Risiken von Benzodiazepinen und Z-Substanzen vergleichbar

Mehr Stürze und Schlaganfälle unter Z-Substanzen bei Demenzpatienten

Stuttgart - 14.12.2020, 14:45 Uhr

Demenzpatienten unter höheren Dosen an Z-Substanzen erlitten im Vergleich zu Nichtanwendern häufiger Frakturen. (p / Foto: Racle Fotodesign / stock.adobe.com)

Demenzpatienten unter höheren Dosen an Z-Substanzen erlitten im Vergleich zu Nichtanwendern häufiger Frakturen. (p / Foto: Racle Fotodesign / stock.adobe.com)


Leiden Patienten mit Demenzen unter Schlafstörungen, bekommen sie häufig Benzodiazepine oder Z-Substanzen verordnet. Dabei bergen Zopiclon und Zolpidem bei Stürzen, Knochenbrüchen und Schlaganfällen vergleichbare Risiken wie Benzodiazepine. Nur in einem Punkt scheinen Benzodiazepine noch risikoreicher als Z-Substanzen – das zeigt eine neue Studie.

Etwa 60 Prozent der Patienten mit Demenz leiden unter Schlafstörungen – Schlaflosigkeit, nächtliches Umherwandern, häufiges Erwachen und exzessiver Tagschlaf –, die ihre Lebensqualität stark einschränken. Diese Patienten erhalten häufig Benzodiazepine. Allerdings bringen Arzneimittel wie Lorazepam (Tavor® und Generika) oder Diazepam (Valium® und Generika) zahlreiche Nebenwirkungen mit sich: „Hangover“-Effekte mit ausgeprägter Sedierung auch tagsüber, kognitive Einschränkungen, Toleranz und Abhängigkeit sowie eine erhöhte Gefahr für Stürze. Lange Zeit dachte man, dass die sogenannten Z-Substanzen wie Zopiclon, Zolpidem und Zaleplon – aufgrund ihrer kürzeren Halbwertszeit und Wirkdauer – verträglicher und sicherer sind als Benzodiazepine.

Doch mittlerweile geht man von einem den anderen Hypnotika ähnlichen Nebenwirkungsprofil aus. Beobachtungsstudien berichten über eine erhöhte Gefahr für Stürze, Knochenbrüche, Schlaganfall, Infektionen und Sterblichkeit (statistisch nicht signifikant) auch unter Z-Substanzen. Keine Studien gab es bislang jedoch, wie sich Hypnotika wie Zopiclon, Zolpidem und Zaleplon (Zaleplon besitzt in Deutschland keine Zulassung mehr) auf Patienten mit Demenzen auswirken, wie sicher sie sind und welche Nebenwirkungen auftreten. Diese Fragestellung hat ein Team von britischen Wissenschaftlern um Kathryn Richardson von der Norwich Medical School, University of East Anglia, untersucht. Sie veröffentlichten ihre Ergebnisse unter „Adverse effects of Z-drugs for sleep disturbance in people living with dementia: a population-based cohort study“ im November im Fachjournal „BMC Medical“.

Zu hoch dosiert

Die Wissenschaftler untersuchten Daten von 27.090 Menschen mit Demenz und verglichen die Rate an unerwünschten Ereignissen. 3.532 von ihnen hatten Z-Substanzen (zu 95 Prozent Zopiclon) aufgrund von Schlafstörungen neu verschrieben bekommen, 1.833 Teilnehmer nahmen trotz Schlafstörungen keine Sedativa ein und 5.172 Patienten hatten Benzodiazepine neu erhalten (40 Prozent Diazepam, 32 Prozent Lorazepam, 23 Prozent Temazepam). Die Probanden waren im Mittel 83 Jahre alt, 62 Prozent waren Frauen.

Von den 3.532 Patienten mit Zopiclon, Zolpidem oder Zaleplon wurde die Therapie bei 17 Prozent der Demenzpatienten „höher dosiert“ eingeleitet – darunter verstehen die Wissenschaftler tägliche Dosen von mindestens 7,5 mg Zopiclon oder mehr als 5 mg Diazepam. Zur Erinnerung: Die empfohlene Tagesdosis liegt bei Zopiclon bei 7,5 mg pro Tag, bei älteren Menschen sollte die Therapie jedoch mit 3,75 mg begonnen werden, empfiehlt die Fachinformation. Auch bei Diazepam ist zu lesen, dass bei älteren Menschen die Startdosis bei 2,5 mg liegen sollte. In einem Nachbeobachtungszeitraum von zwei Jahren interessierten sich die Wissenschaftler für die Häufigkeit von Frakturen, Hüftfrakturen, Stürzen, Schlaganfällen, bakteriellen Infektionen und die Sterblichkeit.

