Wie Corona die Apothekenwelt verändert (Teil 3)

Apotheker in Europa mit neuen Abgabe- und Versorgungsrechten

Berlin - 28.05.2020, 17:55 Uhr

Unter anderem in der Substitutionstherapie aber auch bei Arzneimitteln, die normalerweise in Kliniken verabreicht werden, haben Apotheker in ganz Europa mehr Rechte und Pflichten während der Coronakrise bekommen. (c / Foto: imago images/photothek)

Unter anderem in der Substitutionstherapie aber auch bei Arzneimitteln, die normalerweise in Kliniken verabreicht werden, haben Apotheker in ganz Europa mehr Rechte und Pflichten während der Coronakrise bekommen. (c / Foto: imago images/photothek)


Seit dem Beginn der Coronakrise haben nicht nur die Apotheker in Deutschland neue Aufgaben, Rechte aber auch Pflichten: In vielen anderen europäischen Ländern sind ebenfalls neue, arzneimittelspezifische Dienstleistungen und Versorgungsmöglichkeiten hinzugekommen, die die Pharmazeuten übernehmen. DAZ.online hat sich mithilfe des EU-Apothekerverbands PGEU in Europa umgeschaut: Inwiefern wurden die Apothekensystem in den vergangenen Wochen angepasst? Teil 3 unserer Mini-Serie befasst sich unter anderem mit der Substitutionstherapie und mit neuen Abgaberechten.

Neben einer Vergütung für den Botendienst und mehr Spielraum für Apotheken beim Austausch nicht vorrätiger und nicht lieferfähiger Arzneimittel gibt es hierzulande aufgrund des Coronavirus auch Erleichterungen bei der Versorgung Opioidabhängiger mit Substitutionsmitteln. So sind beispielsweise Notfallverschreibungen möglich und der Sichtbezug kann statt in den Räumen der Apotheke auch im Botendienst erfolgen. Auch in anderen europäischen Ländern haben die Apotheker neue Aufgaben übernommen. Hier ein Überblick:

Österreich: Mitte März hat die Regierung mehrere Verordnungsvorgaben bei der Substitutionstherapie gelockert. Demnach entfällt aktuell die sogenannte Vidierung der Rezepte durch Amtsärzte. Derzeit muss also nicht zusätzlich geprüft werden, ob eine medizinische Notwendigkeit besteht und ob alle gesetzlichen Vorgaben eingehalten wurden. Auch die Abgaberegeln in der Apotheke wurden gelockert. Patienten in Substitutionsbehandlung müssen nicht mehr jeden Tag in die Apotheke, um das Medikament unter Sichtkontrolle einzunehmen. Für stabilere Patienten galt die Regel, dass ein Erscheinen mindestens einmal in der Woche in der Apotheke vorgegeben war. Derzeit ist es so, dass der Amtsarzt nicht vidiert und der Apotheker grundsätzlich einen Monatsbedarf mitgeben darf, wenn der Patient stabil ist. Außerdem gibt es auch bei der Versorgung von Schmerzpatienten mit Opioiden derzeit die Möglichkeit, dass der Arzt die Rezepte vorerst per Fax oder Mail in die Apotheke schickt, damit der Patient auch ohne Originalrezept und möglichen zweiten Apothekenbesuch schnell versorgt werden kann.

Kroatien: Apotheker in Kroatien dürfen derzeit auch Hämophilie-Medikamente abgeben. Bisher waren diese Arzneimittel ausschließlich in Kliniken oder direkt von Fachärzten abgegeben worden.

Mini-Serie „Wie Corona die Apothekenwelt verändert"

Wie Corona die Apothekenwelt verändert (Teil 1)

Mehr Rezept-Rechte für Apotheker in vielen Ländern

Wie Corona die Apothekenwelt verändert (Teil 2)

Botendienste und Telepharmazie-Angebote in vielen Ländern ausgeweitet

Frankreich: In Frankreich gelten schon seit Ende März neue Abgaberechte für Apotheker bei Betäubungsmitteln. Um die Zahl der Arztkontakte von Patienten zu verringern, dürfen Apotheker unter bestimmten Umständen ein BtM auch ohne neues Rezept erneut abgeben, wenn der Vorrat des Patienten aufgebraucht ist. Der Arzt muss diesem Verfahren schriftlich zustimmen, außerdem muss es sich um eine stetige Medikation handeln, die voraussichtlich nicht geändert werden soll. Die BtM-Folge-Abgaben dürfen maximal bis Ende Mai erfolgen.

Außerdem wurden Apotheker ebenfalls in strengen Ausnahmefällen dazu ermächtigt, Arzneimittel abzugeben, die normalerweise Kliniken vorbehalten sind. Die Regelung richtet sich an Patienten, die aufgrund eines Infektionsrisikos oder wegen einer Quarantäne nicht zur Verabreichung in die Klinik können. Der Patient kann das Arzneimittel dann bei der Vor-Ort-Apotheke in der Nähe anfragen. Die Apotheke lässt sich vom Arzt das Rezept schicken und bereitet das Medikament in einer sicheren Verpackung für den Transport vor. Sie übergibt das Paket an einen Fahrer des Großhandels, der das Paket zur Wohnung des Patienten bringt. Wer das Arzneimittel gegebenenfalls vor Ort verabreicht, ist nicht klar. Die Verordnung sieht hier keine Regelung vor.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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