- DAZ.online
- News
- Pharmazie
- Adalimumab
Das „wertvollste Medikament der Welt“ – so wurde der monoklonale Antikörper Adalimumab einst betitelt. Adalimumab zählt seit Jahren zu den umsatzstärksten Arzneimitteln der Welt. Im Jahr 2020 belief er sich für das Originalpräparat Humira auf 19,8 Milliarden Dollar weltweit. Im Folgenden sind die wichtigsten Aspekte zusammengefasst – zum Nachlesen oder Anhören in unserem Podcast.
Bei Adalimumab handelt es sich um einen vollständigen humanen, monoklonalen IgG1-Antikörper gegen TNF-α. Zugelassen wurde Adalimumab 2003 unter dem Namen Humira® von der Firma AbbVie. Nach Ablauf des Patents in Europa am 16. Oktober 2018 kamen gleich am darauffolgenden Tag drei Biosimilars auf den Markt. Mittlerweile sind insgesamt 10 Biosimilars in Europa erhältlich.
Ursprünglich wurde Adalimumab zur Therapie der rheumatoiden Arthritis zugelassen. Im Laufe der Jahre erweiterte sich die Zulassung. Adalimumab wird bei Erkrankungen eingesetzt, die mit hochregulierten inflammatorischen Prozessen des Körpers assoziiert sind, wie z.B. verschiedene Formen der Arthritis, Psoriasis, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und Uveitis.
Die Herstellung von Adalimumab erfolgt in Ovarialzellen des chinesischen Hamsters (= CHO-Zellen, Chinese Hamster Ovary).
Wirkmechanismus
Der monoklonale Antikörper Adalimumab fungiert als TNF-α-Antagonist. Der Tumornekrosefaktor-α (= TNF-α) ist ein Zytokin, welches an nahezu allen Entzündungsreaktionen beteiligt ist. TNF- α vermittelt seine Wirkung über zwei verschiedene Rezeptoren, die sich an der Zelloberfläche von nahezu allen Körperzellen befinden. Zusätzlich kommen TNF-Rezeptoren auch in löslicher Form vor. Diese agieren als natürliche Regulatoren der Zytokine, indem sie überschüssiges TNF-α abfangen. Adalimumab antagonisiert die Wirkung von TNF-α, indem es sowohl freies als auch membrangebundenes TNF-α bindet. Es wirkt somit entzündungshemmend und immunsuppressiv.
Dosierung
Adalimumab ist als Injektionslösung in einer Fertigspritze oder einem Fertigpen erhältlich. Nach einer entsprechenden Einweisung in die Injektionstechnik können Patient:innen sich Adalimumab selbst injizieren. Die Dosierung von Adalimumab richtet sich nach der Indikation und dem Körpergewicht. Im Folgenden sind für Erwachsene die Dosierungen für eine Auswahl an Indikationen zusammengefasst:
Rheumatoide Arthritis: Bei RA findet Adalimumab Einsatz nach unzureichendem Ansprechen zweier csDMARD-Therapien. DMARD steht für „Disease-modifying anti-rheumatic drug“ und cs erläutert, dass es sich dabei um konventionelle synthetische DMARD handelt. Generell wird empfohlen, wenn möglich, Adalimumab mit Methotrexat zu kombinieren. Erwachsene erhalten 40 mg Adalimumab jede zweite Woche als Einzeldosis. Wenn nötig, kann die Dosis auf 40 mg jede Woche oder 80 mg jede zweite Woche erhöht werden. Ein klinisches Ansprechen wird innerhalb von zwölf Behandlungswochen erwartet.
Ankylosierende Spondylitis (AS), axiale Spondyloarthritis ohne Röntgennachweis einer AS und Psoriasis-Arthritis: Erwachsene erhalten hier ebenfalls 40 mg jede zweite Woche als Einzeldosis. Auch hier sollte das klinische Ansprechen innerhalb von zwölf Behandlungswochen eintreten.
Psoriasis: Entsprechend der Leitlinie wird Adalimumab bei mittelschwerer bis schwerer chronischer Psoriasis vulgaris eingesetzt. Und zwar dann, wenn konventionelle Therapien keinen ausreichenden Therapieerfolg erwarten lassen oder bei nicht ausreichendem Therapieerfolg, Unverträglichkeit oder Kontraindikationen. Als Initialdosis werden 80 mg Adalimumab subkutan verabreicht. Eine Woche danach wird jede zweite Woche 40 mg Adalimumab verabreicht. Ein klinisches Ansprechen tritt innerhalb von 16 Wochen ein.
Acne inversa: Hier wird Adalimumab zu Behandlungsbeginn in einer Dosis von 160 mg appliziert. Zwei Wochen später werden 80 mg Adalimuab injiziert. Erneute zwei Wochen später wird die Behandlung mit einer Dosis von 40 mg jede Woche oder 80 mg jede zweite Woche fortgesetzt. Ein klinisches Ansprechen wird innerhalb von zwölf Behandlungswochen erwartet.
Morbus Crohn: Bei mittelschwerem bis schwerem aktiven Morbus Crohn wird Adalimumab zu Behandlungsbeginn in einer Dosis von 80 mg verabreicht. Nach zwei Wochen erhalten Patient:innen 40 mg. Nach der Induktion folgt jede zweite Woche eine Einzeldosis von 40 mg.
Colitis ulcerosa: Bei Colitis ulcerosa wird zu Therapiebeginn 160 mg Adalimumab gegeben. Gefolgt von 80 mg in Woche zwei nach Therapiebeginn. Die Erhaltungsdosis beträgt 40 mg jede zweite Woche als Einzeldosis. Ein Ansprechen wird nach zwei bis acht Behandlungswochen erwartet.
