Welt-MS-Tag

MS-Arzneimittel: grundsätzlich immer lebenslang?

Stuttgart - 28.05.2021, 17:50 Uhr

Wie sollte im Jahr 2021 nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft Multiple Sklerose behandelt werden?(Foto: decade3d / AdobeStock)

Wie sollte im Jahr 2021 nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft Multiple Sklerose behandelt werden?(Foto: decade3d / AdobeStock)


Mit einer neuen Leitlinie wird Multipler Sklerose nicht heilbar, doch informiert sie über Fortschritte bei Diagnose, Therapie und Prognose und darüber, wie Patienten mit MS 2021 möglichst effektiv behandelt werden. MS-Arzneimittel werden fortan nicht mehr in Basis-, Eskalations- und Schubtherapie eingeteilt, sondern danach, wie wirksam sie in Studien Schübe reduzieren konnten. Zudem stellen die Leitlinienautoren für ganz bestimmte Patienten ohne Krankheitsaktivität in Aussicht, ihre MS-Arzneimittel auch wieder absetzen zu können. 

„#StayConnected – wir bleiben in Verbindung“: Unter diesem Motto steht der Welt-MS-Tag 2021 – gar nicht so einfach, wenn Multiple Sklerose die Patienten nahezu in allen Bereichen des Lebens einschränkt. Fortschritte meldet die Wissenschaft immer wieder: die Zulassung weiterer Arzneimittel, positive Ergebnisse an Mäusen zur „mRNA-Impfung“ gegen MS, die Rolle des Mikrobioms. Wie sollte also im Jahr 2021 nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft Multiple Sklerose behandelt werden? Mit ein bisschen Vorsprung zum Welt-MS-Tag hat die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) vor kurzem die neue S2K-Leitlinie „Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose, Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen und MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen“ veröffentlicht. Was ist neu bei MS?

Arzneimittel anhand ihrer Schubreduktion eingeteilt

Die Leitlinie teilt die verlaufsmodifizierenden MS-Arzneimittel (DMT: Disease modifying Therapies) neu ein: Anstelle des bisherigen Stufenschemas – Basistherapie, Eskalationstherapie, Schubtherapie – gruppieren die Leitlinienautoren die Arzneimittel entsprechend ihrer Schubreduktion, die sie in Zulassungsstudien gezeigt haben, in drei Wirksamkeitskategorien:

  • Wirksamkeitskategorie 1 (relative Reduktion der Schubrate im Vergleich zu Placebo von 30 bis 50 Prozent): Betainterferone, Dimethylfumarat (Tecfidera®), Glatirameroide (Copaxone®) und Teriflunomid (Aubagio®)
  • Wirksamkeitskategorie 2 (relative Reduktion der Schubrate im Vergleich zu Placebo von 50 bis 60 Prozent): Cladribin (Mavenclad®), Fingolimod (Gilenya®) sowie Ozanimod (Zeposia®)
  • Wirksamkeitskategorie 3 (Reduktion der Schubrate um > 60 Prozent im Vergleich zu Placebo oder > 40 Prozent im Vergleich zu Substanzen der Kategorie 1): Alemtuzumab (Lemtrada®), CD20-Antikörper Ocrelizumab (Ocrevus®) und off label Rituximab, Natalizumab (Tysabri®).

Mehr zum Thema

INTERPHARM online 2021

Was läuft falsch im Darm bei MS?

Erfolge im Mausmodell

Impfen gegen Multiple Sklerose?

Mit zunehmender Wirksamkeit steigen auch die seltenen unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Diese Einteilung greift nur für schubförmige Multiple Sklerose – bei primär progredienter MS (PPMS) ist bislang mit Ocrelizumab nur ein einziges Arzneimittel zugelassen. Bei einer PPMS verläuft die Erkrankung schleichend und nicht in Schüben.

Im Überblick: Verlaufsformen von MS

  • schubförmig remittierende MS – RRMS (relapsing-remitting MS): häufigste initiale Verlaufsform. Sie ist charakterisiert durch Schübe mit vollständiger oder unvollständiger Remission (Rückgang) der Symptome
  • sekundär progrediente MS – SPMS (secondary progressive MS): entwickelt sich aus einer RRMS. Die Behinderungsprogression kann mit oder ohne aufgesetzte Schübe erfolgen. Es gibt keine einheitliche Definition für die Dauer der Progression, oft wird eine schubunabhängige Progressionsdauer von mindestens sechs bis zwölf Monaten gefordert
  • primär progrediente MS – PPMS (primary progressive MS): Behinderungsprogression von Beginn an, es können vereinzelte Schübe vorkommen

Zusätzlich gibt es das klinisch isolierte Syndrom (KIS) – eine mutmaßlich erste klinische Manifestation von MS. Ein KIS zeigt sich durch einen Schub mit einem neurologischen Defizit, welches sich mit MS vereinbaren lässt.

Zusätzlich lassen sich die MS-Formen RRMS, SPMS und PPMS feiner unterteilen:

  • RRMS: aktiv und nicht aktiv
  • SPMS: aktiv und progredient oder aktiv und nicht progredient oder nicht aktiv und progredient oder nicht aktiv und nicht progredient
  • PPMS: aktiv und progredient oder aktiv und nicht progredient oder nicht aktiv und progredient oder nicht aktiv und nicht progredient

Unter „aktiv“ versteht man, dass Schübe auftreten und/oder sich MRT-Aktivität nachweisen lässt. „Progredient“ bedeutet, dass die Behinderung zunimmt.

Wichtig ist zudem, wie die EMA (Europäische Arzneimittelagentur) MS einteilt: Sie unterscheidet eine RMS (relapsing MS, sprich MS mit Schüben) von einer SPMS und einer PPMS. Allerdings umfasst eine RMS die RRMS und eine SPMS mit aktiven Schüben (aktive SMPS).



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

USA: Zulassung von Mavenclad bei Multipler Sklerose

Cladribin bei sekundär progredienter MS

Siponimod kann bei schwer kranken Patienten die Progression verzögern

Neuer Immunmodulator gegen MS

Nutzenbewertung von Ocrevus

Wie findet der G-BA Ocrelizumab?

S1P-Modulator verlangsamt die fortschreitende Verschlechterung

Hoffnung bei sekundär progredienter MS

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.