ADHS-Arzneimittel für Erwachsene

Erwachsene mit ADHS wollen oft keine Behandlung

Hannover / Stuttgart - 02.11.2018, 10:15 Uhr

Studien zufolge haben etwa drei Prozent der Erwachsenen eine Aufmerksamkeitsdefizit- und eine Hyperaktivitätsstörung oder eines von beidem. (j / Foto: TeamDaf / stock.adobe.com)

Studien zufolge haben etwa drei Prozent der Erwachsenen eine Aufmerksamkeitsdefizit- und eine Hyperaktivitätsstörung oder eines von beidem. (j / Foto: TeamDaf / stock.adobe.com)


Die Erkenntnis, dass ADHS keine Erkrankung ist, die sich auf das Kinder- und Jugendalter beschränkt, ist nicht neu – auch wenn sie bei Erwachsenen vergleichsweise selten diagnostiziert wird. Und selbst wenn die Diagnose gestellt wird, wollen offenbar viele keine Behandlung. Die aktuelle Leitlinie empfiehlt im Erwachsenenalter jedoch bereits bei leichten und moderaten Formen eine medikamentöse Behandlung. 

Es ist die häufigste psychische Erkrankung im Kindes- und Jugendalter – doch bei Erwachsenen wird ADHS immer noch vergleichsweise selten diagnostiziert. Dabei haben Studien zufolge etwa drei Prozent der Erwachsenen eine Aufmerksamkeitsdefizit- und eine Hyperaktivitätsstörung oder eines von beidem, wie der Sprecher des Neurozentrums am Universitätsklinikum des Saarlandes, Michael Rösler, sagte. „Allerdings wollen nur maximal 50 Prozent der Betroffenen eine Behandlung haben“, ergänzte der Psychiater, der in Homburg auch eine ADHS-Sprechstunde für Erwachsene anbietet. Eine Therapie sei nur erforderlich, wenn die Patienten aufgrund der ADHS eine Einschränkung in ihrem Lebensalltag spürten, etwa Probleme bei der Ordnung und Strukturierung ihrer Aufgabe hätten. „Dann müssen aber nicht automatisch Pillen verschrieben werden“, betonte der Fachmann. Häufig helfe schon die Aufklärung über die Ursachen der Krankheit und konkrete Anleitungen für den Alltag. Laut Rösler gibt es noch nicht überall Selbsthilfeangebote für Erwachsene mit ADHS.

ADHS bei Erwachsenen: Was ist zugelassen?

Die vor kurzem aktualisierte Leitlinie rät im Erwachsenenalter aufgrund der vorliegenden Evidenz bereits bei leichten und moderaten Formen zu einer medikamentösen Therapie – natürlich unter der Voraussetzung, dass der Patient das mitträgt. Zugelassene Therapieoptionen gibt es allerdings für Erwachsene weniger als für Kinder und Jugendliche. Guanfacin (Intuniv®) ist gar nicht zugelassen, Dexamfetamin (Attentin®) auch nicht, Lisdexamfetamin (Elvanse®) nur mit der Einschränkung, dass eine Therapie bereits im Kindes- und Jugendalter begonnen wurde und nicht abgesetzt werden kann. Atomoxetin (Strattera®) und Methylphenidat können zulassungsgemäß eingesetzt werden, bei letzterem aber auch bei weitem nicht alle Präparate: Concerta® beispielsweise nur bei bereits im Jugendalter begonnener Therapie, Equasym® gar nicht, ebenso wie viele Generika, von Medikinet® und Ritalin® gibt es mit „adult“ Erwachsenenversionen.

In einer aktuellen Netzwerk-Metaanalyse wurde untersucht, inwiefern sich die Arzneimittel hinsichtlich Effektivität und Sicherheit bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen unterscheiden. Untersucht wurden Amphetamine, Atomoxetin, Bupropion, Clonidin, Guanfacin, Methylphenidat und Modafinil. Insgesamt war die Wirksamkeit (ebenso wie die Verträglichkeit) der medikamentösen Therapien bei den Erwachsenen zwar schlechter, doch auch hier waren alle zugelassenen Wirkstoffe effektiver als Placebo.

In der Gesamtschau nach Abwägung von Wirksamkeit, Akzeptanz und Nebenwirkungen kommen die Autoren zu dem Schluss, dass bei Kindern und Jugendlichen in der Kurzzeittherapie Methylphenidat das Mittel der Wahl sein sollte. Bei Erwachsenen sollte Amphetaminen der Vorzug gegeben werden, die aber wie erwähnt keine Zulassung haben in dieser Altersgruppe. Im Rahmen der Metaanalyse sollten auch Daten zur Langzeitanwendung untersucht werden. Allerdings lieferten nur wenige Studien Ergebnisse nach 26 und 52 Wochen, sodass diesbezüglich keine Aussagen gemacht werden können.


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Ein multimodales Konzept gegen die Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätsstörung

Die Therapie der ADHS

Guanfacin jetzt auch in Europa zugelassen

Antihypertensivum bei ADHS

Erste S3-Leitlinie zu ADHS spiegelt Debatte um medikamentöse Therapie wider

Ritalin® und Co. statt Psychotherapie?

Bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen

Pharmakotherapie der ADHS – das sagt die neue Leitlinie

Atomoxetin und Methylphenidat in der Warteschleife

Engpass bei ADHS-Medikamenten – was tun?

Ein Gespräch zum Stellenwert der medikamentösen ADHS-Therapie

Immer gleich Ritalin und Co.?

1 Kommentar

Nicht 3% , sondern eher 10% der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland mit ADHS

von Anonym am 02.11.2018 um 19:43 Uhr

Eine ehemalige Schulkameradin von mir war einst in der KJP gelandet. 0815-Diagnostik, Schema F , das wars. 10 Jahre später, keine Ausbildung, HartzIV, immer noch chronisch depressiv, das Leben nicht komplett, aber nicht unwesentlich verpfuscht (auch wenn es prinzipiell niemals zu spät ist). Nach diesen 10 Jahren sagt ihr der selbst betroffene ehemalige Schulkamerad: "Du hast ADHS " ...das wurde nach mittelfristig darauf folgender Diagnostik von fachlicher Seite dann auch bestätigt. Das hätte man auch schon vor 10 Jahren haben können in der KJP , aber die waren damals wahrscheinlich der Meinung, das sei ne Modediagnose und so. Ein solch fahrlässiges und unethisches , schlampiges Unterlassen zumindest einer Sondierung nach ADHS gehört bestraft !

Wie sagte doch mein Oberarzt einst: "ich möchte mich bei der Gelegenheit outen als ADHS-Gegner." Auch solch eine ignorante, arrogante und unethische Einstellung gehört bestraft!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.