Katastrophenpharmazie

Apotheker ohne Grenzen: Was Einsatzkräfte wissen müssen

Berlin - 19.04.2018, 09:00 Uhr

Andere Länder - andere Pharmazie. Am vergangenen Wochenende in Berlin lernten künftige Einsatzkräfte, wie man in der Katastrophenpharmazie mit 60 Arzneimitteln auskommt, innerhalb 72 Stunden eine Zeltklinik errichtet und lokale Gesundheitshelfer unterstützt. (Foto: Apotheker ohne Grenzen) Fotostrecke

Andere Länder - andere Pharmazie. Am vergangenen Wochenende in Berlin lernten künftige Einsatzkräfte, wie man in der Katastrophenpharmazie mit 60 Arzneimitteln auskommt, innerhalb 72 Stunden eine Zeltklinik errichtet und lokale Gesundheitshelfer unterstützt. (Foto: Apotheker ohne Grenzen)


Pharmazeutische Kompetenz rettet im Notfall Leben. Ohne gründliche Vorbereitung schickt die Hilfsorganisation Apotheker ohne Grenzen ihre freiwilligen Helfer jedoch nicht in den Einsatz. Wie mit einem stark begrenzten Arzneimittelsortiment umzugehen ist oder man das Gesundheitspersonal vor Ort effektiv unterstützt, konnten Interessierte am vergangenen Wochenende in Berlin erfahren. 

Weshalb verfehlen gut gemeinte Arzneimittelspenden häufig ihren Zweck? Wie komme ich im Notfall mit nur 60 Arzneimitteln aus? Hat ein mobiles Feldkrankenhaus eine eigene Apotheke? Um solche Fragen rund um Hilfseinsätze ging es am vergangenen Sonntag auf einem Aufbauseminar von Apotheker ohne Grenzen e.V. (AoG) in Berlin. 

Pharmazie im Einsatz

Im Auslandseinsatz kommen auf Pharmazeuten andere Aufgaben zu, als in einer deutschen Apotheke. „Auf einem Einsatz haben Apotheker meist umfassendere Kompetenzen als im deutschen Gesundheitssystem, wo die Pharmazeuten bei  verschreibungspflichtigen Medikamenten der Vorgabe des Arztes folgen. Dagegen wählen die Pharmazeuten in vielen Auslandseinsätzen eigenverantwortlich auf Basis einer Diagnose den passenden Arzneistoff aus, der vor Ort verfügbar ist“, erklärte Eliette Fischbach, die Geschäftsführerin von Apotheker ohne Grenzen e.V. (AoG), in Berlin.

Auch internationale Partnerorganisationen wie beispielsweise NAVIS oder der International Medical Corps (IMC) erkennen mittlerweile, wie wichtig pharmazeutische Kompetenz ist und fordern diese aktiv an. Von IMC kam auch im Herbst vergangenen Jahres der Auftrag für AoG, pharmazeutische Hilfe auf dem karibischen Inselstaat Dominica zu leisten. Denn am 18. September 2017 fegte der Hurrikan „Maria“ über die Karibik und hinterließ dort große Verwüstungen. Bereits Anfang Oktober war das erste AoG-Team in Dominica und evaluierte den Bedarf an Arzneimitteln und Medizinprodukten. Bis Mitte November wechselten sich die Helfer von AoG bei der pharmazeutischen Betreuung ab.

Apotheker ohne Grenzen
Auf dem karibischen Inselstaat Dominica richtete der Hurrikan "Maria" im Herbst vergangenen Jahres große Verwüstungen an.

Arzneimittelspenden oft nicht hilfreich

Während der siebenwöchigen Projektphase erreichten einige private Arzneimittelspenden den Inselstaat, berichtete Simone Harries, PTA aus Marktoberdorf. Diese Spenden waren nicht immer hilfreich. So beschrieb Harries, die bis zum Abschluss des Notfalleinsatzes vor Ort war, dass sich in den Kisten beispielsweise Blister ohne Umverpackungen oder gar lose Tabletten befanden. Auch kühlpflichtige Arzneimittel waren darunter, die durch den Transport bei Raumtemperatur unbrauchbar wurden. „Da muss man alles aufmachen und sorgfältig prüfen“, verdeutlichte die PTA.

Apotheker ohne Grenzen
PTA Simone Harries in Dominica bei der Sichtung der Arzneimittel

Ein großer Projektbestandteil der AoG-Teams in Dominica war daher die Inventarisierung der Bestände, woraufhin auf offiziellem Wege Arzneimittel und Medizinprodukte bestellt wurden. „Diese hingen allerdings länger beim Zoll fest und erreichten Dominica erst nach unserer Abreise“, erklärte Harries. Die Organisationen AoG und IMC konnten das Notfallprojekt in Dominica inzwischen abschließen. Weil der Inselstaat im Gegensatz zu ärmeren Ländern bereits eine funktionierende Gesundheitsversorgung besaß, gelang dies relativ schnell.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Katastrophenpharmazie brilliant zusammengefasst

von M. Arlt am 19.04.2018 um 12:14 Uhr

Als ich seinerzeit an einer Schulung der Bundesregierung für Apotheker im Katastropheneinsatz teilnahm, wurde mir erstmalig deutlich vor Augen geführt an welchen "Kleinigkeiten" gut gemeinte Hilfe scheitern kann und an welche persönlichen Grenzen vor Ort tätige Kolleginnen und Kollegen stoßen. Der Artikel arbeitet diese Diametralität in einer bemerkenswerten Qualität auf und ermutigt hoffentlich viele Realistinnen und Realisten sich im Ausland wie auch Inland zu beteiligen.

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