Zwei Tage vor Einsetzen der Symptomatik

Fruchtbarkeitsarmband erkennt COVID-19 noch vor Symptombeginn

Stuttgart - 24.06.2022, 09:15 Uhr

FDA-zugelassen als Fertilitätstracker konnte das AVA-Armband auch zwei Drittel der COVID-19-Patient:innen zwei Tage vor Symptombeginn identifizieren. (s / Foto: avawomen.com)

FDA-zugelassen als Fertilitätstracker konnte das AVA-Armband auch zwei Drittel der COVID-19-Patient:innen zwei Tage vor Symptombeginn identifizieren. (s / Foto: avawomen.com)


Eine Corona-Infektion noch vor Symptombeginn detektieren und dadurch die Ansteckung anderer verhindern: Leisten könnten dies künftig Fitnessarmbänder, wie eine Studie zeigt.

Antigen-Schnelltests und PCR-Tests sind hierzulande wohl die wichtigsten Methoden, um eine SARS-CoV-2-Infektion nachzuweisen. Zuverlässig sind sie vor allem bei symptomatischen Patient:innen – mit Fieber, Husten, Engegefühl in der Brust, Atembeschwerden, Müdigkeit, Atemnot, Myalgie, Sputumproduktion, Kopfschmerzen und Magen-Darm-Beschwerden –, während sie prä- und asymptomatisch Erkrankte in der Regel nicht identifizieren. Das bedeutet jedoch: Diese Menschen verbreiten unwissend das Virus und verhindern dadurch ein besseres Eindämmen der Pandemie.

Fertilitätsarmband zum COVID-19-Nachweis

Gut wäre also, eine Infektion noch vor Symptombeginn zu erkennen, sodass sich die Betroffenen frühzeitig isolieren können – und das am besten niederschwellig, wie durch Smartwatches oder Fitnessarmbänder. Diese Idee setzten Wissenschaftler nun in einer prospektiven Studie um: Sie untersuchten bestimmte physiologische Parameter mittels des Ava-Armbands – einem von der FDA zugelassenem und CE-zertifiziertem Fruchtbarkeitsarmband. Eingesetzt wird diese bei Kinderwunsch; es misst kontinuierlich Veränderungen der Atemfrequenz (RR, Atemzüge pro Minute), der Herzfrequenz (HR, Herzschläge pro Minute), der HR-Variabilität (HRV in ms), der Hauttemperatur am Handgelenk (WST in °C) und der Hautdurchblutung über drei Sensoren. Daneben trackt das Armband Schlafqualität und Schlafquantität durch Armbewegungen des Tragenden. 

Die Wissenschaftler wollten durch die gewonnen physiologischen Daten einen Algorithmus ableiten, der vier infektionsbezogene Zeiträume beschreibt: Inkubation (drei bis zehn Tage vor Symptombeginn), präsymptomatisch (zwei und weniger Tage vor Symptombeginn), symptomatisch und Genesung. Die Arbeit veröffentlichten die Forschenden im Fachjournal „BMJ“ („Investigation of the use of a sensor bracelet for the presymptomatic detection of changes in physiological parameters related to COVID-19: an interim analysis of a prospective cohort study (COVI-GAPP“)

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Insgesamt nahmen 1.163 Teilnehmer:innen (Durchschnittsalter 44,1 Jahre, 57 Prozent Frauen) an der COVI-GAPP-Studie teil, Beobachtungszeitraum war März 2020 bis April 2021. In dieser Zeit infizierten sich 127 Proband:innen (10,9 Prozent) mit SARS-CoV-2. Zehn Patient:innen mussten aufgrund von Atembeschwerden und Fieber ins Krankenhaus. Drei asymptomatische Patient:innen konnten retrospektiv durch Antikörpertests identifiziert werden. Die Teilnehmer:innen trugen das Armband nachts.

Präsymptomatisch: erhöhte Herzfrequenz und Körpertemperatur

Von den 127 Teilnehmern, die entweder durch RT-PCR und SARS-CoV-2-Antikörpertests oder nur durch Antikörpertests positiv auf COVID-19 getestet wurden, hatten 66 Nutzer ihr Armband mindestens 29 Tage vor Symptombeginn getragen, was eine ausreichende Datenqualität ermöglichte. Bei diesen 66 Teilnehmern wurde die COVID-19-Infektion durch einen RT-PCR-Test und einen SARS-CoV-2-Antikörpertest (n=48) oder nur durch einen Antikörpertest (n=18) bestätigt.

Die Studienautoren stellten bei fünf der sieben gemessenen Parameter (Atemfrequenz, Herzfrequenz, Variabilät der Herzfrequenz, Temperatur und Durchblutung) signifikante Veränderungen während der Inkubations-, präsymptomatischen, symptomatischen und Erholungsphase von COVID-19 im Vergleich zum Ausgangswert fest: COVID-19-Infizierte hatten in der symptomatischen Phase (nicht aber in den anderen) eine um einen Atemzug pro Minute signifikant erhöhte Atemfrequenz. Auch erhöhte sich die nächtliche Herzfrequenz von 55,4 Schlägen pro Minute signifikant um 0,87 Schläge pro Minute in der Inkubationszeit, in der präsymptomatischen Phase lag sie noch höher (1 Schlag pro Minute verglichen mit dem Ausgangswert). Mit Beginn der Symptome steigerte sich diese weiter (um 2,2 Schläge pro Minute). Die zeitliche Variabilität der Herzfrequenz sank hingegen in der Inkubationszeit, in der präsymptomatischen und symptomatischen Erkrankungsphase.

Was macht die Temperatur am Handgelenk? Auch hier beobachteten die Forscher:innen infektionsbedingte Veränderungen: Während der Inkubation, der präsymptomatischen und der symptomatischen Periode stieg die Temperatur am Handgelenk der Infizierten um 0,13 °C, 0,18 °C und 0,3 °C. Selbst in der Erholungsphase blieb die Temperatur um 0,2 °C gegenüber dem Ausgangswert erhöht. Keine Veränderungen gab es hingegen bei der Hautdurchblutung.

Zwei Tage vor Symptombeginn

Die Wissenschaftler entwickelten basierend auf den gemessenen Parametern einen Algorithmus, der 68 Prozent der COVID-19-Fälle bis zu zwei Tage vor Symptombeginn detektierte. „Wir haben also gezeigt, dass ein tragbares Sensorarmband in Verbindung mit einem maschinellen Lernmodell das Potenzial hat, COVID-19-Infektionen vor der Symptombeginn zu erkennen“. Auf Grundlage dieser kleinen Untersuchung läuft aktuell eine randomisierte kontrollierte Studie mit 20.000 Personen, um den entwickelten Algorithmus zu prüfen. Ergebnisse soll es im Dezember 2022 geben.

Sollten auch andere Fitnesstracker oder Smartwatches SARS-CoV-2 bereits zwei Tage vor Beginn der Symptome detektieren, wäre das durchaus hilfreich bei der Eindämmung der Pandemie. Bis Infizierte erste Symptome entwickelten, vergehen im Durchschnitt zwei Tage (Inkubationszeit), was damit deutlich kürzer als bisherige Schätzungen ist, die von fünf bis sechs Tagen ausgingen – das förderte jüngst die erste Human-Challenge-Studie zutage.


Celine Bichay, Apothekerin, Redakteurin DAZ
redaktion@daz.online


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