Gynäkologische und pädiatrische Fachgesellschaften

COVID-19-Impfempfehlung für Schwangere und Stillende

Schwangere sollen sich gegen COVID-19 impfen lassen. Das raten mehrere gynäkologische Fachgesellschaften und empfehlen hierfür die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna. Zunehmend zeigen Daten, dass die mRNA-Impfstoffe sicher und wirksam für Schwangere und das Baby sind. Derzeit rät die STIKO allerdings nicht zur routinemäßigen Impfung Schwangerer, sodass aus haftungsrechtlichen Gründen trotz der aktualisierten Empfehlung der Fachgesellschaften Ärzte Schwangere nicht einfach impfen können. DAZ.online hat bei Dr. Christian Albring, Präsident des Berufsverbands der Frauenärzte, nachgefragt.

COVID-19-Impfempfehlung für Schwangere und Stillende

Die STIKO rät derzeit nicht zur routinemäßigen COVID-19-Impfung von Schwangeren. Jedoch könnte Schwangeren, die aufgrund von Vorerkrankungen ein erhöhtes Risiko für schwere COVID-19-Verläufe haben, „in Einzelfällen nach Nutzen-Risiko-Abwägung und nach ausführlicher Aufklärung eine Impfung angeboten werden“, erklärt das Robert Koch-Institut (RKI). Auch sei eine akzidentielle Impfung in der Schwangerschaft kein Grund für einen Schwangerschaftsabbruch. Diese Empfehlungen könnte sich allerdings bald ändern – einen Vorstoß haben nun mehrere gynäkologische Fachgesellschaften, unter anderen die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtsheilkunde (DGGG), die Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM) und der Berufsverband der Frauenärzte (BVF), unternommen.

Die Fachgesellschaften raten nun – wissend, dass ihre Empfehlung über die aktuelle STIKO-Empfehlung hinausgeht –, Schwangere gegen Corona zu impfen und priorisieren für den COVID-19-Schutz Schwangerer die beiden bedingt zugelassenen mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer (Comirnaty®) und Moderna: „In informierter partizipativer Entscheidungsfindung und nach Ausschluss allgemeiner Kontraindikationen wird empfohlen, schwangere und stillende Frauen priorisiert mit mRNA-basiertem Impfstoff gegen COVID-19 zu impfen“, erklären sie in einer gemeinsamen Stellungnahme, die DAZ.online vorliegt. Davon unbenommen sollen nach Ansicht der Fachgesellschaften weiterhin – entsprechend der Coronavirus-Impfverordnung – die zwei engsten Kontaktpersonen der Schwangeren gegen COVID-19 geimpft werden. „Um Schwangere auch indirekt zu schützen, wird weiterhin die priorisierte Impfung von engen Kontaktpersonen von Schwangeren, insbesondere deren Partner:innen, sowie Hebammen und Ärzt:innen empfohlen“.

Keine Hinweise auf Aborte, Fehlgeburten oder fetale Wachstumseinschränkungen

Laut den Fachgesellschaften führt die COVID-19-Impfung von Schwangeren mit mRNA-basierten Impfstoffen nicht vermehrt zu schwangerschaftsspezifischen Komplikationen. So gebe die systematische Nachbeobachtung von 100.500 mRNA-basiert geimpften Schwangerer im US-amerikanischen V-safe-Pregnancy Register keine Hinweise auf vermehrte Komplikationen – wie Abort, Totgeburt, Frühgeburt, fetale Wachstumseinschränkung, neonatales Versterben. Hierfür waren 4.711 Schwangerschaften ausgewertet worden. Die Schwangeren vertrugen die Impfung vergleichbar gut wie nicht-schwangere Frauen. Die Daten hatte die CDC vor wenige Tagen im „New England Journal of Medicine“ publiziert – DAZ.online berichtete darüber. Auch seien weder für die Schwangere noch den Feten erhöhte Morbiditäts- oder Mortalitätsrisiken durch COVID-19-Impfung bekannt. Auch scheint die Impfantwort von Schwangeren robust, impfinduzierte Antikörper konnten nach mRNA-basierter COVID-19-Impfung Schwangerer äquivalent zu Nicht-Schwangeren nachgewiesen werden, wobei die Antikörpertiter signifikant höher seien als nach Infektion, schreiben die Fachgesellschaften.

