SARS-CoV-2 und mehr

Mit nur einem Tropfen Blut den Impfstatus bestimmen

Düsseldorf - 26.08.2022, 17:50 Uhr

Ziel des Projekts ist die Entwicklung verschiedener Testformate, mit denen sich schnell und einfach der Impfstatus von Mensch und Tier bestimmen lassen soll. (x / Foto: Henrik Dolle / AdobeStock)

Ziel des Projekts ist die Entwicklung verschiedener Testformate, mit denen sich schnell und einfach der Impfstatus von Mensch und Tier bestimmen lassen soll. (x / Foto: Henrik Dolle / AdobeStock)


Unter dem Projektnamen Resistovac forschen in Jena Forscher am InfectoGnostics Forschungscampus in öffentlich-privater Partnerschaft an einem Testsystem, um schnell und günstig den Impfstatus zu bestimmen. In einem jetzt veröffentlichten Ansatz zeigten sie dabei, dass sich unter anderem gleichzeitig auf den COVID-19-, Masern-, Diphterie- und Tetanus-Status testen lässt. 

„Wir haben uns gefragt, wie muss eigentlich der perfekte Test aussehen“, beschreibt Professor Ralf Ehricht etwas überspitzt, was sein Team gemeinsam mit anderen Forschern am InfectoGnostics Forschungscampus in Jena entwickelt und jetzt im Fachjournal „Nature Scientific Reports“ veröffentlicht hat.  

Aus nur einem Tropfen Blut soll einmal der möglichst vollständige Impfstatus eines Menschen ermittelt werden können. Noch haben die Jenaer Forscher um Ehricht „erst“ als eine Art Proof of Concept einen Test entwickelt, der dies zumindest für COVID-19, Masern, Diphterie und Tetanus gleichzeitig bestimmt – und dabei sogar unterschiedliche Antikörper-Antworten von Genesenen und Geimpften auf SARS-CoV-2 aufzeigen kann. 

Antigen-Kombinationen von SARS-CoV-2 

Die Arbeitsgruppe des Professors für Optische Molekulare Diagnostik und Systemtechnologie am Institut für Physikalische Chemie der Friedrich-Schiller-Universität Jena beschäftigte sich in ihrer Arbeit zunächst vor allem mit der Frage nach dem Nachweis der Immunreaktion auf den COVID-19-Erreger. „Wir wollten dabei die relativ spät gebildeten IgG-Antikörper nachweisen – eine Art Langzeitgedächtnis des Immunsystems gegen Bestandteile eines Erregers. Für deren Nachweis haben wir 18 Antigen-Kombinationen für das Coronavirus als Fängermoleküle aufgebracht“, sagt Sindy Burgold-Voigt, Erstautorin und Doktorandin am Leibniz-IPHT und Mitglied der AG Ehricht.   

IPHT steht dabei für das Institut für Photonische Technologien, dem Ehricht als Leiter der Abteilung Optisch-Molekulare Diagnostik und Systemtechnologie angehört. Universität und Leibniz-Institut sind dabei mit derzeit 26 anderen Instituten und privaten Unternehmen in einer öffentlichen-privaten Partnerschaft (PPP, public private partnership) am InfectoGnostics Forschungscampus engagiert, wo die Forschungsarbeit gemeinsam unter anderem mit Partnern aus der Wirtschaft entstand. Dabei profitierten die Forscher auch von einem bereits bestehenden Projekt namens Resistovac, das ein anpassbares MicroArray-Testsystem beinhaltet.  

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Der Forschungscampus ist dabei ein mehr als 1.000 Quadratmeter großes Gebäude, das zum Zentrum für Angewandte Forschung gehört und gemeinsamen Labor- und Büroplatz für die 28 Partner bietet.  

Forschung und Wirtschaft kooperieren im Forschungscampus als PPP

Im Projekt Resistovac arbeiten neben dem Leibniz-Institut die drei Unternehmen fzmb (Forschungszentrum für Medizintechnik und Biotechnologie), die Senova Gesellschaft für Biowissenschaft und Technik und 4H-JENA engineering. Ziel des noch bis zum Jahr 2025 laufenden Projekts ist die Entwicklung verschiedener Testformate, mit denen sich schnell und einfach zum einen die Impfstatus von Menschen und Tieren bestimmen lassen sollen, zum anderen will man eine ebenso unkomplizierte Bestimmung von Resistenzfaktoren von pathogenen Bakterien etablieren.   

