Potenzielles Arzneimittel

EMA prüft Daten zu Mitosehemmer Sabizabulin bei COVID-19

Stuttgart - 28.07.2022, 16:45 Uhr

Sabizabulin könnte bei hospitalisierten COVID-19-Patienten mit hohem Risiko für ein akutes Atemnotsyndrom eingesetzt werden. (Foto: Gorodenkoff / AdobeStock)

Sabizabulin könnte bei hospitalisierten COVID-19-Patienten mit hohem Risiko für ein akutes Atemnotsyndrom eingesetzt werden. (Foto: Gorodenkoff / AdobeStock)


Die europäische Arzneimittelbehörde EMA prüft in einem Review-Verfahren das Spindelgift Sabizabulin für die Anwendung bei COVID-19. Grundlage dafür sind vor allem positive Daten aus einer Phase-3-Studie bei hospitalisierten Hochrisikopatienten, die der US-amerikanische Hersteller Veru Anfang Juli in einem Journal publizierte. Ein Zulassungsantrag wurde bei der EMA allerdings noch nicht gestellt.

Wie die EMA am 27. Juli mitteilte, hat die Notfall-Einsatzgruppe (Emergency Task Force, kurz ETF) begonnen, die verfügbaren Daten von Sabizabulin für die Behandlung von COVID-19 zu prüfen. Im Mittelpunkt stehen dabei Daten aus einer Phase-3-Studie, die mit hospitalisierten Patienten mit moderater bis schwerer COVID-19-Erkrankung und hohem Risiko für ein akutes Atemnotsyndrom (ARDS) und Tod durchgeführt wurde. Die Studienergebnisse hätten angedeutet, dass Sabizabulin bei der genannten Patientengruppe Todesfälle im Vergleich zu Placebo reduzieren könnte, so die Arzneimittelbehörde.

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Bei dem aktuellen Review-Verfahren handelt sich nicht um einen Rolling Review; ein Zulassungsantrag wurde bei der EMA auch noch nicht gestellt. Allerdings soll die Überprüfung der Daten durch die EMA den EU-Mitgliedstaaten helfen, die den Einsatz des Medikaments vor einer möglichen Zulassung erwägen.

Antivirale und antiinflammatorische Wirkung

Sabizabulin hemmt Mikrotubuli, die zum Zytoskelett der Zelle gehören. Das oral bioverfügbare Indol-Derivat bindet dazu an die Colchicin-Bindungsstelle von alpha- und beta-Tubulin und blockiert deren Polymerisation. Für Viren, wie SARS-CoV-2, sind Mikrotubuli für den intrazellulären Transport wichtig. Dieser wird durch Sabizabulin gestört, was wiederum den Lebenszyklus der Viren beeinträchtigt. Darüber hinaus vermutet man, dass Sabizabulin inflammatorische Reaktionen des Körpers auf SARS-CoV-2 unterdrücken kann, die zum Beispiel zu einem akuten Atemnotsyndrom führen können.

Sabizabulin wurde vom Hersteller Veru auch bereits in Studien gegen Prostatakrebs eingesetzt. Dabei wird ein Teil seiner Wirkung ebenfalls über die Mikrotubuli vermittelt. Außerdem führt Sabizabulin zur Apoptose, indem es die Poly-ADP-Ribose-Polymerase (PARP) hemmt, die für die DNA-Reparatur von Krebszellen wichtig ist. Laut Informationen des Herstellers hätte in präklinischen Studien für Sabizabulin eine Wirksamkeit gegen eine Vielzahl an Krebserkrankungen gezeigt werden können, darunter auch Gebärmutterhalskrebs, Gliome und Pankreaskarzinom.

Geringere Mortalität im Vergleich zu Placebo

Die randomisierte und placebokontrollierte Phase-3-Studie, in der Sabizabulin gegen COVID-19 eingesetzt wurde, erschien Anfang Juli im NEJM Evidence. Insgesamt 204 Patienten mit moderater bis schwerer COVID-19-Erkrankung und hohem Risiko für ein akutes Atemnotsyndrom (ARDS) waren eingeschlossen. Sie erhielten im Verhältnis 2:1 entweder 9 mg Sabizabulin oral oder Placebo für bis zu 21 Tage. Als primärer Endpunkt wurde die Gesamtmortalität bis Tag 60 untersucht. Bei einer Zwischenanalyse der ersten 150 randomisierten Patienten zeigte sich eine Überlegenheit von Sabizabulin. Es reduzierte die Todesfälle absolut um 24,9% und führte zu einer relativen Reduktion der Todesfälle um 55,2% im Vergleich zu Placebo (Odds ratio = 3,23, 95%-Konfidenzintervall 1,45-7,22, p = 0,0042).

Prüfung durch die Emergency Task Force

Die Notfall-Einsatzgruppe der EMA ist ein beratendes und unterstützendes Organ, das regulatorische Aufgaben in Vorbereitung auf oder während Notfallsituationen, wie einer Pandemie, übernimmt. Das Review-Verfahren von Sabizabulin ist das erste dieser Art, dass sich auf Artikel 18 Absatz 3 und 4 der neuen EU-Verordnung 2022/123 gründet. Diese Verordnung erweitert die Rolle der EMA während Notfällen im Bereich der öffentlichen Gesundheit. In Artikel 18, Absatz 3 heißt es, dass die Notfall-Einsatzgruppe „auf Ersuchen eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder der Kommission“ Empfehlungen an den Ausschuss für Humanarzneimittel für ein Gutachten gibt. Für Sabizabulin wurde die Anfrage aus Deutschland gestellt. Weiter heißt es im Absatz 4: „Nach Eingang einer Empfehlung gemäß Absatz 3 gibt der Ausschuss für Humanarzneimittel sein Gutachten zu den aufzuerlegenden Bedingungen für die Anwendung, die Bereitstellung der betreffenden Arzneimittel und die Zielpatienten ab. Dieses Gutachten wird bei Bedarf aktualisiert.“

So bleibt also abzuwarten, welche Empfehlungen die Notfall-Einsatzgruppe aussprechen wird und welche Bedingungen daraufhin der Ausschuss für Humanarzneimittel festlegen wird.

Notfallgenehmigung in den USA beantragt

Der Hersteller Veru hat am 7. Juni verkündet, eine Notfallgenehmigung (Emergency Use Authorization) für Sabizabulin gegen COVID-19 bei der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA beantragt zu haben. Dabei geht es wie in der Phase-3-Studie um den Einsatz bei hospitalisierten Patienten mit einem hohen Risiko ein akutes Atemnotsyndrom (ARDS) zu entwickeln.


Desiree Aberle, Apothekerin, Redakteurin DAZ
redaktion@daz.online


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