Glosse zum Konnektorentausch

Morbus digitalicus abruptus – eine teure Volkskrankheit

Stuttgart - 02.09.2022, 17:50 Uhr

„Morbus digitalicus abruptus“ (MDA – Staatlich verordnete Hauruck-Digitalisierung ohne Sinn und Verstand) fordert immer mehr Todesopfer: Das jüngste sind die 300 Millionen Euro für den sinnbefreiten Austausch der TI-Konnektoren. (a / Foto: Anze / AdobeStock)

„Morbus digitalicus abruptus“ (MDA – Staatlich verordnete Hauruck-Digitalisierung ohne Sinn und Verstand) fordert immer mehr Todesopfer: Das jüngste sind die 300 Millionen Euro für den sinnbefreiten Austausch der TI-Konnektoren. (a / Foto: Anze / AdobeStock)


Trotz massiver Kritik an dem gleichermaßen unnötigen wie schandteuren Austausch der TI-Konnektoren hält die Gematik an ihrer fragwürdigen Entscheidung für einen verpflichtenden Hardwaretausch fest. Schlüssige Begründung? Fehlanzeige. Stattdessen: Nebelkerzen und inhaltsleere Behauptungen. Lesen Sie einen sehr persönlichen Nachruf von AWA-Chefredakteur Dr. Hubert Ortner auf 300 Millionen Euro, die ohne Not und viel zu früh aus unserer Mitte gerissen wurden.

Fassungslos stehen wir am offenen Grab von jemandem, der zwar nicht unerwartet, aber dennoch viel zu früh aus unserer Mitte gerissen wurde. Wir müssen heute Abschied nehmen von 300 Millionen Euro, die der neuen Volkskrankheit unserer Tage zum Opfer gefallen sind: Die Rede ist von „Morbus digitalicus abruptus“ (MDA) – auf Deutsch „staatlich verordnete Hauruck-Digitalisierung ohne Sinn und Verstand“. 

Nach den uns vorliegenden Daten hat sich diese in den vergangenen Jahren zur Todesursache Nummer eins im deutschen Gesundheitswesen entwickelt. Unzählige Milliarden sind ihr schon zum Opfer gefallen, landauf landab zeugen frische Grabhügel von der grassierenden Seuche: Mal sind es 700 Millionen Euro Kassenbeiträge, die zu Tode digitalisiert wurden, dann wieder 500 Millionen für TI-Hardware, die schon in utero verstorben und als Totgeburt zur Welt gekommen sind. Die MDA-Todesliste ließe sich beliebig fortsetzen – wir wollen aber den Schmerz der Angehörigen nicht unnötig vergrößern.

Das jüngste Opfer

Dabei hat es für das jüngste Todesopfer – die 300 Millionen Euro für den unsinnigen Austausch der TI-Konnektoren – zwischenzeitlich doch so gut ausgesehen: Gerade mal acht Wochen ist es her, als die fachkundigen Doctores des IT-Fachmagazins „c’t“ den siechen Patienten nach allen Regeln der ärztlichen Kunst untersucht hatten. So ernüchternd ihre Diagnose war, so ermutigend war ihr Therapievorschlag: Mit einer simplen Antibiotika-Therapie könne die ansonsten lebensbedrohliche Krankheit schnell eingedämmt, ja sogar gänzlich geheilt werden! Das neu entwickelte Antibiotikum g-SMC-K-Substitutax könne sofort verabreicht werden. 

Und es gab sogar noch einen zweiten Therapieansatz von Dr. Red, einem Arzt, der sich ganz der Bekämpfung von MDA verschrieben hat. Seine Therapie – die im Vergleich zum Hardwaretausch ungleich günstigere Bündelung der Konnektoren in Rechenzentren – hätte die Krankheit zwar nicht vollständig geheilt, aber zumindest stark eingedämmt. Wie haben wir uns da gefreut!

Doch dann kam die schockierende Nachricht: Die von den „c’t“-Doctores vorgeschlagene Therapie wurde von der Gematik abgelehnt, weil sie angeblich zu unsicher sei. Schlüssige Begründung? Fehlanzeige. Stattdessen: Nebelkerzen und inhaltsleere Behauptungen. Dabei ist die Studienlage eindeutig: Antibiotika der Substitutax-Stoffklasse führen nach allem, was wir wissen, nur in den seltensten Fällen zu gravierenden Nebenwirkungen. Und wenn schon: Was sind schlimme Nebenwirkungen schon im Vergleich zum Tod …? 

Selbst ein offener Brief der „c’t“-Chefärzte, in dem sie nochmal die hohe Sicherheit der vorgeschlagenen Antibiotika-Therapie betonten, konnte an deren Ablehnung nichts mehr ändern. Dr. Reds Behandlungsansatz befindet sich gar schon seit vier Jahren im klinischen Einsatz, wurde aber ebenso schroff abgebürstet. Dein Tod war zu diesem Zeitpunkt bereits beschlossene Sache. Allenfalls die Überstellung in ein Hospiz und eine bestmögliche Palliativversorgung hat man in Berlin noch in Erwägung gezogen.

Unterlassene Hilfeleistung oder gar Mord?

