen zugrunde liegen. Hintergrund sind schwerwiegende Mängel im Qualitätsmanagementsystem, die österreichische und niederländische Inspektoren aufgedeckt haben, als sie zwei Standorte des indischen Unternehmens Micro Therapeutic Research Labs auf Einhaltung der guten klinischen Praxis hin überprüften. Es folgte ein Bewertungsverfahren mit den genannten Konsequenzen.

Falls es in den jeweiligen Ländern durch das Ruhen der Zulassungen zu Versorgungsengpässen kommt, weil es keine passenden Alternativen gibt, sollen die nationalen Behörden dies bei der Umsetzung der Anordnung der EMA berücksichtigen. Beweise dafür, dass die Präparate nicht wirkten oder mehr unerwünschte Wirkungen verursachten, gibt es laut EMA nicht.

Für manche Arzneimittel aus den beanstandeten Studien wurden bereits alternative Daten zur Bioäquivalenz vorgelegt. Sie dürfen im Markt verbleiben. Der CHMP hat bereits eine Liste veröffentlicht. 

Vorgehen des BfArM der AMK nicht bekannt

Wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vorgeht, ist zumindest der Arzneimittelkommission der deutschen Apotheker (AMK), die die Information über das Ruhen der Zulassung veröffentlicht hat, nicht bekannt. Sie hat aber angekündigt, sobald neue Erkenntnisse vorliegen, diese mitzuteilen. Fragen Patienten in der Apotheke nach, sollte empfohlen werden, die Medikation weiter einzunehmen, rät die AMK.

Die Empfehlung des CHMP wird der Europäischen Kommission vorgelegt, die dann endgültiger und für alle Mitgliedstaaten rechtsverbindlich über die Durchführung entscheidet. 

Immer wieder Pfusch in Indien 

Es ist nicht das erste Mal, dass Generikaherstellern Pfusch durch ihre indischen Dienstleister bei zulassungesrelevanten Studien auf die Füße fällt. So hatte beispielsweise im August 2016 das BfArM das befristete Ruhen von Zulassungen angeordnet. Im Vorfeld waren bei der Firma Semler Research Center (SRC) Private Limited in Bangalore, die zahlreiche klinische Studien für Pharmafirmen durchgeführt hatte, gravierende Mängel festgestellt worden. So sollen beispielsweise Patientenproben manipuliert worden sein, auch im Qualitätsmanagementsystem identifizierte man Mängel. Aufgrund der Schwere und Systematik der gefundenen Mängel kam die EMA damals zu dem Schluss, dass mindestens seit dem Jahr 2010 alle von der genannten Firma durchgeführten klinischen Studien nicht geeignet sind, um Wirksamkeit und Unbedenklichkeit oder Bioäquivalenz nachzuweisen. In Deutschland waren elf Präparate betroffen.

Im Februar 2016 hatte die französische Arzneimittelbehörde ANSM bei einer Inspektion diverse GMP-Verstöße bei dem Unternehmen Anuh Pharma Ltd. festgestellt. Beispielsweise war dort Azithromycin verarbeitet worden, das von einem bekanntermaßen nicht GMP-konform arbeitenden Betrieb in China stammte. Außerdem entdeckten die Inspektoren GMP-Dokumente in einem Schutthaufen jenseits einer Mauer. Als Konsequenz aus diesen Inspektionsergebnissen wurde Anuh Pharma das GMP-Zertifikat entzogen sowie die europäischen Zertifikate von Anuh Pharma, die die Übereinstimmung der eingesetzten Methoden mit dem Europäischen Arzneibuch bestätigen (Certificates of Suitabilities (CEPs), für bestimmte Wirkstoffe außer Kraft gesetzt.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


Diesen Artikel teilen:


1 Kommentar

Pfusch und gewinnorientierte Gleichgültigkeit ist das die Zukunft?

von Heiko Barz am 30.03.2017 um 13:01 Uhr

Vor dem Hintergrund der nächtlichen Kabinett Sitzung ist dieser Artikel eigentlich überflüssig.
Wer soll denn bei den ausschließlich gewinnorientierten Arzneimittel Versendern die Qualität der Arzneimittel garantieren?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.