Dosisabhängig mehr Stürze, Frakturen und Schlaganfälle

Sie fanden: Demenzpatienten unter höheren Dosen an Z-Substanzen (mindestens 7,5 mg Zopiclon täglich) erlitten im Vergleich zu Nichtanwendern häufiger Frakturen (Hazard Ratio, HR: 1,67), Hüftfrakturen (HR: 1,96), Stürze (HR: 1,33) und ischämische Schlaganfälle (HR: 1,88). Das bedeutet, das Risiko für Frakturen und Hüftfrakturen unter Zopiclon, Zolpidem und Zaleplon war in der Studie um 67 Prozent beziehungsweise 96 Prozent erhöht, das für Stürze um 33 Prozent und das für Schlaganfälle um 88 Prozent. Das Risiko für diese unerwünschten Ereignisse ist den Ergebnisse der Studie zufolge jedoch dosisabhängig: Nahmen die Patienten höchstens 3,75 mg Zopiclon (oder äquivalente Dosen Zolpidem oder Zaleplon) täglich ein, traten Frakturen und Hüftfrakturen „nur“ 22 Prozent und 21 Prozent häufiger auf, Stürze sogar 5 Prozent weniger, jeweils verglichen mit Nichtanwendern.

Kein Unterschied zwischen Z-Substanzen und Benzodiazepinen, außer bei der Sterblichkeit

Auch Benzodiazepine erhöhten unter den Anwendern verglichen mit Nichtanwendern die Rate an Frakturen und Stürzen, das Risiko einer Hüftfraktur war 17 Prozent höher. Z-Substanzen erhöhten dieses Risiko sogar noch stärker (s. o.). Betrachtet man die Sterblichkeit, so ist die Mortalität unter Z-Substanzen leicht erhöht verglichen mit Patienten ohne Hypnotika (8 Prozent erhöhtes Risiko), die Wissenschaftler stufen diese Gefahr jedoch mit „nicht übermäßig“ ein.

Allerdings scheinen Demenzpatienten unter Benzodiazepinen häufiger zu versterben als unter Z-Substanzen. „Wir beobachteten keine Unterschiede bei den unerwünschten Ereignissen bei Z-Medikamenten im Vergleich zu Benzodiazepinen, mit Ausnahme niedrigerer Mortalitätsraten bei Z-Substanzen“, erklärten die Wissenschaftler in ihrem Beitrag. Keinen Zusammenhang fanden sie hinsichtlich der Einnahme von Z-Substanzen und dem Auftreten von bakteriellen Infektionen.

Wie wirken Zopiclon und Zolpidem?

Die sogenannten Z-Substanzen wirken agonistisch – und somit verstärkend – an GABA-Rezeptoren und sind dadurch unter anderem schlafanstoßend. GABA steht für Gamma-Aminobuttersäure und ist der wichtigste hemmende Neurotransmitter im Nervensystem. Auch Benzodiazepine greifen am GABA-Rezeptor als Agonisten an, jedoch binden Z-Substanzen und Benzodiazepine an anderen Stellen des GABA-Rezeptor-Komplexes. Z-Substanzen sollen die Einschlafzeit verkürzen, die Durchschlafzeit erhöhen und das nächtliche sowie frühmorgendliche Erwachen verringern. Zolpidem erreicht maximale Plasmakonzentrationen nach 0,5 bis 3 Stunden und hat eine kurze Halbwertszeit mit 2,4 Stunden und einer Wirkdauer von bis zu sechs Stunden. Zopiclon erreicht maximale Plasmakonzentrationen nach 1,5 bis 2 Stunden, die Halbwertszeit liegt bei fünf Stunden.

Auf Z-Substanzen verzichten

Ihr abschließendes Fazit: „Bei Demenzpatienten sind höhere Dosen von Z-Medikamenten mit einem erhöhten Fraktur- und Schlaganfallrisiko verbunden, ähnlich oder sogar größer als bei höher dosierten Benzodiazepinen.“ Somit sollten Z-Substanzen bei Demenzpatienten möglichst vermieden und nicht-pharmakologische Alternativen bevorzugt werden, raten die Wissenschaftler.


Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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