Schutz des Säuglings durch maternale Antikörper

Die Impfung könne sogar durch transplazentar übertragene mütterliche Antikörper einen potenziellen Infektionsschutz (Leihimmunität) für das Neugeborene bewirken, erklären die Fachgesellschaften. Hinweise darauf gibt es bereits: So konnten einer Arbeit, veröffentlicht im „American Journal of Obstetrics & Gynecology“, zufolge, „mütterliche IgG-Antikörper (…) mit hohem Übertrittsverhältnis beim Neugeborenen nachgewiesen werden“, liest man in der Stellungnahme. Diesen positiven Effekt hatten auch die CDC im „NEJM“ in Aussicht gestellt. Das bedeutet: Neben der Schwangeren kann potenziell auch das Kind geschützt werden – was man bei anderen Impfungen, beispielsweise Influenza oder Pertussis, bereits aktiv nutzt.

Erhöhtes COVID-19-Risiko für Schwangere

Diesen positiven Daten gegenüber steht ein erhöhtes Risiko von schwangeren Frauen für schwere COVID-19-Verläufe. Sie müssen laut den Fachgesellschaften 6-fach häufiger intensivmedizinisch betreut und 23-fach häufiger beatmet werden als nicht-schwangere. Als weitere Risikofaktoren haben sich Vorerkrankungen, wie Hypertonie oder Diabetes mellitus, mütterliches Alter über 35 Jahre und Adipositas herauskristallisiert. Zudem gibt es Daten, die zeigen, dass SARS-CoV-2 infizierte Schwangere 26-fach häufiger versterben (141 Todesfälle von 100.000 Frauen verglichen mit 5 Todesfällen von 100.000 Frauen) und bei schweren Verläufen ihr Baby viermal häufiger zu früh zur Welt bringen. Das erhöhte Risiko für Frühgeburten wird mit 80 Prozent beziffert, ebenso die Gefahr einer Präeklampsie (bei symptomatischer SARS-CoV-2-Infektion). Auch die Rate an Totgeburten sei erhöht.

Ein um das 4,5-fach erhöhtes Risiko besteht für thromboembolische Ereignisse bei SARS-CoV-2-Infektion, und Neugeborene wurden 3-mal häufiger auf eine neonatologische Intensivstation verlegt. Eine mögliche SARS-CoV-2-Übertragung prä- und perinatal werde diskutiert, sei jedoch insgesamt selten.

Andere Länder impfen Schwangere bereits.

In anderen Ländern impft man Schwangere bereits routinemäßig. So empfiehlt das Vereinigte Königreich (UK) seit April, dass sich schwangere Frauen mit einem mRNA-Impfstoff gegen COVID-19 impfen lassen sollen. UK hatte sich damals auf Daten von etwa 90.000 geimpften Schwangeren in den USA gestützt, die keine Sicherheitsbedenken ergeben hatten. Mittlerweile haben Wissenschaftler der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) Daten ihres speziell für das COVID-19-Impfprogramm entwickelten Überwachungssystems V-safe, dem V-safe-Schwangerschaftsregister sowie von VAERS (Vaccine Adverse Event Reporting System) – einem Nebenwirkungsmeldesystem für Impfstoffe –, ausgewertet, um die Sicherheit von mRNA-Impfstoffen bei Schwangeren besser einschätzen zu können. Sie veröffentlichten ihre Ergebnisse jüngst im Fachjournal „The New England Journal of Medicine“. Die Schwangeren hatten auf COVID-19-Impfungen mit mRNA-Vakzinen eine robuste Immunantwort entwickelt, ohne „offensichtlichen Sicherheitssignale“ für sich selbst oder den Fetus. Es kam nicht häufiger zu Spontanaborten als bei nicht-geimpften Schwangeren, und unerwünschte Schwangerschafts- und Neugeborenenereignisse bei gegen COVID-19 geimpften Müttern waren ähnlich den Inzidenzen, die man aus Untersuchungen vor der COVID-19-Pandemie kennt. Schwangere vertrugen die mRNA-Impfstoffe vergleichbar gut wie nicht-schwangere Frauen. Auch Israel, Belgien und die Vereinigten Staaten impfen Schwangere bereits. In den USA erklären die CDC, dass jeder der zugelassenen Corona-Impfstoffe Schwangeren und Stillenden angeboten werden kann. Und auch das ACOG – American College of Obstetricians and Gynecologists – rät, dass Schwangeren und Stillenden eine COVID-19-Impfung nicht vorenthalten werden sollte.

