Weniger Antibiotika, mehr Schmerzmittel

Was nutzen Bärentraubenblätter bei Blasenentzündung?

Stuttgart - 07.10.2021, 10:45 Uhr

Die Autoren des „Arznei-Telegramm“ raten von der Einnahme von Bärentraubenblätterextrakt ab – zumal bereits die Europäische Arzneimittelagentur EMA 2018 die Datenlage zu Wirksamkeit und Sicherheit des Pflanzenextrakts in ihrer Pflanzenmonographie als „sehr dürftig“ bewertet hat. (x / Foto: Peakstock / AdobeStock)

Die Autoren des „Arznei-Telegramm“ raten von der Einnahme von Bärentraubenblätterextrakt ab – zumal bereits die Europäische Arzneimittelagentur EMA 2018 die Datenlage zu Wirksamkeit und Sicherheit des Pflanzenextrakts in ihrer Pflanzenmonographie als „sehr dürftig“ bewertet hat. (x / Foto: Peakstock / AdobeStock)


Bärentraubenblätter sollen Beschwerden bei Harnwegsinfektionen lindern. Aber lässt sich dadurch wirklich der Antibiotika-Einsatz reduzieren? Oder gibt es vielleicht sogar Risiken, die mit der Einnahme bärentraubenhaltiger Arzneimittel bei Harnwegsinfektionen einhergehen? Das „Arznei-Telegramm“ äußert sich eher kritisch.

„Ohne dass Nutzen und Sicherheit durch aussagekräftige Studien belegt sind, wird Bärentraubenblätterextrakt (Cystinol akut® u. a.) hierzulande seit Jahrzehnten rezeptfrei zur Behandlung entzündlicher Erkrankungen der ableitenden Harnwege angeboten“, kritisiert das „Arznei-Telegramm“ – eigenen Angabe zufolge eine „neutrale“ medizinische Fachzeitschrift für Ärzte und Apotheker. Ihre Zweifel am Nutzen von Bärentraubenblätterextrakt in der Behandlung akuter Harnwegsinfektionen stützt das „Arznei-Telegramm“ gleich auf mehrere Quellen – unter anderem die Bewertung der EMA, die aktuell gültige Leitlinie und eine nun veröffentlichte Studie aus Deutschland, die in Hausarztpraxen durchgeführt wurde. Die Wissenschaftler untersuchten, ob es gelingt, mit Bärentraubenblätterextrakt die Verordnungshäufigkeit von Antibiotika – Fosfomycin – bei unkomplizierten akuten Harnwegsinfektionen bei Frauen zu reduzieren. Sie veröffentlichten ihre Untersuchung jüngst im Fachjournal „Clinical Microbiology and infection” („Herbal treatment with uva ursi extract versus fosfomycin in women with uncomplicated urinary tract infection in primary care: a randomized controlled trial”).

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Die Studie lief doppelblind und randomisiert von Mai 2017 bis Mai 2019 in 42 Hausarztpraxen in Deutschland. Die Teilnehmerinnen waren erwachsene Frauen (Alter 18 bis 75 Jahre) mit unkomplizierter Harnwegsinfektion und mindestens zwei der folgenden Symptome: Dysurie (Schmerzen beim Wasserlassen), Harndrang, Pollakisurie (häufiges Wasserlassen) und Unterleibsschmerzen. Ausschlusskriterien waren das Vorliegen einer Schwangerschaft und Risikofaktoren für einen komplizierten Verlauf der Harnwegsinfektion.

Die Teilnehmerinnen nahmen entweder 3 x 2 Tabletten eines Bärentraubenblätterextrakts mit 105 mg für fünf Tage ein oder Fosfomycin mit 3 g als Einzeldosis. Beide Gruppen erhielten jeweils die andere Darreichungsform als Placebo, um die Verblindung zu wahren. Zur Erklärung: Bärentraubeblätterextrakt liegt in Form von Tabletten vor, Fosfomycin zu Behandlung von unkomplizierten Harnwegsinfektionen bei Frauen gibt es nur als Granulat im Beutel zum Auflösen.

Ziel der Studie: weniger Antibiotika und nicht mehr Beschwerden

Ziel der Studie war herauszufinden, ob der Pflanzenextrakt den Gebrauch von Fosfomycin verringern kann, ohne dabei die Beschwerden der Patientinnen zu steigern oder komplizierte Verläufe zu provozieren. Dabei wurden die Antibiotikaanwendungen innerhalb von 28 Tagen bewertet sowie die Symptombelastung in den ersten sieben Tagen. Nur wenn es sowohl gelang, dass der Antibiotikaverbrauch sank und der Bärentraubenblätterextrakt Fosfomycin überlegen ist, und gleichzeitig aber die Symptomlast nicht zunimmt und der Pflanzenextrakt in diesem Punkt Fosfomycin ebenbürtig (nicht unterlegen) ist, wird das Studienergebnis als positiv gewertet.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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