Schnittstellen zur Warenwirtschaft

Woher bekommen IQVIA und Insight Health ihre Apothekendaten?

Mannheim - 07.09.2022, 07:00 Uhr

Für IQVIA und Insight Health ist es offenbar leicht, Partner-Apotheken zu rekrutieren. (Screenshot: iqvia.com / DAZ)

Für IQVIA und Insight Health ist es offenbar leicht, Partner-Apotheken zu rekrutieren. (Screenshot: iqvia.com / DAZ)


Der hessische Mittelständler Insight Health und die deutsche Tochter des US-Konzerns IQVIA versorgen Apotheker mit Daten über den Gesundheitsmarkt. Eine wichtige Informationsquelle sind die Apotheken selbst, beziehungsweise deren Warenwirtschaftssysteme. Sogenannte Panel-Apotheken lassen die Datensammler hinter die Kulissen schauen und erhalten dafür Marktanalysen und Verkaufsempfehlungen.

„Datenbezogene Prozesse in der Apotheke werden immer wichtiger“, sagt Thorsten Roos, Geschäftsführer von Insight Health. „Die Warenwirtschaft in der Apotheke ist hochkomplex.“ Ein gutes Datenmanagement gerate mehr zur Voraussetzung dafür, das Produkt- und Dienstleistungsangebot sinnvoll zu erweitern.

Diese Informationen unter anderem spezifisch für den Apothekenmarkt zu erheben und auszuwerten, ist das Kerngeschäft von Insight Health: Das Unternehmen mit Sitz im hessischen Waldems-Esch beliefert seine Kunden aus allen Bereichen des Gesundheitswesens mit Daten und deren Auswertung: Marktanalysen, Erhebungen, betriebswirtschaftliche Benchmarks. Der Erfolg von Marketingaktionen, sagt Roos, sei ebenso quantifizierbar wie der Vergleich bestimmter Produkte untereinander: „Wir helfen unseren Kunden, möglichst früh Entwicklungen auf einzelnen Märkten zu erkennen und darauf zu reagieren.“

Die Datengewinnung von IQVIA und Insight Health

Damit diese Auswertungen möglich werden, braucht der Datendienstleister unter anderem Zugang zu den Verkaufsdaten einer Apotheke. Dafür arbeitet Insight Health mit rund 6.000 sogenannten Panel-Apotheken zusammen. Diese erlauben dem hessischen Unternehmen, Schnittstellen zu ihrem Warenwirtschaftssystem einzurichten. Hierüber werden standardisiert anonyme Daten entnommen, ohne dass den Apotheken zusätzlicher Aufwand entsteht.

Im Gegenzug erhalten die Panel-Apotheken Analysen zum Apothekenmarkt allgemein und im Vergleich zur eigenen Umsatzentwicklung. Daraus seien Rückschlüsse möglich für ein konsequentes Pricing und Category Management, sagt Roos: Welche Sortimente sind relevant? Womit verdient die jeweilige Apotheke Geld? Welche Ergänzungssortimente lohnen sich? Wo liegt der bestmögliche Preis für OTC-Artikel?

Apotheken bieten sich IQVIA und Insight Health als Partner an

„Apotheken-Daten sind eine wichtige Quelle für uns“, betont Roos. Eine eigene Vertriebslinie mit Namen Solvena nimmt deren Bedürfnisse in den Blick. Partner-Apotheken zu rekrutieren, sei kein Problem, erklärt Roos: „Apotheken fragen regelmäßig an.“ Das bestätigt auch der wichtigste Konkurrent auf dem deutschen Apothekenmarkt, der deutsche Ableger des global agierenden US-Konzerns IQVIA, der aus der Fusion der Unternehmen IMS Health und Quintiles hervorgegangen ist. Auch IQVIA analysiert für seine Kunden Produkte und Marktgeschehen: den Umsatz mit Blutdruck-Messgeräten und enteralen Nährmitteln ebenso wie die Auswirkungen der Pandemie auf die Arbeit von Außendiensten.

Die deutsche Tochter des weltweit agierenden US-Konzerns mit einem erwarteten Jahresumsatz für das Geschäftsjahr 2021 von mehr als 13,5 Milliarden US-Dollar arbeitet mit rund 6.500 Panel-Apotheken eng zusammen. Dafür werde ein individueller Vertrag zur Datenlieferung abgeschlossen, erklärt eine Sprecherin: „Über eine Schnittstelle in der Apothekensoftware liefern uns dann die Apotheken ihre anonymen Einkaufs- und Verkaufsdaten sowie zurzeit einmal im Monat die Lagerinformationen.“

Hilfe bei der Preis- und Sortimentsgestaltung

IQVIA wolle seine Panel-Partner dabei unterstützen, sich auf ihr Kerngeschäft als Beratungs- und Versorgungsbetrieb zu konzentrieren. „Aus diesem Grund helfen unsere Apothekenservices insbesondere bei der Preis- und Sortimentsgestaltung, um betriebswirtschaftliche Entscheidungen zu vereinfachen.“

Interessierte Apotheken können sich über die IQVIA-Website als Panel-Partner bewerben. Nach geografischer Lage und Umsatzvolumen werde über eine Aufnahme in das IQVIA-Panel entschieden. Ferner müsse über das jeweilige Softwaresystem eine Schnittstelle vorhanden sein. Das sei aber wegen ihrer Warenwirtschaftssysteme bei nahezu allen Apotheken der Fall. Auch IQVIA betont, Arbeit entstehe den Apotheken nicht.

