Toxische Nebeneffekte

Forscher suchen Ursache für Todesfall bei Arzneimittel-Studie

Stuttgart - 09.06.2017, 12:15 Uhr

BIA 10-2474: Ein Patient verstarb in der Phase 1-Studie von Biotrial, die Ursache ist immer noch unklar. (Foto: dpa)

BIA 10-2474: Ein Patient verstarb in der Phase 1-Studie von Biotrial, die Ursache ist immer noch unklar. (Foto: dpa)


Bei einer verhängnisvollen Phase-I-Studie in Rennes im vergangenen Jahr starb ein Proband, vier weitere erlitten schwere neurologische Schäden. Noch immer ist die Ursache ungeklärt. Nun zeigen Forscher, dass das Arzneimittel BIA 10-2474 viele unerwünschte Effekte auf den Stoffwechsel von Nervenzellen haben kann. Eine ausreichende Erklärung für den Todesfall können aber auch die neuen Erkenntnisse nicht liefern.

Auch knapp anderthalb Jahre nachdem im Januar 2016 ein Proband bei einer Phase-I-Studie im französischen Rennes starb und fünf weitere aufgrund teils schwerer neurologischer Nebenwirkungen in die dortige Uniklinik eingewiesen werden mussten, bleibt die Ursache für den verhängnisvollen Zwischenfall unklar. Im Fachmagazin „Science“ berichten Forscher aus den Niederlanden, den USA und Italien nun, dass das Arzneimittel BIA 10-2474 der portugiesischen Firma Bial vielfältige unerwünschte und teils toxische Auswirkungen auf humane Nervenzellen haben kann.

Eigentlich sollte der Wirkstoff das Enzym Fettsäureamid-Hydrolase (FAAH) hemmen, welches wiederum das Endocannabinoid Anandamid abbaut. „Als wir von dem Desaster mit diesem FAAH-Inhibitor erfahren haben, wollten wir sofort herausfinden, was wirklich auf molekularer Ebene passiert ist“, erklärt Studienautor Mario van der Stelt, Chemiker an der Universtität Leiden, gegenüber DAZ.online. Andere FAAH-Inhibitoren beispielsweise von Pfizer hätten in klinischen Studien keine Wirksamkeit gezeigt, aber auch keine toxischen Nebenwirkungen.

War BIA 10-2474 zu unspezifisch?

Die Forscher synthetisierten BIA 10-2474 sowie den FAAH-Hemmer von Pfizer und ermittelten über ein sogenanntes „Activity Based Protein Profiling“, welche Interaktionen die beiden Substanzen mit anderen Enzymen eingingen. Schon zuvor war vermutet worden, dass das Molekül von Bial sehr unspezifisch wirken könnte – was die Studie bestätigt: Während die Substanz von Pfizer auch bei höheren Konzentrationen nur mit der strukturell ähnlichen Hydrolase FAAH2 interagierte, wirkte BIA 10-2474 auf viele Enzyme.

Hierunter war auch das Protein PNPLA6. Frühere Studien hatten über Neurotoxizität berichtet, die teils nur beim Menschen und nicht bei Ratten oder Mäusen beobachtet worden war – was erklären könnte, warum präklinische Studien unauffällig geblieben waren. Allgemein war der Lipid-Metabolismus in humanen kortikalen Neuronen, die die Wissenschaftler aus induzierten pluripotenten Stammzellen gewonnen hatten, beeinträchtigt.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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