Uveitis: Zur Induktion wird 80 mg Adalimumab verabreicht. Im Anschluss erfolgt jede zweite Woche eine Gabe von 40 mg.
Pharmakokinetik
Die Resorption und Verteilung von Adalimumab verlaufen langsam. Die maximale Serumkonzentration wird ungefähr fünf Tage nach Injektion erreicht. Die absolute Bioverfügbarkeit beträgt circa 64 Prozent. Die Clearance liegt zwischen 11 und 15 ml pro Stunde. Das Verteilungsvolumen beträgt 5-6 Liter und die mittlere terminale Halbwertszeit liegt bei ungefähr zwei Wochen. Die Angaben variieren jedoch je nach Dosis und Patient:in.
Die Elimination von Adalimumab kann bis zu vier Monate dauern. Es gilt daher, Patient:innen über diesen Zeitraum weiterhin bezüglich möglicher Nebenwirkungen zu überwachen.
Nebenwirkungen
Zu den häufigsten Nebenwirkungen bei der Therapie mit Adalimumab zählen Infektionen, insbesondere im oberen Respirationstrakt. An der Injektionsstelle kann es zudem zu Reaktionen wie Erythemen, Juckreiz, Hämorrhagien, Schmerzen oder Schwellungen kommen. Auch Kopfschmerzen und muskuloskelettale Schmerzen treten unter der Therapie auf.
Darüber hinaus kann Adalimumab schwerwiegende und lebensbedrohliche Nebenwirkungen verursachen: Da TNF-α-Antagonisten das Immunsystem beeinflussen, kann die körpereigene Abwehr gegen Infektionen und Krebs beeinflusst werden. Zu den Nebenwirkungen zählen daher auch tödliche Infektionen, HBV-Reaktivierung und verschiedene maligne Erkrankungen, wie Leukämie oder Lymphome. Schwerwiegende hämatologische, neurologische und Autoimmunreaktionen wurden ebenfalls berichtet.
Patient:innen, die mit Adalimumab behandelt werden, sollte daher ein spezieller Patientenpass ausgehändigt werden. Es wird empfohlen, diesen während der Behandlung und bis 70 Tage nach der letzten Injektion stets bei sich zu tragen. Zweck dieses Patientenpasses ist es, über mögliche Nebenwirkungen zu informieren.
Wechselwirkungen
Adalimumab wird sowohl als Monotherapie als auch in der Kombination mit Methotrexat angewendet. Die Bildung von Antikörpern gegen Adalimumab war bei der Monotherapie höher als unter gleichzeitiger Anwendung mit Methotrexat. Die gesteigerte Bildung von Antikörpern verursacht eine erhöhte Clearance und somit eine verminderte Wirksamkeit von Adalimumab.
Die gleichzeitige Anwendung von Adalimumab mit anderen biologischen DMARD (z.B. Anakinra und Abatacept) oder anderen TNF-Antagonisten wird nicht empfohlen. Ursache hierfür ist das erhöhte Infektionsrisiko und andere mögliche pharmakologische Interaktionen.
Kontraindikationen
Die Anwendung von Adalimumab darf nicht bei Überempfindlichkeit gegen diesen Wirkstoff erfolgen. Außerdem zählen eine aktive Tuberkulose oder andere schwere Infektionen wie beispielsweise eine Sepsis zu den Kontraindikationen. Bei mäßiger bis schwerer Herzinsuffizienz (= NYHA-Klasse III/IV) ist Adalimumab ebenfalls kontraindiziert.
Schwangerschaft und Stillzeit
Aufgrund der großen Molekülmasse von Adalimumab ist ein Übergang in die Plazenta während der ersten Wochen der Schwangerschaft unwahrscheinlich. Ab der 20. Schwangerschaftswoche gelangt der IgG1-Antikörper über den Fc-Rezeptor in die Plazenta. Es können daher therapeutische Wirkstoff-Konzentrationen beim Fötus erreicht werden. Laut Embryotox darf eine vor der Schwangerschaft begonnene Adalimumab-Therapie auch in der Schwangerschaft fortgesetzt werden, wenn dies erforderlich ist. Denn eine effektive Krankheitskontrolle mit niedriger Krankheitsaktivität ist eine wichtige Voraussetzung für einen ungestörten Schwangerschaftsverlauf.
Mehr zum Thema
Rheumatoide Arthritis, Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa etc.
Nach Infliximab-Therapie der Mutter: Lebendimpfstoffe bei Säuglingen aufschieben
Bei Anwendung von Adalimumab während der Schwangerschaft kann die normale Immunreaktion des Neugeborenen beeinflusst werden. Infolgedessen haben diese Säuglinge eventuell ein erhöhtes Risiko für Infektionen. Aus Vorsichtsgründen ist die Verabreichung von Lebendimpfstoffen bei Säuglingen, die intrauterin gegenüber Adalimumab exponiert waren, daher erst fünf Monate nach der letzten Gabe von Adalimumab bei der Mutter in der Schwangerschaft möglich.
Klinische Erfahrungen zu gut 100 Mutter-Kind-Paaren lassen darauf schließen, dass Adalimumab nur in sehr geringer Konzentration (0,1 – 1 % des Serumspiegels der Mutter) in die Muttermilch übergeht. Die zusätzliche intestinale Proteolyse bei oraler Anwendung des Proteins führt zudem zu einer schlechten Bioverfügbarkeit. Es werden daher keine Auswirkungen erwartet und Adalimumab kann während der Stillzeit angewendet werden.
DAZ-Serie
Wirkstofflexikon
Quellen
Fachinformation – Humira, Stand: Juni 2021
Embryotox – Adalimumab
Geisslinger G., Menzel S. Mutschler Arzneimittelwirkungen. Pharmakologie – Klinische Pharmakologie – Toxikologie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2020
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.