Gut möglich, dass das Ganze noch ein juristisches Nachspiel haben wird und die Verantwortlichen sich wegen unterlassener Hilfeleistung mit Todesfolge vor Gericht verantworten werden müssen. Manche sprechen sogar von heimtückischem Mord: Sie sehen ein Muster dahinter, dass bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens in unschöner Regelmäßigkeit mal 500 Millionen hier, dann wieder 800 Millionen dort zu Tode kommen. Dahingerafft von Morbus digitalicus abruptus – obwohl in den allermeisten Fällen hochwirksame Arzneimittel zur Verfügung gestanden hätten. 

Warum lässt die Gematik ohne Not so viele Abermillionen dahinscheiden? Diese Frage stellt sich umso drängender, als diese an anderer Stelle im Gesundheitswesen fehlen und die entstehenden Lücken kaum zu schließen sind. Böse Zungen unken sogar, dass Dein Tod Mord aus niederen Beweggründen gewesen sei, weil Dritte davon profitieren würden. Gerüchteweise sollen insbesondere die Anbieter überteuerter TI-Hardware die Nutznießer sein. Aber das dürfte kaum zu beweisen sein. Sollte es dennoch gelingen, steht darauf die Höchststrafe, die das deutsche Strafgesetz kennt: lebenslänglich mit anschließender Sicherheitsverwahrung, unter Feststellung der besonderen Schwere der Schuld.

Was am meisten schmerzt

Manche trösten sich damit, dass Dein Tod nicht umsonst gewesen sei: Mit Deiner Organspende hättest Du zigtausende ebenfalls schwer kranke KoCo-Boxes vor dem sicheren Tod durch Verschrotten gerettet. Allerdings haben wir ernsthafte Zweifel an der Freiwilligkeit dieser Spende. So oder so finden wir, dass das kein wirklicher Trost ist. Denn jeder Tote bei der Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens ist einer zu viel. Schon viel zu viele Milliarden wurden in den vergangenen Jahren zu Grabe getragen, weil ihnen eine simple Therapie ohne Not verwehrt wurde. Das ist es, was uns an Deinem Tod am meisten schmerzt: Er wäre so einfach vermeidbar gewesen …

Quellen:

DAZ Online: „Operation Edelschrott sofort stoppen!“ https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2022/07/25/operation-edelschrott-sofort-stoppen

Heise online: „Konnektorentausch in Arztpraxen 300-Millionen-Grab ohne stichhaltige Gründe“ https://www.heise.de/hintergrund/Konnektoraustausch-in-Arztpraxen-300-Millionen-Grab-ohne-stichhaltige-Gruende-7168522.html

Heise online: „Appell an Karl Lauterbach: Teuren Konnektortausch im Gesundheitswesen verhindern“ https://www.heise.de/meinung/Appell-an-Karl-Lauterbach-Teuren-Konnektortausch-im-Gesundheitswesen-verhindern-7243806.html

Heise online: „Konnektortausch: technische Hintergründe zum Appell an Karl Lauterbach“ https://www.heise.de/hintergrund/Konnektortausch-technische-Hintergruende-zum-Appell-an-Karl-Lauterbach-7245878.html


Dr. rer. nat. Hubert Ortner, Chefredakteur AWA – Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Geschmacklos

von Cornelius Zink am 05.09.2022 um 7:27 Uhr

In der Sache m. E. richtig. Die sprachlichen Vergleiche sind bestenfalls grenzwertig, aber ziemlich sicher hochgradig geschmacklos.

Etwas mehr Sachlichkeit hätte dem Artikel gut getan. Wie kommt man zu solchen sprachlichen Überlegungen?

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Geschmacklos ? nein - zu sanft !

von ratatosk am 06.09.2022 um 14:21 Uhr

Bei den unfassbaren Zuständen in der Gematik und im Gesundheitsministerium die jeder Vernunft widersprechen, ist die Sachlichkeit leider ja auch gestorben, mit Argumenten kann man Karl eh nicht kommen, hier paaren sich Unwissenheit mit Standesdünkel aus dem 19 JHD. Deshalb war der Autor hier eher noch zu nett !
Wer mutwillig 300 Millionen wegwirft um dann für 150 Millionen die Versorgung zerstört hat keinen Respekt mehr verdient, denn Respekt muß man sich verdienen. Die Grenze ist wie überall die echte Beleidigung, die die Justiz zu ziehen hat. Schließlich killt Karl ja verwaltungsmäßig auch völlig ungerührt, und die Würde eines Ministeramtes würde voraussetzen, daß er zum allgemeinen Wohle handelt und gerade das kann man bestreiten.

AW: Geld gegen Respekt?

von Cornelius Zink am 10.09.2022 um 17:35 Uhr

Sie wissen genauso gut wie ich, wer die Gematik und das E-Rezept initiiert hat. Aber dafür muss Herr Lauterbach bei Ihnen offenbar aus Prinzip herhalten.
Das scheint mir jeder Vernunft zu widersprechen.

Das Respekt bei Ihnen 450 Mio. Euro kostet kann man so zur Kenntnis nehmen. Aber bei den Umgangsformen orientieren Sie sich scheinbar am Strafrecht, bemerkenswert.

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