Daten gibt es auch aus Deutschland. Den Fachgesellschaften zufolge waren im April 2021 im deutschen CRONOS-Register 1.905 SARS-CoV-2- positive Schwangerschaften dokumentiert. Jede 25. Schwangere musste intensivmedizinisch betreut werden, von denen benötigte jede Fünfte Atemunterstützung, jede Zehnte eine ECMO. Bezogen auf das Gesamtkollektiv in CRONOS starben 1 von 2.000 Frauen, was den international publizierten Daten von ca. 50 auf 100.000 Frauen entspreche. Hingegen lag 2016 die maternale Mortalität in Deutschland bei 2,9 auf 100.000 Frauen.

CRONOS

CRONOS steht für COVID-19 Related Obstetric and Neonatal Outcome Study in Germany. Es ist eine prospektive Online-Register-Studie mit dem Ziel, deutschlandweit schwangere Frauen mit SARS-CoV-2-Infektion sowie ihrer neugeborenen Kinder zu erfassen. Man will dadurch eine Grundlage zur Beratung Schwangerer und Betreuung der Neugeborenen schaffen. Sponsor der Studie ist die Deutsche Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM).

Warum kann nicht gleich los geimpft werden?

Allerdings kann es trotz der positiven Einschätzung von elf gynäkologischen und pädiatrischen Fachgesellschaften nicht direkt losgehen mit der COVID-19-Impfung von Schwangeren. Warum? DAZ.online hat bei Dr. Christian Albring, Präsident des Berufsverbands der Frauenärzte, nachgefragt. Er betont in diesem Zusammenhang die wichtige Rolle der STIKO: „In informierter partizipativer Entscheidungsfindung und nach Ausschluss allgemeiner Kontraindikationen soll die mRNA-basierte Impfung gegen COVID-19 allen Schwangeren empfohlen und priorisiert ermöglicht werden, sobald das RKI, die STIKO, die Bundes- oder Länderregierung grünes Licht geben." Albring begründet das Abwarten der STIKO-Empfehlung mit möglichen Komplikationen, die in jeder Schwangerschaft auftreten könnten: „Bei jeder Schwangerschaft sind Komplikationen möglich. Wenn diese während der Schwangerschaft in zeitlicher Nähe zu einer Impfung auftreten oder andere Schäden auftreten, sind Patientinnen und impfende Ärztinnen und Ärzte durch eine Staatshaftung geschützt. Das gilt nur, wenn eine Impf-Empfehlung des RKI, der STIKO, von Bundes- oder Länderregierungen vorliegt", betont der BVF-Präsident. Eine alleinige Unterschrift einer gesunden Schwangeren unter ihrem Impfwunsch und der Aufklärung reiche nicht aus.

Impfempfehlung auch für Stillende

Die Fachgesellschaften empfehlen auch die COVID-19-Impfung von Stillenden mit mRNA-basierten Impfstoffen. Sie wiesen eine gleichwertige Antikörperbildung und ein ähnlich geringes Nebenwirkungsprofil wie in der Schwangerschaft und bei nicht-schwangeren Frauen auf. Zudem könne eine Nestimmunität hervorgerufen, da impfinduzierte Antikörper in der Muttermilch nachgewiesen werden können. Eine Stillpause oder -verzicht sei aufgrund einer Impfung nicht erforderlich, da die mRNA des Impfstoffes nicht in der Muttermilch nachgewiesen werden konnte.

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