KVSH steigt aus Rollout aus

Kein Versand des E-Rezept-Tokens via E-Mail – was bedeutet das für die Apotheken?

Berlin - 22.08.2022, 17:50 Uhr

Die KVSH betont zwar, dass mit ihrem Ausstieg das E-Rezept nicht gestoppt sei – wie viele elektronische Verordnungen vorerst noch in den Apotheken ankommen werden, bleibt jedoch abzuwarten. (Foto: pharmatechnik)

Die KVSH betont zwar, dass mit ihrem Ausstieg das E-Rezept nicht gestoppt sei – wie viele elektronische Verordnungen vorerst noch in den Apotheken ankommen werden, bleibt jedoch abzuwarten. (Foto: pharmatechnik)


In Schleswig-Holstein untersagte die Landesdatenschutzbeauftragte den Versand des E-Rezept-Tokens per E-Mail – die KVSH steigt daraufhin aus der Mission E-Rezept-Rollout aus. Welche Konsequenzen hat das für das Projekt und wie steht die Apothekerschaft zum Schritt der Kassenärzte? Die DAZ sprach darüber mit Georg Zwenke, Geschäftsführer des Apothekerverbands Schleswig-Holstein.

Die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein macht nicht mehr mit beim E-Rezept-Rollout, der am 1. September starten soll. Grund ist eine Entscheidung der Landesdatenschützerin: Demnach ist es nicht erlaubt, dass Praxen den E-Rezept-Token per E-Mail an ihre Patienten schicken. „Damit ist der für Patienten praktikabelste Transportweg versperrt“, schreibt die KVSH in einer Pressemitteilung vom heutigen Montag. Die im Norden weit verbreitete Arztsoftware medisoftware, die einen solchen Dienst angeboten hatte, hat bereits angekündigt, die Funktion kurzfristig abzuschalten.

Auch den nackten Token ohne textliche Angabe der verordneten Medikamente per E-Mail zu versenden, ist laut KVSH nicht erlaubt. Denn nach Einschätzung des Landesdatenschutzes sei auch dieser zu den Gesundheitsdaten zu zählen. Der KV zufolge sei zu berücksichtigen, dass „auf dem Markt frei erhältliche Apps aus dem Apothekenumfeld jeder Person, die befugt oder unbefugt im Besitz des QR-Codes ist, die Kenntnisnahme von Daten einer Verordnung ermöglicht“. Beim Hochladen in solche Apps würden die Daten ermittelt und dem App-Nutzenden angezeigt.

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Welche Apps damit konkret gemeint sind, bleibt offen – es liegt allerdings nahe, dass es sich um Applikationen einzelner Softwareanbieter handeln könnte, die in der Lage sind, die Token auszulesen. Über eine solche hatte Apotheker Ralf König aus Nürnberg der Redaktion bereits Mitte März berichtet. „Wenn der Kunde den Token abfotografiert, ist er direkt mit seiner Kundendatei bei mir im System verbunden“, erklärte er. „So kann er über mein System sein E-Rezept auf dem Smartphone auslesen und sieht nicht nur den Token, sondern kann erkennen, welche Medikamente er genau verordnet bekommen hat. Er sieht sogar, welches Präparat ich gemäß Rabattvertrag abgeben muss und ob ich es vorrätig habe.“

In Schleswig-Holstein macht die KV nun vorerst dicht – vom Transport des Tokens per Ausdruck ist man nicht überzeugt und digitale Wege seien kaum zu realisieren. Was sagen die Apotheker dazu? Im Gespräch mit der DAZ zeigt der Geschäftsführer des Apothekerverbands Schleswig-Holstein (AVSH), Georg Zwenke, Verständnis für den Schritt der Kassenärzte. Für die Versicherten dürfe sich die datenschutzrechtliche Situation mit der Umstellung auf die elektronischen Verordnungen nicht verschlechtern, meint er. „Unverschlüsselte E-Mails können aber sehr leicht abgefangen werden.“

Token-Versand per E-Mail auch ein Problem für Apotheken

Auch aus Apothekensicht sei der Transport des Tokens via E-Mail problematisch. Denn dieser finde sich im Anhang als PDF, das die Mitarbeitenden öffnen müssten. So könne allerlei Schadsoftware auf die Apothekenrechner gelangen, wenn Kriminelle dieses Einfallstor ausnutzten, warnt Zwenke.

