Keine Chargenbezeichnung im Abgabedatensatz – ein neuer Retax-Grund?
Retaxierungen wegen Formfehlern soll es künftig nicht mehr geben. Dafür soll das E-Rezept sorgen – denn elektronische Verordnungen, bei denen zum Beispiel die Signatur des Arztes oder der Ärztin fehlt oder die keine Dosieranweisung enthalten, können nicht in den entsprechenden Fachdienst der Gematik eingestellt werden. Gerade letzterer Punkt sorgte in den vergangenen Wochen für Wirbel: Nachdem die einst vereinbarte Friedenspflicht abgelaufen ist, beginnen manche Kassen, die Apotheken gar auf Null zu retaxieren, wenn dieser Hinweis fehlt.
Neben den bereits bestehenden Prüfmechanismen entwickelt die Gematik aktuell einen sogenannten Referenzvalidator. Er gleicht ab, ob der erstellte Datensatz mit den Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem GKV-Spitzenverband zu den Verordnungsdaten sowie den Vorgaben des Deutschen Apothekerverbands (DAV) und des GKV-Spitzenverbands zu den Abgabedaten auf technischer Ebene übereinstimmt. Für die Apotheken ist dies ein Extra-Schutz vor Retaxationen – denn wenn der Referenzvalidator grünes Licht gibt, können die Krankenkassen den Datensatz technisch nicht so einfach beanstanden. Das Tool soll ab November einsatzbereit sein, sagte DAV-Vorstandsmitglied Anke Rüdinger kürzlich im Interview mit dem ABDA-Newsroom.
Auch die Chargennummer muss übermittelt werden
Doch nicht alle Gefahren lassen sich so einfach bannen. Retaxationen wird es weiterhin zum Beispiel geben, wenn die Apotheke eine falsche Sonder-PZN aufträgt oder Rabattverträge missachtet. Zudem könnten sich Schwierigkeiten aus der Abrechnungsvereinbarung zwischen DAV und GKV-Spitzenverband ergeben. Die Vertragspartner haben sich darauf geeinigt, dass mit dem Abrechnungsdatensatz auch die Chargennummer des abgegebenen Arzneimittels übermittelt werden muss, wie der DAV auf DAZ-Nachfrage bestätigt.
„Es ist richtig, dass mit dem E-Rezept auch die Chargennummer erfasst werden soll“, schreibt ein Sprecher der Redaktion. Betroffen sind den Angaben zufolge nur authentifizierungspflichtige Arzneimittel, sofern sie auf der äußeren Umhüllung einen Data-Matrix-Code tragen – also solche, die über das Securpharm-System verifiziert werden müssen. Mit dem Abscannen in der Apotheke wird die Chargenbezeichnung in den Datensatz aufgenommen. Vertraglich ist die Übermittlung der Charge laut DAV in § 2 der Anlage 1 der Arzneimittelabrechnungsvereinbarung nach § 300 Absatz 3 SGB V geregelt.
Gematik-Feld ist optional
Das Problem: In der Gematik-Spezifikation ist zwar ein Feld für die Chargennummer vorgesehen, es muss aber nicht zwingend ausgefüllt werden. Auch ohne diese Angabe ist es möglich, den Abrechnungsdatensatz zu erstellen. Das bestätigt auch der DAV-Sprecher: „Ja, es handelt im E-Abgabedatensatz um ein optionales Feld“, heißt es auf Anfrage der DAZ. Aktuell sei dieses vonseiten der Gematik noch nicht umgesetzt, die Vorgaben befänden sich aber in der Abstimmung.
Erfasst die Apotheke also die Chargennummer, ist sie auf der sicheren Seite. Doch was passiert, wenn der oder die Abgebende vergisst, die Packung aus Securpharm auszubuchen? Und wie verhält es sich, wenn das Zuordnen nicht so einfach ist, zum Beispiel beim Verblistern und in der Heimversorgung? Bereits Mitte März hatte der Nürnberger Apotheker Ralf König gegenüber der Redaktion auf diesen Stolperstein aufmerksam gemacht. „An dieser Stelle wird tatsächlich ein neuer Retax-Grund geschaffen“, so seine Einschätzung.
Was sagt der DAV?
Wäre das Fehlen der Chargenbezeichung im Abrechnungsdatensatz unter Umständen ein Grund für die Kassen, die betreffende Apotheke zu retaxieren? Das wollte die DAZ nun auch vom DAV wissen. Die Antwort: „Hierzu haben wir keine Regelungen getroffen und können auch dem Gesetz keine Sanktionstatbestände entnehmen. Die Übermittlung der Charge dient allein dem Zweck, im Falle von Arzneimittelrückrufen die Mitwirkungspflicht nach § 131a SGB V zu erfüllen.“ Nach Entwarnung klingt das eher nicht.