Das soll „Versandhandel“ sein?
Nach Ansicht von DocMorris handelt es sich bei dem in der kleinen Gemeinde Hüffenhardt im Neckar-Odenwald-Kreis aufgestellten Arzneimittel-Abgabeautomaten lediglich um eine besondere Spielart des Arzneimittel-Versands. „Wir betreiben dort Versandhandel“, betonte ein DocMorris-Sprecher nach der gestrigen, vorerst ergebnislosen Verhandlung vor dem Landgericht Mosbach gegenüber der Presse. Und weil DocMorris eine Versandhandelserlaubnis besitzt, sieht der niederländische Arzneimittel-Versender auch keinerlei rechtliche Probleme.
Für einen Apotheker dagegen ist nur schwer nachvollziehbar, was eine Arzneimittelabgabe wie in Hüffenhardt mit einem Versandhandel, wie ihn auch viele deutsche Präsenzapotheken inzwischen anbieten, zu tun hat. Nur noch einmal zur Erinnerung: In Hüffenhardt lagern Arzneimittel, die einem pharmazeutischen Großhändler gehören, in Räumlichkeiten, die eine DocMorris-Tochter gemietet hat. Bestückt wird dieses Lager von eben jenem Großhändler, der bisher unbekannt geblieben ist. Möchte ein Kunde ein Arzneimittel erwerben, so gibt er seinen Wunsch in ein Computer-Terminal ein, woraufhin ein Automat das entsprechende Arzneimittel aus dem Lager „holt“. Die Arbeit dieses Automaten wird von DocMorris in Holland überwacht.
Der Kunde kommt, nicht das Paket
Unter Versandhandel versteht man dagegen gemeinhin: Ein Kunde bestellt bei einem Händler ein oder mehrere Produkte – in diesem Fall Arzneimittel. Der Händler packt daraufhin die konkret bestellten Produkte in ein Paket und lässt diese durch einen Dienstleister (Paketdienst) an den vorher feststehenden Kunden liefern.
Auch Gerichte haben sich schon Gedanken gemacht, was eigentlich den Versandhandel ausmacht, sogar ganz konkret bei Arzneimitteln: „Typisch für den Betrieb eines Versandhandels sind“, fand beispielsweise 2016 das Oberverwaltungsgericht NRW, „jedermann zur Verfügung stehende Bestellmöglichkeiten per E-Mail, Telefon oder Telefax sowie für die Belieferung die Einbindung eines in den Vertrieb eingeschalteten Logistikunternehmens“. Um Versand handelt es sich also, wenn dem Kunden eine Bestellmöglichkeit von quasi überall her und die Lieferung an eine Wunsch-Adresse angeboten wird. Beides ist in Hüffenhardt nicht der Fall. Hier muss der Kunde zum Automaten kommen, dort das gewünschte Arzneimittel auswählen und dieses dann selbst nach Hause tragen. Auch eine „Abhol-Station“ (Pick-up-Stelle) ist der Hüffenhardter Automat wohl kaum. Denn es „wartet“ ja gerade nicht ein Päckchen mit den vorher bestellten Arzneimitteln fertig gepackt auf den Kunden, sondern ein „Arzneimittellager“, aus dem die Packungen entnommen werden.
Besondere Brisanz liegt dabei in der Tatsache, dass die Arzneimittel in diesem Lager offenbar einem pharmazeutischen Großhändler gehören. Das ist nicht nur ein eklatanter Unterschied zum Versand, wo die Ware zu keinem Zeitpunkt dem Paketdienst gehört, sondern vor allem ein weiterer apothekenrechtlicher Tabubruch: Arzneimittelversorgung unter Umgehung der Apotheke. DocMorris argumentiert, dass die Arzneimittel „über den digitalen Arm“ der Apotheke durch den Automaten abgegeben werden. Dann allerdings handelt es sich ja erst recht nicht um Versand, sondern eben um eine Abgabe außerhalb einer Apotheke. Oder in den Worten des LAV Baden-Württemberg: um einen nicht genehmigten Apotheken-Teilbetrieb. Und ein solcher würde jedem deutschen Apotheker (zu Recht!) sofort von der Aufsichtsbehörde untersagt. Versandhandelserlaubnis hin oder her.