ABDA-Präsident im Interview zur Europawahl

Schmidt: „Die EU-Kommission sollte nicht über das Ziel hinausschießen“

Vertragsverletzungsverfahren, EuGH-Urteil, DSGVO oder Securpharm – die Apotheker hatten in den letzten Jahren immer wieder und meist unfreiwillig intensiven Kontakt mit den Institutionen und Organen auf Europaebene. Mit welchen Gefühlen tritt der Berufsstand am kommenden Sonntag an die Wahlurnen? ABDA-Präsident Friedemann Schmidt gibt den Lesern im DAZ-Interview einen Einblick in seine Sicht der Dinge und diskutiert, ob man sich als Standesvertreter ein „anderes“ Europa wünschen darf.

Schmidt: „Die EU-Kommission sollte nicht über das Ziel hinausschießen“

Der Berufsstand der Apotheker wird auf europäischer Ebene derzeit von zwei Seiten angegriffen: Einerseits wollen die EU-Kommission und Organisationen wie die OECD die Berufszugangs- und Berufsausübungsregeln der freien Berufe kippen, um so die Harmonisierung zwischen den Mitgliedsstaaten voranzutreiben. Andererseits sollen Arzneimittel immer mehr dem freien Warenverkehr zugeordnet werden. Ein Dilemma – doch die Apotheker sind nicht die einzigen: So stehen auch die anderen freien Berufe, wie Architekten, Ärzte oder Anwälte, zunehmend unter Beschuss. 

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt erklärt in der aktuellen DAZ, dass sich diese Entwicklung seit Jahren immer deutlicher abzeichnet. Mittlerweile versucht die EU eine Harmonisierung zwischen den Mitgliedsstaaten herbeizuführen, die Bereiche betrifft, die eigentlich subsidiär, also in der Verantwortung des jeweiligen Landes, geregelt werden sollten – dazu gehört auch das Gesundheitswesen.  Zwar gibt es EU-Verträge, die bestimmen, dass dies Sache der Mitgliedsstaaten ist, doch wird die Sinnhaftigkeit solcher Regulierungen immer häufiger hinterfragt und sogar ignoriert. Das übergeordnete Ziel: Wachstum generieren und die Wirtschaft stärken. 

Schmidt: Klarstellungen zum Gesundheitswesen wären nötig

Was könnte ein Ausweg sein? Schmidt dazu: „Es hätte Änderungen der Europäischen Verträge geben müssen, die noch mal klargestellt hätten, was konkret die besondere Rolle des Gesundheitswesens ist.“ Doch solche Primärrechtsänderungen, räumt er gleichzeitig ein, seien in der EU nur einstimmig zu erzielen: „Dieser Weg ist praktisch aussichtslos, denn die europäische Politik strebt weiter nach Harmonisierung.“

Für alle Apotheker in Europa sei die Problemlage im Grunde genommen gleich. Doch weil sich die Apotheken- und Arzneimittelversorgungssysteme in den Mitgliedsstaaten voneinander unterscheiden, könne man sich gemeinsam zu bestimmten Themen nur zurückhaltend oder gar nicht äußern. So haben die wenigsten Länder den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln. Ein aktuell (noch) deutsches Problem, das in der ZAEU (PGEU), also im Zusammenschluss der Apotheker in der Europäischen Union, eben nicht gemeinsam forciert wird.

Im DAZ-Interview beantwortet der ABDA-Präsident auch die Frage, wie er die PR-Aktion der ABDA nach dem EuGH-Urteil von 2016 aus heutiger Sicht bewertet. Kritiker monierten damals eine antieuropäische Stimmungsmache. Wie kann sich ein Standesvertreter zur europä­ischen Politik oder Rechtsprechung äußern, ohne die europäischen Institutionen insgesamt infrage zu stellen? Äußerst schwierig sei es, auf diese Frage eine Antwort zu finden, gibt Schmidt zu. Er hätte sich rückblickend intensiv damit auseinandergesetzt, von wem und wie sich in den Jahren danach dazu positioniert wurde. 

ABDA-Präsident motiviert Apotheker zum Wählen

Doch mit Blick auf die Europawahl, sei es jetzt „wichtiger denn je klarzumachen, dass sich diese Kritik nicht gegen Europa oder die EU insgesamt richtet.“ Er sei davon überzeugt, dass die übergroße Mehrheit der Apotheker in Deutschland überzeugte Europäer sind, die auf die durch Annäherung der Mitgliedstaaten erzielten Vorteile nicht verzichten wollen. Deshalb sieht es der ABDA-Präsident als großes Privileg, am Sonntag zu Wahl gehen zu dürfen.

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