Dabei setzen die Forscher aus Wissenschaft und Wirtschaft zum einen auf ein frei konfigurierbares MicroArray-System namens Inter-Array, das von fzmb hergestellt wird. Ein anderes einfaches Testsystem im Resistovac-Projekt basiert auf dem Lateral-Flow-Prinzip, wie man es etwa von COVID-19-Schnelltests kennt.  

In der jetzt veröffentlichten Arbeit der Forscher der AG Ehricht kam der MicroArray-Test zum Einsatz in Form eines hochpräzise auf eine Kunststoffoberfläche aufgetragenen Protein-Micro-Arrays von nur rund 3,5 mal 4 Millimetern Kantenlänge. „Darauf lassen sich Dutzende verschiedene Proteine auftragen“, erklärt Ehricht. Das Besondere bei diesem Test ist dabei, dass sie auf einer Kunststoffoberfläche zu geringen Produktionskosten basieren. Herkömmliche MicroArrays basierten früher auf Glasoberflächen und testeten meist auf eine Reaktion gegen DNA-Fragmente.   

Ausgewertet werden die Tests optisch. Bindet ein Antikörper aus dem aufgetragenen Patientenblut an die auf der Oberfläche haftenden Protein-Antigene, gibt es eine Farbreaktion. Die Farbänderung der winzigen Testfelder lassen sich mit einem dafür konzipierten Lesegerät auswerten. 

Test mit Blutproben aus „Quarantäne-Dorf“ validiert

Bei den SARS-CoV-2-Antigenen, die die Forscher verwendeten, handelte es sich unter anderem um S-Protein des Wuhan-Urtyps sowie um das NC-Protein (Nucelocapsid) des Virus beziehungsweise verschiedene Teilstücke der Proteine. Den so etablierten Test validierten die Forscher dann mit Blutproben, die aus der im Jahr 2020 in Neustadt am Rennsteig durchgeführten Corona-Studie „CoNAN“ stammten. Das Dorf in Nordthüringen war zu Beginn der Pandemie komplett unter Quarantäne gestellt worden und von Forschern der Uniklinik Jena systematisch in einer epidemiologischen Studie erfasst worden.  

Die Forscher konnten so unterschiedliche Immunantworten aufzeigen, die bei Geimpften und bei Genesenen entstehen. So gibt es bei ausschließlich Geimpften nur Antikörper gegen das S-Protein – und diese auch in unterschiedlicher Ausprägung. Alle mRNA- und Vektor-Impfstoffe enthalten lediglich das S, also das „Spike-Protein“ als immunogenes Antigen. Genesene zeigten dagegen auch Antworten gegen das NC-Protein, einige ausschließlich, andere sowohl gegen NC- als auch gegen S-Protein.  

Noch keine Aussagen zu Antworten gegen Varianten möglich

Dabei ließ sich mit dem nun veröffentlichten Test allerdings keine Aussage zu verschiedenen Varianten machen. „Als wir mit den Arbeiten begannen, war die Alpha-Welle aktuell“, sagt Ehricht. Das gilt entsprechend für die Blutproben aus dem Jahr 2020 aus Neustadt. Welche Protein-Kombinationen so etwa bei einem kommerziellen Test sinnvoll seien, um auch die Immunität gegen verschiedenen Varianten zu ermitteln, sei noch zukünftige Forschungsarbeit, sagt der Professor.  

Belegen konnten die Forscher in jedem Fall mit ihrer Arbeit, dass einfache MicroArray-Tests möglich sind, die zum einen Auskunft über die Immunantwort gegen SARS-CoV-2 geben und zum anderen problemlos auch den Immunstatus gegen andere Infektionskrankheiten mit darstellen. Die Kombination mit Masern, Tetanus und Diphterie sei nun nur ein Proof of Concept gewesen. Grundsätzlich sei es möglich, eine sehr große Zahl verschiedener Antigene auf dem Testfeld aufzubringen, sagt Ehricht.  

„Wir konnten so zeigen, dass wir den Test flexibel erweitern und verschiedene Antikörper während einer einzigen Testung im Patientenblut nachweisen können. In Zukunft könnte man also einen Mikroarray für alle von der STIKO empfohlenen Impfungen zusammenstellen, mit dem man schnell und günstig auf mögliche Impflücken screenen könnte“, erklärt Sindy Burgold-Voigt. 

Resistovac und die entsprechenden Teilprojekte werden daher auch unter anderem durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.  


Volker Budinger, Diplom-Biologe, freier Journalist
redaktion@daz.online


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