- DAZ.online
- News
- Spektrum
- Kommt jetzt das Aus für ...
Diskussion um HES seit 2013
Kommt jetzt das Aus für Hydroxyethylstärke-Infusionslösungen?
Bereits 2018 hatte der Pharmakovigilanzausschuss der EMA das Ruhen der Zulassung von Hydroxyethylstärke-Infusionslösungen empfohlen. Zunächst wurden dann aber doch nur die Sicherheitsmaßnahmen verschärft. Vier Jahre später steht das Ruhen der Zulassung erneut kurz bevor, wie die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) mitteilt. Tatsächlich wird das Risiko-Nutzen-Verhältnis schon seit 2013 diskutiert.
Am 11. Februar empfahl der Pharmakovigilanzausschuss der EMA (PRAC), die Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Hydroxyethylstärke (HES)-Infusionslösungen in der gesamten Europäischen Union auszusetzen. Wie die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) nun informiert, hat die „Coordination Group for Mutual Recognition and Decentralised Procedures – Human“ (CMDh) die Position des PRAC angenommen, also das Ruhen der Zulassung von Hydroxyethylstärke-haltigen Arzneimitteln empfohlen.
Mehr zum Thema
Rote-Hand-Brief
Nur noch zertifizierte Kliniken erhalten HES
Tatsächlich hatte die EMA bereits 2013 risikominimierende Maßnahmen zu HES-Infusionslösungen verschärft, wie die DAZ berichtete. Auch die AMK weist darauf hin, dass die Sicherheit von HES-Infusionslösungen zuletzt 2018 geprüft wurde. Damals wurde die Belieferung von HES-Infusionslösungen auf akkreditierte Krankenhäuser beschränkt, um zu verhindern, dass HES-Infusionslösungen bei Patienten mit Sepsis, eingeschränkter Nierenfunktion oder bei kritisch kranken Patienten angewendet werden. „Eine solche kontraindizierte Anwendung ist mit einem Risiko für schwerwiegende Gesundheitsschäden einschließlich erhöhter Mortalität verbunden“, informierten 2018 die Zulassungsinhaber von Hydroxyethylstärke(HES)-haltigen Arzneimitteln zur Infusion in Abstimmung mit EMA und BfArM in einem Rote-Hand-Brief. Offenbar setzten Ärzt:innen Hydroxyethylstärke(HES)-haltige Arzneimittel noch immer zur Infusion bei Patient:innen mit bestehender Kontraindikation ein. Neben der Beschränkung auf akkreditierte Krankenhäuser, wurden 2018 weitere Warnhinweise in die Produktinformationen aufgenommen, erklärt aktuell die AMK, „und Zulassungsinhaber wurden aufgefordert, eine Arzneimittelanwendungsstudie durchzuführen, um zu überprüfen, ob diese Beschränkungen in der klinischen Praxis eingehalten werden“.
Die neue Empfehlung zum Ruhen der Zulassung beruht also auf der Prüfung dieser Studie durch den PRAC. Die 2018 eingeführten Beschränkungen haben demnach nicht ausreichend sichergestellt, dass die HES-Lösungen sicher angewendet werden. „HES-Lösungen werden weiterhin bei Patienten mit Kontraindikation angewendet, verbunden mit schwerwiegenden Gesundheitsschäden“, erklärt die AMK. Damit wird das Nutzen-Risiko-Verhältnis von HES-Infusionslösungen jetzt als negativ angesehen.
Noch ist diese Einschätzung nicht rechtsverbindlich, die Empfehlung zum Ruhen der Zulassung wurde aber an die Europäische Kommission übermittelt.
EMA-Empfehlung
HES-Zulassungen sollen ausgesetzt werden
Schweres Hyponatriämierisiko
Ärzte unterschätzen das Risiko hypotoner Infusionslösungen
Auch bei chirurgischen Patienten scheinen die Risiken zu überwiegen
Keine Entwarnung für Hydroxyethylstärke
Eigentlich hatte der PRAC schon 2018 das Ruhen der HES-Zulassungen empfohlen. Eine therapeutische Lücke erwartete er dadurch nicht. HES-Infusionslösungen sind indiziert zur Behandlung einer Hypovolämie bei akutem Blutverlust, wenn Kristalloide alleine als nicht ausreichend erachtet werden. Doch am 17. April 2019 hieß es dann auch vom BfArM, dass in Deutschland das „Programm für den kontrollierten Zugang“ umgesetzt wird – die Zulassung also zunächst bestehen bleibt. In Deutschland unterliegt Hydroxyethylstärke seitdem ausschließlich dem Direktvertrieb.
Wie in der DAZ 11/2020 nachzulesen war, bestand ursprünglich einmal die Hoffnung, „mit Hydroxyethylstärke(HES)-haltigen Arzneimitteln zur Infusion verlängerte Plasmahalbwertszeiten, Volumeneinsparungen, weniger Ödeme und somit einen deutlichen therapeutischen Vorteil gegenüber reinen Salzlösungen zu erzielen“. Doch die Sicherheitsbedenken überwiegen offensichtlich die Vorteile.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.