Bundesverwaltungsgericht

Apotheker darf nicht in Rabattverträge blicken

Berlin - 14.08.2020, 10:30 Uhr

Wie viel sparen die Krankenkassen genau mit ihren Rabattverträgen? Apotheker werden es nicht erfahren. (x / Foto: Schelbert)

Wie viel sparen die Krankenkassen genau mit ihren Rabattverträgen? Apotheker werden es nicht erfahren. 
(x / Foto: Schelbert)


Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Arzneimittelherstellern fallen unter das Geschäftsgeheimnis. Unbeteiligte, zum Beispiel Apotheker, haben damit keinen Anspruch zu erfahren, wie hoch die gewährten Rabatte sind. Das hat jetzt das Bundesverwaltungsgericht entschieden.

Seit es Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Pharmaunternehmen gibt, ärgern sich Apotheker, dass die tatsächlichen Einsparungen der Kassen geheim bleiben. Zwar veröffentlicht das Bundesgesundheitsministerium regelmäßig eine Gesamt-Einsparsumme aller Krankenkassen durch diese Rabatte – aber wie hoch die Nachlässe im Einzelnen sind, bleibt im Dunkeln.

Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat jetzt entschieden, dass Unbeteiligte nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) kein Recht auf Auskunft haben, wie viel Rabatt ein Arzneimittelhersteller einer Krankenkasse für ein Arzneimittel gewährt. Die Klage eines Apothekers, der von einer Betriebskrankenkasse erfahren wollte, wie viel Rabatt ihr der Originalhersteller von Prograf 1 mg Kapseln 100 Stück (Astellas) für dieses Arzneimittel gewährt, ist endgültig gescheitert. In erster Instanz war ihm der Auskunftsanspruch noch gewährt worden.

In ihrem Urteil führen die Bundesverwaltungsrichter aus, dass dem klagenden Apotheker zwar grundsätzlich ein Informationszugangsanspruch zustehe. Denn die beklagte Krankenkasse sei eine Behörde des Bundes im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG und als solche verpflichtet, Informationen zu erteilen. Allerdings: Es gibt Ausschlussgründe.

Geschäftsgeheimnis mit Wettbewerbsrelevanz

Zum einen ergebe sich der Ausschluss aus § 6 Satz 2 IFG. Danach darf der Zugang zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat. Bei der hier begehrten Auskunft zur Höhe des Rabattes handelt es sich zunächst um ein Geschäftsgeheimnis – und zwar sowohl der Krankenkasse als auch des in dem Verfahren beigeladenen Pharmaunternehmens. Das Gericht nimmt hier ein berechtigtes und wettbewerbsrelevantes Geheimhaltungsinteresse an. Die Höhe des vereinbarten Rabattes lasse für Wettbewerber nämlich Rückschlüsse auf die Gewinnmarge des Pharmaunternehmens und seine kalkulatorischen Grundlagen zu.

Die Wettbewerbsrelevanz entfalle auch nicht dadurch, dass der Wirkstoff Tacrolimus seit dem Jahr 2014 auf der Substitutionsausschlussliste steht. Denn zumindest mit Reimporteuren, die das Tracolismus-Präparat ebenfalls vertreiben, stehe Astellas weiterhin im Wettbewerb. Und nicht zuletzt: Hätten dritte Krankenkassen Kenntnis von der vereinbarten Rabatthöhe, wüssten sie, zu welchen Konditionen das Unternehmen bereit gewesen sei, eine individuell ausgehandelte Rabattvereinbarung abzuschließen. Auch die zweite Bedingung der Ausschlussnorm ist erfüllt: Weder die Krankenkasse noch das Pharmaunternehmen haben eingewilligt, dem Apotheker Zugang zu ihrem „Geheimnis“ zu gewähren.

Ein weiterer Ausschlussgrund ergibt sich aus § 3 Nr. 6 Alt. 2 IFG: Denn das Bekanntwerden eines zwischen einer Krankenkasse und einem pharmazeutischen Unternehmer vereinbarten Rabattes wäre auch geeignet, wirtschaftliche Interessen der Sozialversicherungen zu beeinträchtigen. „Müsste die nach § 130a Abs. 8 SGB V zwischen einer gesetzlichen Krankenkasse und einem Arzneimittelhersteller vereinbarte Rabatthöhe auf der Grundlage des IFG preisgegeben werden, stellte dies die Funktionsfähigkeit des Systems von Rabattvereinbarungen zwischen gesetzlichen Krankenkassen und pharmazeutischen Unternehmen insgesamt in Frage“, so die Leipziger Bundesrichter.

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2020, Az.: 10 C 22.19


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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3 Kommentare

Ungerechtfertigte Bereicherung

von Reinhard Rodiger am 15.08.2020 um 11:30 Uhr

Auch,wenn das Geschäftsgeheimnis so hoch gehängt wird, so ist ohne Berücksichtigung des Rabatts eine unberechtigte Bereicherung der KK gegeben.Ein Produkt kostet 100 € und der Patient zahlt 10% = 10 € . Die KK zahlt aber nur zB 90 €.
Dann erhält sie 1 Euro mehr als ihr zusteht.Oder andersherum: mit welcher Begründung zahlt der Versicherte mehr als der KK zusteht? Oder noch deutlicher: Aus "Geheimnisgründen" bereichert sich still die KK und melkt ihre Versicherten.Gleiches gilt für Apotheken.Vor Retaxierung zahlt die KK den Rabattpreis und holt sich den vollen Preis zurück.Auch das ist unberechtigte Bereicherung.

Das ist ertragreicher als zB die anfallenden Summen zu sammeln und einem eindeutigen Zweck etwa zur Verbesserung der Patientensicherheit oder der besseren Austauschbarkeit von Mangelprodukten zuzuordnen.Damit wäre das Geheimnis geehrt und die unberechtigte Bereicherung vermieden.

Letztlich wird die Glaubwürdigkeit nur wieder mit Füssen getreten.

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Tür und Tor geöffnet

von Guse am 14.08.2020 um 20:20 Uhr

Die lieben Rabattverträge! Wie einfach wäre es für uns in der öffentlichen Apotheke dem Kunden, natürlich falls kein Lieferengpass besteht und die Einfuhr aus China oder Indien möglich ist, dem Kunden mit einen möglichen Aufzahlung sein gewohntes Arzneimittel der Firma XY anzubieten. Das wäre Arzneimittelsicherheit und es gäbe keine langen Diskussionen mehr, die Kunden und die Apotheker wären zufrieden. Aber das scheint nicht möglich zu sein. Transparenz? Fehlanzeige!
Wieso? Weshalb? Warum?
Zum Schutz der Pharmaindustrie und der Krankenkassen?
Diese Undurchsichtigkeit kann ich nicht nachvollziehen und dürfte nicht stattfinden!

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AW: Tür und Tor geöffnet Warum?

von Reinhard Rodiger am 15.08.2020 um 11:39 Uhr

Die KK muss dem Hersteller quasi eine Umsatzgarantie geben.Deshalb sperrt sie sich gegen alles, was den Hersteller Umsatz kostet.Dazu kommt das Interesse, die Handlungsfähigkeit der Apotheke soweit möglich einzuschränken.Denn totale Kontrolle ist das eigentliche Ziel.Für den Schaden,den das setzt, muss sie ja nicht aufkommen.Ihre Versicherten und Leistungserbringer sin einfach Melkgut.Nachvollziehbar, aber nicht akzeptabel.

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