Zudem sei noch nicht klar, ob die Betriebe den Token per E-Mail überhaupt annehmen dürfen: Die Anfragen an die Landesdatenschutzbeauftragte haben dem Geschäftsführer zufolge KV und Apothekerverband gemeinsam gestellt. Sie wollten nicht nur wissen, ob es erlaubt ist, dass Praxen den Token auf diesem Weg an die Versicherten schicken, sondern fragten auch, ob Apotheken sie via E-Mail akzeptieren dürfen, entweder vom Patienten selbst oder direkt von der Praxis. „Die Antwort steht noch aus“, sagt Zwenke. Er erwarte aber zeitnah eine Rückmeldung, denn bis 1. September müsse Rechtssicherheit herrschen.

Wer konnte, nutzte wohl vorrangig den Versand per E-Mail

In Schleswig-Holstein droht dem E-Rezept nun nach Zwenkes Einschätzung ein eher schleppender Start – denn der Versand per E-Mail sei sehr beliebt gewesen. „Apotheken, die eine Praxis mit dieser Möglichkeit in der Nähe haben, dürften mindestens 90 bis 95 Prozent der empfangenen E-Rezepte per E-Mail bekommen haben“, schätzt er.

Höchstwahrscheinlich ist mit der Feststellung der Landesdatenschutzbeauftragten zudem nicht nur das Weiterleiten via E-Mail passé, sondern auch per SMS oder Fax. Laut Zwenke beruft sie sich neben Artikel 25 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) auf § 360 SGB V, der zentralen Norm für das E-Rezept. Darin sei für den Transport elektronischer Verordnungen explizit die Telematikinfrastruktur vorgesehen – somit könnte auch die Übermittlung des Tokens per Fax unzulässig sein.


Sobald die hierfür erforderlichen Dienste und Komponenten flächendeckend zur Verfügung stehen, ist für die elektronische Übermittlung und Verarbeitung vertragsärztlicher elektronischer Verordnungen von apothekenpflichtigen Arzneimitteln, einschließlich Betäubungsmitteln, sowie von sonstigen in der vertragsärztlichen Versorgung verordnungsfähigen Leistungen die Telematikinfrastruktur zu nutzen."

§ 360 Absatz 1 SGB V


Dass die bisher rege genutzte Weiterleitungsmöglichkeit per E-Mail jetzt entfällt, könnte übrigens bundesweit für Verzögerungen sorgen. Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe wurden als Testregionen ausgewählt, weil die Praxen und Apotheken dort im Vergleich schon recht viele E-Rezepte verarbeiteten. Ist in Schleswig-Holstein der bisherige Haupttransportweg versperrt und stellt die KV gleichzeitig ihr Engagement ein, wird es vermutlich deutlich länger dauern als zunächst gedacht, bis die gesetzte Zielmarke von 25 Prozent E-Rezepte am Anteil aller Arzneimittelverordnungen im Bezirk erreicht ist. Diese Quote muss sowohl im Norden als auch im Westen erfüllt sein, bevor der Rollout auf andere Regionen ausgedehnt wird. Die KVSH betont zwar, dass mit ihrem Ausstieg das E-Rezept nicht gestoppt sei – wie viele elektronische Verordnungen vorerst noch in den Apotheken ankommen werden, bleibt jedoch abzuwarten.


Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Rückzug Schleswig-Holstein

von Scarabäus am 23.08.2022 um 16:46 Uhr

Gott-sei-Dank gibt es noch Restvernunft in diesem Land. Dieser digitale Berliner Flughafen names E-Rezept gehört abgewickelt. Wenn ein Land nicht mal seine Energieversorgung sicherstellen kann, ist der Digitalisierungswahn absolut fehl am Platz. Auch wenn wir nicht mehr unsere Schaufenster beleuchten dürfen: Ohne Strom gibt's sowieso keine E-Rezepte!

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Unsicheres Fax

von Norbert Veicht am 23.08.2022 um 15:47 Uhr

Wenn das Weiterleiten von E-Rezept-Tokens per Fax nicht mehr erlaubt ist, muss das auch für das Senden von normalen Rezepten per Fax gelten. Die kann ja schließlich jeder lesen, und zwar ohne technische Hilfsmittel.

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Typisch Deutschland

von Holger am 23.08.2022 um 8:25 Uhr

Man muss nur genug Beteiligte fragen, dann findet man schon irgendwen, der "nein" sagt .... und wieder einmal geht nichts voran in unserer Verwaltungsrepublik. Nicht, dass ich ein Riesenfan des e-Rezepts wäre, aber es ist symbolhaft für unsere Selbstblockade.

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