Anders als bei der Konkurrenz erhalten die Apotheken bei IQVIA für die Zusammenarbeit eine Aufwandsentschädigung. „Wir zahlen zwar keine Vergütung, übernehmen aber die Kosten für den Datentransfer. Der Einsatz unserer Datenanalysen ermöglicht Rohertragssteigerungen“, erwidert Roos. Rund 140 Mitarbeiter beschäftigt Insight Health. Standorte außerhalb Deutschlands gibt es in Wien und Berlin.

Daten-Dienstleister haben gesamten Gesundheitsmarkt im Visier

Neben den Apotheken haben beide Unternehmen für ihre Akquise den gesamten Gesundheitsmarkt im Visier. Das Themenspektrum ist breit und reicht von Unterstützung bei klinischen Studien oder Markteinführungen bis zur Versorgungsforschung. Kunden sind Pharmaindustrie- und Großhandel, Unternehmen aus der Medizintechnik-Branche, staatliche Einrichtungen, Apothekenkooperationen, Krankenkassen und Ministerien.

Die Daten zum Gesundheitsmarkt werden auch für die Versorgungsforschung genutzt, etwa von Hochschulen und politischen und wissenschaftlichen Instituten. Auch die Auswirkungen politischer Steuerungsinstrumente könnten transparent abgebildet werden, wirbt Insight Health selbstbewusst.

Weitreichende Bedeutung der Datenanalysen

Das macht Marktforscher wie IQVIA und Insight Health zu bedeutsamen Playern im Gesundheitswesen. Ihre Analysen beeinflussen weitreichende Entscheidungen und haben damit auch eine politische Dimension. Das gelte auch mit Blick auf einzelne pharmazeutische Wirkstoffe, sagt Carsten Telschow, Leiter des Forschungsbereichs Arzneimittel beim Wissenschaftlichen Institut der AOK. Die Beurteilung von Kosten, Preis und Nutzen sei nicht zuletzt abhängig von der gewählten Methode für den Vergleich. Mitunter deutlich abweichende Ergebnisse seien die Folge.

Auch IQVIA betont den Stellenwert von Methodik und Datenqualität, um die entscheidenden Muster und Stellgrößen zu erkennen und präzise Vorhersagen zu treffen. Die Resultate wirken sich auf den Abschluss von Versorgungsverträgen ebenso aus wie auf regulatorische Weichenstellungen: „Auch die Politik schaut, wo die Kosten besonders steigen und wo es zum Beispiel preisliche Ausreißer gibt“, sagt Telschow.

„Gesundheitsfragen haben ganz klar eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung“, bestätigt Roos. „Wir teilen unsere Informationen daher auch mit Wissenschaft, Behörden und Verbänden.“ Daten sind in der Gesundheitsversorgung zu einem unverzichtbaren Rohstoff geworden, jeder braucht sie: Krankenkassen, Krankenhausplaner, Wissenschaftler und Politik. Gleichzeitig wird ihre Gewinnung immer komplizierter und teurer. Das schafft Abhängigkeiten. Und die Verantwortung, die Datenqualität hoch zu halten. Der Zugang für neue Anbieter wird dadurch nicht leichter. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum die beiden Datendienstleister IQVIA und Insight Health auf dem deutschen Apothekenmarkt wenig Konkurrenz haben.

Einen inhaltlichen Fokus in der Zusammenarbeit mit Apotheken will Insight Health künftig auch auf kundenbezogene Apothekendienstleistungen richten. Auch dafür sind Informationen unerlässlich. „Apotheken wissen über ihre individuellen Kunden in der Regel wenig bis nichts“, weiß Roos. Selten gibt es eine aussagekräftige und nutzbare Kundenkartei. Das macht selbst einfache Angebote wie Benachrichtigungen oder Erinnerungen schwierig.

Wirtschaftlich bleibe das Umfeld für die Branche günstig, erwartet zumindest IQVIA-Chairman und CEO Ari Bousbib: „Die Aussichten für die Life-Sciences-Branche sind weiterhin gut und wir erwarten eine anhaltend starke Nachfrage nach unseren klinischen und kommerziellen Angeboten.“


Sabine Rößing, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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