Weltweit

Johnson & Johnson ersetzt Talkum durch Maisstärke in Babypuder

Stuttgart - 08.09.2022, 11:00 Uhr

Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) stuft die perineale Anwendung von Talkum in Körperpudern als „möglicherweise karzinogen“ für den Menschen (Gruppe 2B) ein. (x / Foto: IMAGO / UIG)

Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) stuft die perineale Anwendung von Talkum in Körperpudern als „möglicherweise karzinogen“ für den Menschen (Gruppe 2B) ein. (x / Foto: IMAGO / UIG)


Talkum dürfte Apotheker:innen nicht nur aus kosmetischen Pudern, sondern auch als Lebensmittelzusatzstoff und Hilfsstoff in Arzneimitteln bekannt sein. In den USA steht Talkum jedoch schon seit längerem wegen möglicher Krebsrisiken aufgrund potenziell mit Asbest verunreinigter Babypuder in der Kritik. Johnson & Johnson hat nun seine Rezeptur umgestellt – nach eigenen Angaben aus rein wirtschaftlichen Beweggründen. 

Der Pharmahersteller Johnson & Johnson wird im Jahr 2023 weltweit seinen Vertrieb von talkumhaltigem Babypuder einstellen, das berichtete das „British Medical Journal“ (BMJ) im vergangenen August. Die Rezeptur soll von Talkum auf Maisstärke umgestellt werden. Nach Angaben von Johnson & Johnson soll dieser Wechsel lediglich auf einer finanziellen Entscheidung basieren. Doch dürfte diese stark davon geprägt sein, dass in den USA derzeit mehr als 40.000 Klagen gegen das Unternehmen vorliegen sollen. Der Vorwurf: Das Babypuder soll Asbest enthalten. 

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Bereits 2011 hatte die DAZ berichtet, dass Babypuder gefährlich werden kann. Allerdings ging es dabei nicht um eine mögliche Kontamination mit Asbest. Vielmehr wurde vor der Gefahr gewarnt, dass Babys oder Kleinkinder das Puder einatmen könnten. Damals riet das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), dass Puderdosen nur noch mit sicheren Verschlusssystemen oder ohne Talkum angeboten werden sollten.  

In Deutschland wird der Gebrauch von Babypuder ohnehin nicht empfohlen: „Auf den sauberen und abgetrockneten Po kann ein pflegendes Babyöl oder eine dicke Schicht Wundschutzcreme wie z. B. Retterspitz Zinksalbe oder Calendula Wundschutzcreme aufgetragen werden. Nicht zu empfehlen sind Babypuder, da sie mit der Feuchtigkeit verklumpen und die Reibung auf der Haut erhöhen“, hieß es etwa in der DAZ 13/2021. Dennoch war Talkum auch 2017 in Deutschland noch ein Thema: Eine vom BfR veröffentlichte Informationsbroschüre „Risiko Vergiftungsfälle bei Kindern“ adressierte die Puder-Gefahr erneut. Bis heute basiert etwa das bekannte Babypuder von Penaten auf Talkum. 

Babypuder für erwachsene Frauen – „möglicherweise karzinogen“

Allerdings muss man wissen, dass es bei den Klagen in den USA gar nicht um die Anwendung der Puder bei Babys geht. Wie Ökotest 2018 erklärte, war es in den USA lange üblich, dass „Frauen ihren Intimbereich mit Babypuder pflegten. Einige Frauen, so lautet der Vorwurf in Gerichtsverfahren in den USA, sollen deshalb an Eierstockkrebs erkrankt sein.“ Generell gilt es als umstritten, ob talkumhaltige Puder krebserregend sein können. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) stuft die perineale Anwendung von Talkum in Körperpudern als „möglicherweise karzinogen“ für den Menschen (Gruppe 2B) ein.

Johnson & Johnson betont nun, dass die neuen Puder auf Maisstärkebasis bereits weltweit im Handel seien und bleibt vor allem bei seiner Position, dass talkumhaltige Puder nicht schädlich sein sollen: „Wir stehen fest hinter den jahrzehntelangen unabhängigen wissenschaftlichen Analysen medizinischer Experten auf der ganzen Welt, die bestätigen, dass Babypuder auf Talkumbasis sicher ist, kein Asbest enthält und keinen Krebs verursacht“, heißt es in einer Mitteilung vom August. 

FDA fand 2019 Weiß-Asbest in einer Flasche Babypuder 

Grundsätzlich ist bekannt: Talkumpuder kann Asbest enthalten. Und Talkum ist nicht nur in Babypuder, sondern auch in Tabletten und Nahrungsmitteln enthalten. Natürlich muss bei all diesen Produkten dafür gesorgt werden, dass sie entsprechend der rechtlichen Anforderungen asbestfrei sind. Wie das BMJ erklärt, hatten jedoch 2018 die Nachrichtenagentur Reuters und die „New York Times“ über interne Unternehmensdokumente berichtet, aus denen hervorgehen soll, dass Führungskräfte von Johnson & Johnson seit 1957 von einer Asbestkontamination wussten, diese Informationen aber geheim gehalten hatten. Und tatsächlich kam es 2019 zu einem Chargen-Rückruf durch Johnson & Johnson, nachdem die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA in einer Flasche des Babypuders aus einer Apotheke Chrysotil-Fasern (Weiß-Asbest) gefunden hatte. Später soll das Unternehmen laut BMJ erklärt haben, bei eigenen Tests keinen Asbest nachgewiesen zu haben. 

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Bei all dem Hin und Her erscheint die Entscheidung zur Umstellung von Talkum auf Maisstärke in Babypudern nur begrüßenswert. Viele Anwälte der Kläger:innen in den USA fühlten sich durch diese Nachricht in ihrer Position gegenüber Johnson & Johnson gestärkt, schreibt das BMJ. Allerdings heißt es auch, dass selbst die bereits errungenen Siege der Kläger:innen ohne finanzielle Folgen bleiben könnten: Johnson & Johnson soll im Februar die Erlaubnis erhalten haben, seine Haftung auf eine einzige Tochtergesellschaft zu beschränken, die sofort Konkurs angemeldet habe. Es soll sich dabei um ein juristisches Manöver handeln, das seit den 1980er Jahren nur wenige Male angewandt wurde – meist von Unternehmen, die wegen Asbestbelastung verklagt wurden, erklärt das BMJ. Ob Johnson & Johnson damit durchkommt, sei aber noch offen. 


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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